1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 „Natürlich. Wenn du in einer der Tavernen am Händlerwasen mit einem Beutel Silbertaler klimperst, verbreitet sich die Nachricht schneller, als ein Pferd galoppieren kann.“
Das war mir hinterher auch durch den Kopf geschossen, aber da war es zu spät gewesen. „Was erzählt man sich denn sonst noch?“, fragte ich.
„Jemand ist hinter dir her“, antwortete Gendra. „Leute, die nicht von hier sind, sondern aus der Provinz Krayhan. Vielleicht glauben sie, du besitzt noch mehr von den Beuteln voller Geld. Aber da Jonner dorthin reist, könnte es auch mit dem Auftrag des Fürsten zu tun haben.“
„Unwahrscheinlich“, sagte ich. „Niemand in der Stadt weiß, warum Borran mich an dem Abend zu sich gerufen hat. Außerdem bringt es nichts, mich aus dem Weg zu räumen. Der Fürst kann jederzeit einen Anderen mit dem beauftragen, was zu tun ist.“
„Und was ist das?“
„Eine private Angelegenheit“, sagte ich ausweichend und machte einen Stich. „Achte besser darauf, welche Karten du spielst, Martie.“
„Warum hast du ausgerechnet Jonner geschickt?“, wollte Serron wissen, nachdem wir ein paar Minuten schweigend gespielt hatten.
„Er kann sich durchsetzen, er plaudert nichts aus und er braucht Geld“, sagte ich. „Außerdem wollte er dringend Dongarth verlassen. Da hat alles gepasst.“
„Für einen wichtigen Auftrag hätte ich ihn nicht ausgewählt“, entgegnete Serron. „Er ist zu sehr von sich überzeugt. Jede hübsche junge Frau kann ihm so den Kopf verdrehen, dass er alles andere vergisst und Dummheiten macht.“
„Die Dörfer im Nordosten sind nicht für die Schönheit ihrer Mädchen bekannt“, behauptete ich.
„Gut, ich korrigiere“, sagte Serron. „Jede Frau kann das.“ Er warf eine Karte auf den Tisch und strich den Stich ein.
Wir nickten wissend und spielten eine Weile, ohne über wichtige Themen zu reden. Dann kam das Gespräch auf andere Gerüchte, die derzeit in der Stadt umliefen.
„Es soll ein Fremder im Land sein“, sagte Martie unvermittelt. Er hatte eine besondere Betonung in seiner Stimme, die uns aufmerken ließ.
„In welchem Land?“, fragte Gendra.
„In den Ringlanden.“
Wir sahen Martie mit erhobenen Augenbrauen an und er bequemte sich, mehr zu erzählen.
„Man sagt, er sei im Osten oder Südosten zum ersten Mal gesehen worden. Ziemlich nahe am Gebirge. Ein Eisenwarenhändler hat ihn am Straßenrand aufgelesen und für ein paar Heller ein Stück weit mitgenommen bis in die nächste Stadt. Das soll vor zwei oder drei Monaten gewesen sein.“
„Woran konnte der Händler erkennen, dass es jemand von außerhalb der Ringlande war?“, wollte Gendra wissen.
„Der Fremde hat mit Münzen bezahlt, wie der Händler sie noch nie gesehen hat. Das ist zumindest das Glaubhafteste, was berichtet wird.“
„Wieso das?“, wollte ich wissen.
„Du kennst doch die Leute. In den Gerüchten ist der Fremde größer als ein Kurrether, trägt ein magisches Schwert bei sich und hat Ringe an den Fingern mit Edelsteinen so dick wie Hühnereier.“
Wir lachten.
„Das mit dem Geld scheint aber zu stimmen. Eine seltsame Silbermünze soll in Dongarth aufgetaucht sein. Wer sie in Händen gehabt hat, ist nicht herauszubekommen. Angeblich ist die Münze kleiner als bei uns üblich, präziser geprägt und mit unleserlicher Schrift versehen.“
„Ist ein Bild darauf?“
„Ein Vogel von einer Art, wie es sie in den Ringlanden nicht gibt.“ Martie trank seinen Krug leer und stierte die Karten in seiner Hand an, bevor er fortfuhr. „Hier in der Gegend traf das Gerücht vor zwei Tagen ein. Derzeit macht es draußen auf dem Händlerwasen die Runde. Ihr habt offenbar nichts davon gehört?“
Wir verneinten alle.
„Also ist es noch nicht in die Stadt gelangt. Aber das wird bald der Fall sein.“
„Wie soll er denn aussehen, der Fremde?“, fragte Gendra.
„Groß, strahlend, dem Benehmen nach ein vornehmer Herr. Aber wie gesagt, davon glaube ich erst einmal nichts davon.“
„Wenn er wirklich von außerhalb kommt, und das nicht auf dem Seeweg, sondern von Osten ...“, begann ich.
„Ja, ja, wir wissen schon“, unterbrach mich Martie. „Ostraia, dein ferner Traum vom guten Leben. Vielleicht ist er tatsächlich von dort, aber dann wäre er der erste lebende Mensch, der es bis in die Ringlande geschafft hat.“
„Sonst gibt es aber im Osten nichts!“
„Du vergisst das alte Kaiserreich und die Wüste südlich davon.“
„Das Kaiserreich existiert nicht mehr, dort hausen monströse Wesen, die jeden Menschen sofort töten. Und die Wüste ist nicht bewohnt. Da bleibt nur Ostraia.“
„Nicht so voreilig“, mischte sich Serron ein. „Es gibt zwar einige Berichte über die Regionen des Kaiserreiches, die nahe unserem Ringgebirge liegen. Aber das Reich war riesig. Es ist unwahrscheinlich, dass es ganz untergegangen ist. Vielleicht hat der Kaiser nur ein paar Provinzen aufgeben. Und was die Wüste angeht, so wissen wir so gut wie nichts über sie.“
„Außer, dass niemand, der sie erforschen oder durchqueren wollte, jemals zurückgekehrt ist“, warf Gendra ein.
Die isolierte Lage der Ringlande war ein Thema, das wir in unserer Runde immer wieder diskutierten. Kontakt mit Menschen von außerhalb gab es nur im Norden, wo die kriegerischen, aber rückständigen Kaltlandkrieger immer wieder versuchten, uns zu überfallen. Sie würden wohl nie lernen, dass der magische Schutz des Berges Zeuth und des Ringgebirges uns vor militärischen Niederlagen schützte. Außerdem ließen sie ihre Wut manchmal an unseren Handelsschiffen aus, die aber schneller waren als ihre primitiven Schiffe. Nur Fischerboote fielen ihnen immer wieder zum Opfer. Trotzdem gab es mutige Kaufleute, die mit den Kaltländern Handel trieben. Felle, Tran und seltene Erze erzielten bei uns gute Preise und waren ihnen das Risiko wert.
Im Süden war die Lage noch einfacher. In den heißen Dschungeln, die sich über riesige Flächen erstreckten - niemand wusste genau, wie weit - lebten viele verschiedene Stämme. Barbarenland nannte man dieses Gebiet. Wir Ringländer trieben Handel mit seinen Einwohnern, weil Güter wie Gewürze, Elfenbein und Felle bei uns begehrt waren. Wer die schlechte Angewohnheit des Rauchens angenommen hatte, benötigte außerdem Tobacco, der innerhalb des Ringgebirges nur in geringen Mengen angebaut wurde.
Ansonsten handelten wir nur über das Meer mit dem Land Askajdar, viele Wochen Seereise entfernt. Dessen Einwohner waren überheblich und nicht an Kontakten interessiert - sehr wohl aber an lukrativen Geschäften.
„Eines Tages wirst du dich auf den Weg machen, Aron“, sagte Martie spöttisch. „Und wenn du die ganze Welt erkundet hast, kehrst du als alter Mann zu uns zurück und erzählst uns, wie es dort draußen aussieht.“
„Wenn es mir in Ostraia so gefällt, wie ich es erhoffe, werde ich nie wieder einen Fuß in die Ringlande setzen“, gab ich zurück. Ich machte den nächsten Stich und gewann das Spiel. „Ihr solltet weniger reden und besser aufpassen.“
Ich sammelte die paar Heller ein, um die wir spielten, und gab den Kartenstapel an Gendra weiter, damit sie neu mischte.
Von draußen hörte ich das ferne Läuten von Feuerglocken. Es kam nicht aus diesem Viertel, deshalb achtete ich nicht weiter darauf. Mein nächstes Blatt war noch günstiger als das erste und ich machte mich daran, meine Freunde noch schneller zu besiegen.
Eine Viertelstunde später kam Jansa herein, ein junger Mann, der manchmal mit uns Karten spielte. Er sah mich, blieb stehen und rief: „Du sitzt hier, während das Haus brennt, in dem du wohnst?“
Mit ein paar Worten berichtete er, dass er aus der Altstadt kam. Da er wusste, wo meine Wohnung war, machte er einen Umweg, als er sah, wie die Fuhrwerke der Feuerwache in diese Straße einbogen. Man begann gerade damit, den Brand zu löschen, als er dort ankam. Da er mich in der Menschenmenge vermutete, die rundherum stand, dachte er sich nichts weiter dabei.
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