1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 Die Brücke befand sich fast an der Spitze des leicht elliptischen Turms und war rundum verglast. In die stützenden Streben der großen Klarstahlplatten waren Emitter eingebaut, so dass man holografische Darstellungen direkt auf die Scheiben projizieren konnte. Ebenso war eine Direktsicht mit verschiedenen Vergrößerungsstufen möglich. Die Grundform des Raums entsprach einem langgestreckten Hufeisen, mit den drei Plätzen der Flugmannschaft vorne und denen der technischen Crew und Waffensteuerungen an den Seiten. Ungefähr in der Mitte der Brücke standen die Sessel des Kommandanten und dessen Stellvertreters. Die Besatzung der Black Jack Anderson war klein. Siebenundfünfzig Männer und Frauen reichten aus, den Koloss zu steuern. Bei dieser Mission waren keine zusätzlichen Kampftruppen an Bord.
Es herrschte strenge Disziplin. Die Brückenbesatzung schwieg und konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Durch das Licht der Sterne, der Konsolenbeleuchtung, Holoschirme und der Permanentlichter entlang der Fußleisten herrschte ein gedämpftes Licht. Gelegentlich war ein leises Murmeln zu hören, wenn sich ein Angehöriger der Kommando-Crew mit einer Station des Schiffes unterhielt.
Fightain Josh Bullmer und Fightenant Sandebar saßen schweigend in ihren Sesseln. Sandebar, dem Ersten Offizier, war es gestattet, den Kommandanten ungefragt anzusprechen, auch wenn er keine Meldung zu machen hatte. Dies verschaffte dem Ersten Offizier ein gewisses Ansehen, obwohl sein „Vorrecht der ungefragten Ansprache“ zugleich das Risiko barg, den Spott des Vorgesetzten zu ertragen. Fightain Josh Bullmer war ein gelegentlich unangenehmer Vorgesetzter, vor allem wenn er schlechter Laune war. Die bislang erfolglose Suche machte ihn überaus reizbar.
Sandebar beobachtete, dass Bullmer immer wieder mit den Fingerspitzen auf die Seitenlehne seines Kommandosessels klopfte. „Wir hätten die Kerle nicht so voreilig töten sollen“, murmelte der Kommandant. „Ich wette, die Scheißkerle haben uns belogen und falsche Positionsangaben gemacht.“
„Es ist nur eine Verzögerung des Erfolges unserer Suche“, wandte Sandebar ein. „Sie konnten ihr Logbuch nicht mehr löschen und wir wissen, welchen Kurs sie flogen.“
„Ach, tun wir das?“, knurrte Bullmer gereizt. Er atmete tief durch und nickte dann. „Natürlich tun wir das. Wir gondeln schon zwei Wochen im Zick-Zack in diesem lausigen Sektor herum, immer genau nach den Angaben dieses verdammten Logbuchs.“
„Wir werden die Fundstelle ausfindig machen, Sir. Die Prospektoren wussten sehr genau, wie kostbar Hiromata ist. Es ist nur eine natürliche Vorsichtsmaßnahme, dass sie nach ihrer Entdeckung noch eine Weile herumflogen, damit man die Fundstelle nicht einfach anhand der letzten Logdaten findet.“
Bullmer stieß einen leisen Fluch aus. „Wenn wir Pech habe, dann war das der einzige Brocken, den sie gefunden haben.“ Er sah Sandebar scharf an. „Oder sind Sie anderer Meinung, Erster?“
„Ja, Fightain, das bin ich“, erwiderte Sandebar mit mehr Sicherheit, als er tatsächlich empfand. „Sie hatten den Kristall an Bord zwischen den anderen Proben versteckt und sie haben ihn, wie die übrigen Proben, beschriftet. Allerdings nicht mit der Angabe der Koordinaten, sondern mit einer uns unverständlichen Bezeichnung. Das weist darauf hin, dass sie ausschließen wollten, dass andere ihren Fundstätte anmelden können.“
„Mag sein.“ Bullmer senkte den Kopf und sein Gesicht lag nun halb im Dunkel.
Das schräg auftreffende Licht verlieh dem Schädel für einen Moment das gespenstische Aussehen eines Totenkopfes, wie er im Wappen der Bruderschaft geführt wurde. Obwohl Sandebar kein furchtsamer Mann war, erschauerte er innerlich.
„Operator Nav, sind wir auf Kurs?“, kam die Frage des Fightains.
Der angesprochene Navigator bestätigte rasch. „Wir folgen den Kursdaten der Prospektoren, Sir. Die Abweichung beträgt maximal drei oder vier Lichtminuten, da wir mit Überlicht fliegen.“
Die Prospektoren waren nur selten in den Nullzeit-Sturz gegangen und hatten auch den Cherkov-Überlichtantrieb kaum genutzt, da sie oberhalb der Lichtgeschwindigkeit keine hochempfindlichen Scans des umgebenden Raums durchführen konnten. Das Piratenschiff war gezwungen, dies ebenso zu halten.
„Operator Scan“, meldete sich der Ortungstechniker. „Ich habe hier eine Anzeige am Rand der Scanner. Unklares, aber ungewöhnliches Echo. Keine klare Zuweisung möglich.“
Bullmer´s Kopf ruckte hoch. Die aktiven Scanner und passiven Sensoren reichten weit in den Raum hinaus. Was sie erfassten, wurde sofort mit der tetronischen Datenbank verglichen, um eine Zuordnung vorzunehmen. War dies nicht möglich, so handelte es sich nicht um eines der üblichen astronomischen Objekte. Derzeit flog die Black Jack Anderson zwischen zwei Sonnensystemen. Es war zwar unwahrscheinlich, dass hier ein Asteroid trieb, aber keineswegs unmöglich. Durchaus wahrscheinlicher war, dass es sich bei dem unbekannten Objekt um ein Raumschiff handelte.
„Zeigen die Sensoren Emissionen an?“, fragte Bullmer mit erwachendem Interesse.
„Negativ, Fightain. Keine optischen oder anderen Wellenstrukturen. Wenn es ein Schiff ist, Sir, dann treibt es ohne Antrieb und ohne Positionsblitzer.“
Die Black Jack Anderson hatte ihre Positionslampen aus gutem Grund abgeschaltet. Die grellen Blitze waren auf große Entfernung sichtbar und ein Schiff der Bruderschaft blieb lieber im Verborgenen. Navy-Schiffe des Direktorats und alle zivilen Schiffe ließen ihre Blitzer jedoch stets eingeschaltet, es sei denn, es handelte sich um ein Militärschiff auf „Schleichfahrt“.
„Fightenant, sind Ihnen Patrouillen oder sonstige Bewegungen der Sky-Navy in diesem Sektor bekannt?“ Es war eine rhetorische Frage, die Sandebar mit einem Kopfschütteln verneinte. Bullmer leckte sich über die Lippen. „Wir könnten einen Echoimpuls abstrahlen, um herauszufinden, ob es ein Schiff ist, aber damit verraten wir unsere Anwesenheit“, überlegte er. „Rudergänger, nehmen Sie Kurs auf das Objekt, aber bleiben Sie auf Distanz. Ich brauche klare Scan-Ergebnisse, bevor ich mich entscheide.“
Am Heck und der Flanke flammten kurz die Triebwerke auf, als das Walzenschiff in die neue Richtung schwenkte.
„Kurs liegt an, Sir“, bestätigte der Pilot, der traditionsgemäß auf größeren Raumschiffen als Rudergänger bezeichnet wurde.
Der Echo-Impuls ging aus der historischen Freund-Feind-Identifikation hervor, die im Gefecht verhindern sollte, dass eigene Einheiten unter Feuer genommen wurden. Jeder überlichtfähige Sender verfügte über ein automatisches Programm, welches durch den Echo-Impuls ausgelöst wurde. Sollte die Identität eines Objektes festgestellt werden, so strahlte man mit dem eigenen Sender den Impuls aus, der lediglich die Identifikationsnummer des eigenen Schiffes beinhaltete. Dieser wurde vom Empfänger des Ziels mit der eigenen Identifikation erwidert, sofern dessen Funkanlage funktionsfähig war. Bullmer verzichtete wohlweislich auf diese Möglichkeit, denn die Schiffe der Bruderschaft waren im Direktorat nicht registriert.
„Soll ich Gefechtsbereitschaft anordnen?“, erkundigte sich Sandebar.
Bullmer schüttelte den Kopf. „Wenn sich das Objekt am Rande unserer Scanner-Reichweite befindet, dann dauert es Stunden, bis wir nahe genug sind, um es identifizieren zu können, und weitere Stunden, bis wir auf Gefechtsdistanz wären. Wir haben also noch Zeit, Erster.“
„Werden wir den Kampf aufnehmen, falls es sich um ein Navy-Schiff handelt?“
„Natürlich nicht, Sie Narr“, knurrte Bullmer. „Unsere Befehle sind klar. Die verdammte Sky-Navy soll keinesfalls von unserer Anwesenheit in diesem Raumsektor erfahren. Ist es hingegen ein lohnendes Ziel, dann kommt es darauf an, ob wir es schnell genug überwältigen können, bevor es einen Notruf absetzen kann.“ Bullmer lächelte unvermittelt. „Also, entspannen Sie sich, Fightenant. Warten wir ab, welche Überraschung der Tag noch bietet.“
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