Zum ersten Mal, seit einer kleinen Ewigkeit, fühlte Tia sich wieder richtig wohl. Sie wusste, dass ein gemachtes Bett auf sie wartete und ihr Magen knurrte nicht mehr. Das Essen der Schänke war ein Gedicht, genau wie das Bier und der Met. Für ihren Geschmack ging die Nacht viel zu schnell vorbei.
Ihr Kopf schwirrte herrlich, während sie ihre Kameraden beim Tanzen oder anderen eindeutigen Aktivitäten beobachtete. Ihr Blick fiel auf Imar und Tamara. Was die beiden da taten, war genau genommen nicht mehr erlaubt. Doch niemand störte sich daran. Zwar war Tamara jetzt seine Vorgesetzte, doch da dieser Rang nur der Ordnung galt, würde in der Einheit niemand etwas darüber sagen. Nur auf Außenstehende mussten sie achtgeben.
„Ist hier noch frei?“ Eine sanfte Stimme drang an Tias Ohr. Sie drehte sich in die Richtung, aus der sie kam und sofort machte ihr Herz einen Satz. Abrupt richtete sie sich auf. Etwas zu schnell, für ihren alkoholvernebelten Kopf, was ihr einen leichten Dreh versetzte. Sie hielt sich am Tresen fest und starrte den Hauptmann mit den Eisaugen an, bis ihr auffiel, dass sie starrte.
Sofort senkte sie den Blick. „Ehm, nein, also ich meine ja, hier ist gerade frei.“
Kurz suchte sie in der Menge nach Fin, der ja eigentlich eben noch hier gesessen hatte. Sie entdeckte ihn in der anderen Ecke des Raumes. Er hatte offensichtlich viel Spaß mit einer Bedienung. Tia spürte, wie der Hauptmann sie beobachtete, und wandte sich ihm wieder zu. Er lächelte und abermals beschleunigte sich ihr Herzschlag.
Herr Gott, was ist das denn? Sie nippte an ihrem Met, um ihre Nervosität zu verbergen.
„Herzlichen Glückwunsch“, sagte Ilkay, als er sich zu ihr beugte, damit sie ihn durch den Lärm besser verstehen konnte.
Tia verschluckte sich und hustete. Woher weiß er das ich Geburtstag hatte?
Er klopfte ihr sachte auf den Rücken, bis sie wieder Luft bekam. „Alles in Ordnung, Unteroffizierin Tiara?“, fragte er feixend und ihr wurde bewusst, dass er ihre Ernennung, nicht ihren Geburtstag gemeint hatte.
„Ja alles gut, danke“, keuchte sich leicht und atmete tief durch. „Und Tia reicht“, fügte sie an.
„Ist ja ganz schön was los bei euch“, stellte er fest und sie nahm wahr, dass auch er getrunken hatte.
„Tja, so feiern wir halt.“
„Nur gut gibt es nicht jeden Tag solche Beförderungen. Ihr würdet aus dem Feiern nicht rauskommen“, lächelte er.
„Stimmt wohl. Allerdings gibt es die Hälfte des Jahres Geburtstage. Da kommt man aus dem Feiern trotzdem nicht so schnell raus.“ Sie schloss die Augen und verstummte, um nicht noch mehr zu verraten.
„Aha. Und wer hat heute seinen Ehrentag?“, wollte er wissen, doch in dem Moment kam Tamara herüber. Sie grinste breit, als sie Ilkay neben Tia entdeckte. Tia sah sie scharf an, um ihr Einhalt zu gebieten, doch ihre Freundin trat näher und nahm sie bei der Hand. „Komm schon. Es ist Zeit, dass das Geburtstagskind seine Rede hält.“ Sie sagte es lauter als nötig und Tia wusste, sie wollte den Hauptmann darauf aufmerksam machen. Am liebsten hätte Tia ihr eine dafür verpasst, doch schon wurde sie durch die Masse gezogen und auf einen Tisch gestellt. Fin strahlte sie von unter her an und sie lachte, als Beifall entbrannte.
Sie hob ihren Krug und es wurde still. „Also, ihr wisst ja eigentlich, was kommt. Immer dasselbe eben.“
Ihre Kameraden lachten.
„Ich danke euch, dass ihr hier seid. Ihr wisst, ihr seid die Besten. Das muss ich also nicht extra erwähnen.“
Wieder brannte Gelächter und Beifall durch den Raum.
„Ich bin froh einer so dermaßen, extremen, ehm, auffälligen Truppe anzugehören?“
Ein gespieltes Stöhnen ging durch die Reihen und Tia lachte. „Ja ich weiß. Ihr seid die Größten, das wollt ihr hören, oder?“
Die Menge jubelte.
„Tja also, ihr seid es.“ Sie hob abermals ihren Krug und ausnahmslos alle taten es ihr nach. Sogar Ilkay und seine kleine Schar Anhänger prosteten mit.
„Danke Leute!“, rief sie noch mal und schon waren wieder Jubel, Beifall und Pfiffe zu hören. Fin hob sie vom Tisch und setzte sie vor sich ab. Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und grinste breit. Der Hauptmann tauchte hinter ihm auf und Fin trat zur Seite, als er ihn bemerkte.
„So ist das also.“ Ilkay lächelte, wobei ein Funkeln in seine Augen trat. „Dann auch von mir alles Gute zum Geburtstag.“ Er beugte sich vor und nahm sie kurz in den Arm. Sie versteifte sich und war sich sehr sicher, rot angelaufen zu sein.
Nach ihm gratulierten ihr auch seine Männer. Fin stand nah hinter ihr und hatte einen Arm um ihre Hüfte gelegt. Tia bemerkte es und sah ihn fragend an. Er schüttelte nur unschuldig den Kopf.
„Wir werden dann mal wieder gehen und euch feiern lassen“, sagte der Hauptmann schließlich. Er nickte Tia zu und wandte sich ab. Sie sah ihm nach, wie er die Schänke verließ. Morgenlicht schien herein, als die Tür aufschwang.
Schon wenig später schloss der Wirt endgültig den Ausschank, was ihm bitten und betteln einbrachte, doch er ließ sich nicht erweichen. Also machten sich auch die Kavalleristen auf den Weg zurück ins Lager. Die Truppe verstreute sich weit. Tia lief mittig der Schar, schwieg und genoss einfach das Zusammensein mit ihren Leuten.
Da sie am anderen Ende des Lagers ihre Zelte hatten, mussten sie sich arg zusammenreißen, nicht alle anderen zu wecken, während sie die Zeltstadt durchquerten. Doch trotz aller möglichen Zurückhaltung, wurden sie hier und da angepöbelt leiser zu sein. Leises Lachen und Kichern ging ständig von vorn nach hinten und zurück durch die Truppe. Alle waren mehr oder weniger betrunken, was sie bereuen würden. Doch so war es nun mal, wenn die Westlichen feierten.
Eine Bewegung im Augenwinkel ließ Tia den Kopf drehen. Sie liefen gerade an mehreren großen, festen Zelten vorbei und vor einem der hinteren standen zwei Männer. Sie erkannte den Hauptmann und einen seiner Freunde aus der Schänke. Während der Freund auf ihn einredete, schnellte Ilkays Blick zu ihr.
Man, der scheint es zu merken, wenn er angesehen wird , dachte sie, wandte den Blick aber nicht ab. Diesmal lächelte Ilkay nicht. Fin fasste Tias Hand fester. Sie bemerkte, wie auch er zum Hauptmann schaute, dann ließ er ihre Hand los und legte stattdessen den Arm um ihre Schultern. Er zog sie an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Haare.
Sie drehte sich etwas und machte sich los. „Lass das, Fin“, wies sie ihn zurecht und lief nun einen Schritt schneller als er.
Er holte auf. „Was ist denn los?“
„Das weißt du genau. Hör auf Besitzansprüche zu stellen.“
„Das mache ich doch gar nicht.“
„Und was war das gerade eben? Denkst du, ich bemerke das nicht?“
„Das war doch nichts.“
„Fin, bitte. Lass es einfach.“
Er hielt kurz an, dann schloss er wieder zu ihr auf. „Du kannst mit dem eh nichts anfangen!“
Sie stoppte und Henn, der hinter ihr war, lief in sie hinein.
„Hast du sie noch alle? Wer sagt denn, dass ich was mit dem anfangen will?“
„Das sieht doch ein Blinder.“
„Er ist Hauptmann, Fin. Außerdem kenne ich ihn nicht mal. Was ist dein Problem?“
„Er war auf deiner Feier.“
„Und? Ich habe ihn nicht eingeladen.“
„Der will was von dir.“
„Aha. Und du weißt das weil?“
„Warum sonst sollte er da gewesen sein?“
„Zufall? Wir waren immerhin laut. Vielleicht wollte er nur sehen, wer da Spaß hat.“
„Zufall, ist klar“, schnaubte Fin abwertend und nickte ebenso.
Sie starrte ihn an. Unfähig weitere Argumente zu finden, schüttelte sie nur den Kopf und machte sich auf den Weg zu ihrem Zelt. Diesmal folgte er ihr nicht.
3
Ein Klopfen am Zeltpfosten weckte die Mädchen. Stöhnend rollte Tia sich herum. „Ja?“
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