1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 „Vorschriften aber nicht. Zumindest wird sich diese nicht ändern und das ist auch gut so.“
„Immer im Dienst“, feixte Fin.
„Immer.“
„Warum musstest du das Rüstzeug warten?“, wollte er nun wissen, trat näher und strich Armar ebenfalls übers Fell. Erstaunlicherweise ließ dieser es zu.
„Ich habe die Beherrschung verloren.“
„Ach.“ Er wirkte ehrlich überrascht. „Wie das denn?“
„Der Blödmann von Knappe hat Dohan neben Heras’ rossigen Stute angebunden. Du kennst ihn ja. Er ist dann immer komisch. Ich hab den Jungen drauf hingewiesen, aber er hat es nicht geändert. Ich hatte keine Zeit und dachte, die paar Minuten geht’s gut. Tja, ging es nicht. Dohan hat ein riesen Chaos veranstaltet. Heras ist ausgetickt und ich habe falsch reagiert. Er war sowieso schon genervt von irgendwas.“
Fin lachte. „Das hätte ich zu gern gesehen.“
„So witzig war das gar nicht.“
„Ich stelle es mir sehr witzig vor.“
Tia bedachte ihn mit einem Kopfschütteln. Später würde sie sicher auch darüber lachen können. Im Moment jedoch taten ihre Hände noch zu sehr weh.
„Ich glaube, ich geh ins Bett. Morgen steht das erste Schießtraining an“, ließ sie ihn wissen.
„Ja ich weiß. Schade, dass ich nicht bei dir bin. Das wird eine ganz schöne Umstellung“, seufzte Fin.
„Das kannst du laut sagen“, seufzte auch Tia.
Der Platz für die Schießübungen war leer, als Tia mit ihrer Gruppe am nächsten Morgen ankam. Sie hatte zehn weitere Schützen von Tamara abgezogen. Diese waren lange nicht so gut, wie sie es sich wünschte, und sie würden mehr Übung brauchen als alle anderen, doch wenn Heras es so wollte, gehorchte Tia.
Es gab sieben für ihre Zwecke, geeignete feste Ziele auf dem Platz. Sie teilte die Schützen ein und ließ sie üben. Die Schlechtesten trainierten mit den Besten. Tia selbst musste nicht üben. Sie überwachte nur die anderen und gab ab und zu Tipps. Je höher die Sonne stieg, umso mehr Leute kamen. Zufrieden stellte sie fest, dass selbst ihre weniger geübten Schützen besser als so manch anderer war, der hier trainierte. Viele waren ebenso gut. Doch die Wenigsten konnten es mit ihren Besten aufnehmen.
Der Schwertkampfplatz lag hinter ihnen und Tia beobachtete, wie sich Tamaras Gruppe splittete. Woran und Fin begannen augenblicklich mit einem harten Schlagabtausch. Es dauerte nicht lange und die beiden hatten die Aufmerksamkeit vieler anderer, nur nicht die ihrer eigenen Leute. Sie alle kannten die Kämpfe untereinander. Es war also nichts Neues oder Spektakuläres mehr für sie. Für die fremden Soldaten schon.
Tia wandte sich wieder ihrer Gruppe zu. Nach einer Weile entschied sie, sich auch zu versuchen. Auf feste Ziele zu schießen war lange nicht so interessant wie es bei beweglichen zu tun, doch es erfüllte seinen Zweck. Sie trat an die Markierung der am weitesten entfernten Zielscheibe, zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an.
Beim Spannen der Sehne spürte sie jeden einzelnen Schnitt an ihren Handflächen. Sie zog die Sehne noch etwas weiter nach hinten, verlor aber den Griff, als ein schneidender Schmerz durch ihre Handfläche fuhr. Der Pfeil flog ungezielt davon und verfehlte die Scheibe um ein ganzes Stück. Tia fluchte, ließ den Bogen sinken und betrachtete ihre Hand.
Einer der größeren Schnitte war aufgeplatzt, hatte sich verlängert und blutete nun stark. Sie sah sich um und entdeckte ein kleines Zelt, vor dem eine Frau saß, die ihrer Kleidung und ihrem Tun nach Heilerin sein musste.
„Hallo“, begrüßte Tia die junge Frau, als sie bei ihr ankam.
„Hallo. Kann ich dir helfen?“, lächelte Andere freundlich zurück.
„Ja. Bist du Heilerin? Ich brauche einen Verband.“ Sie hielt ihr die Hand hin, um zu zeigen, wofür sie ihn brauchte.
„Ja, warte kurz.“ Die Frau stand auf und verschwand im Zelt. Tia hob den Blick von ihrer Hand und sah Ilkay auf sich zu kommen.
„Guten Morgen“, begrüßte er sie und lächelte.
„Guten Morgen“, gab sie ihm zurück. „Du bist auch überall, oder?“, fragte sie und verkniff es sich, das Gesicht zu verziehen.
„Es ist meine Aufgabe, überall zu sein.“ Er lächelte breiter. „Hast du dich verletzt?“ Sein Blick glitt von ihr zum Zelt und zurück.
Sie hob die blutende Hand. „Gestern schon.“
Bevor sie sie wieder senken konnte, griff er danach. „Was ist denn passiert?“ Er klang argwöhnisch. „So ungeschickt hätte ich dich nicht eingeschätzt.“
„Ist es ungeschickt, sich beim Warten von Rüstzeug zu verletzen?“, stellte sie eine Gegenfrage und wollte die Antwort gar nicht hören, weil es klar war.
„Bei was? Warum machst du so was? Habt ihr keine Knappen dafür?“ Jetzt klang er verwirrt und tatsächlich etwas entrüstet.
„Doch schon. Die Sache mit den Pferden gestern, weißt du noch?“
Der Hauptmann nickte.
„Heras war der Meinung, ich hätte es verhindern können und dass ich nicht ganz ordnungsgemäß reagiert habe, hat ihn, na ja, leicht wütend werden lassen.“
Ilkays Blick verfinsterte sich. „Das gibt ihm aber nicht das Recht, es an dir auszulassen.“
„Ich habe mich meinem Vorgesetzten gegenüber falsch verhalten. Also muss ich mit den Konsequenzen leben.“
Er runzelte die Stirn. „Nur deswegen hat er dich so bestraft?“
„Deswegen und wegen der Sache mit den Pferden. Er war sowieso mies drauf. Hat man ja im Zelt schon gemerkt.“
„Allerdings“, gab der Hauptmann zu.
Die Heilerin kam zurück und hielt einen Verband in den Händen. Tia bemerkte erst jetzt, dass der Hauptmann sie noch immer festhielt, und entzog sich ihm sanft.
Gerade wollte die Frau beginnen ihre Hand zu verbinden, da hielt Ilkay sie auf. „Moment. Tia komm mit, ich hab da was. Das mit dem Verband mache ich.“ Er nahm ihn der Heilerin ab, bedankte sich bei ihr, bedeutete Tia ihm zu folgen und führte sie ein Stück weg zu seinem Pferd.
„Reitet ihr überall hin?“
„Das Lager ist groß und wie du richtig festgestellt hast, bin ich überall.“ Er schmunzelte und kramte in den Satteltaschen, dann zog er eine kleine Flasche heraus. „Komm her.“
Sie folgte der Aufforderung automatisch, was er mit einem Lächeln belohnte.
„Gib mir deine Hand.“
Sie hob sie ihm entgegen und er umfasste sie vorsichtig. Mit einem Tuch wischte er das Blut weg und tupfte dann mit dem Leinen etwas Flüssigkeit aus der Flasche auf den Schnitt. Reflexartig zuckte Tia, als ein brennender Schmerz durch ihre Hand schoss, doch er hielt sie weiter fest.
„Ist gleich vorbei“, sagte er und ließ sich nicht beirren in seinem Tun. Nachdem er den Schnitt sorgfältig mit der Flüssigkeit bedeckt hatte, verband er ihre Hand so, dass Tia sie trotzdem noch ungehindert nutzen konnte.
Probehalber schloss und öffnete sie sie. „Danke.“ Ihr Blick flog von ihrer Hand in sein Gesicht, das zufrieden aussah.
„Gern geschehen.“
„Was ist das?“, wollte sie wissen und deutete auf das Fläschchen.
„Eine Kräutermixtur von meiner Mutter. Die Heiler kennen sie nicht. Familiengeheimnis. Sie wirkt gegen Entzündungen und hilft bei der Heilung.“
Tia nickte nur. „Ich muss jetzt zurück“, gab sie dann an und wandte sich schon zum Gehen.
„Darf ich dich begleiten?“, hielt er sie auf und kurz war sie verwirrt. Er fragte, obwohl er hier der erste Hauptmann war?
„Sicher“, antwortete sie etwas unsicher, dann gingen sie ein Stück gemeinsam und schwiegen dabei.
Ilkay brach die Stille schließlich: „Darf ich fragen, wie alt du geworden bist?“
„18.“
„Oh ein Küken“, meinte er grinsend. Sie warf ihm einen scharfen Blick zu und er hob beschwichtigend die Hände. „Entschuldige“, lächelte er.
„Wie alt bist du denn, wenn du mich Küken nennst?“
Читать дальше