1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 „Zugegeben, ich bin nicht viel älter. 25.“
„Und schon Hauptmann der größten Streitmacht Teneths?“
„Denke nicht, es wäre mir zugespielt worden. Das ist alles erarbeitet.“
„Wo kommst du her?“, wollte sie weiter wissen.
„Ursprünglich aus Hereth. Aufgewachsen bin ich aber hier. Mein Vater war vor mir Hauptmann.“
„Und wieso bist du es jetzt?“
„Er fiel in einer Schlacht im Norden. General Utah hat entschieden, mir den Titel zu geben. Ich hätte nicht darum gebeten.“
„Warum denn nicht?“
„Wegen meiner Mutter. Sie hat nur noch mich und wahnsinnige Angst mich zu verlieren.“
„Warum hast du dann angenommen?“ Ein bisschen kam Tia sich schon neugierig vor, aber sie wollte es wirklich wissen und er antwortete sichtlich mit Vergnügen.
„Warum bist hier und nicht in einem gemütlichen Heim mit Mann und Kind?“, stellte er jetzt eine Gegenfrage.
Sie verzog das Gesicht und schwieg.
„Ich will, dass wieder Frieden herrscht, Tia. Deswegen habe ich angenommen. In dieser Position kann ich einfach mehr bewirken“, klärte er sie auf.
Tia nickte nur und wieder schwiegen sie eine Weile.
„Und warum bist du nun hier?“, fragte er dann noch mal richtig.
„Ich will auch, dass das aufhört“, sagte sie leise und ein Kloß setzte sich in ihrer Kehle fest.
„Bitte entschuldige. Ich wollte dich nicht bedrängen.“ Er hatte wohl bemerkt, wie schwer es ihr fiel, darüber zu reden.
„Tust du nicht. Es ist nur nicht einfach.“
„Dein Vater ist in Lohven gefallen?“, wollte er weiter wissen.
„Ja.“
„Lebt deine Mutter noch dort?“
„Nein.“
„Was ist mit ihr?“
„Sie ist bei dem Angriff gestorben.“ Dieses Gespräch wurde von Frage zu Frage unangenehmer.
Ilkay hielt an, dann sagte er: „Das tut mir leid.“
Auch Tia blieb stehen und wandte sich ihm zu. „Du kannst ja nichts dafür.“
„Hast du niemanden mehr? Bist du deswegen der Kavallerie beigetreten?“
„Ich weiß nicht, wo mein Bruder ist. Er war in der Einheit meines Vaters, aber nach der Schlacht wurde er nicht gefunden. Bis auf ihn habe ich niemanden. Ich bin beigetreten, weil ich nun auch offiziell kämpfen darf. Es ist das Einzige, was ich noch habe.“ Sie hoffte wirklich, er würde aufhören zu fragen.
Wieder schwieg er kurz und musterte sie. „Gibt es denn keinen Mann an deiner Seite?“, fragte er dann vorsichtig.
Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu. „Nein, nicht mehr.“
„Hast du ihn verlassen oder er dich?“
In welche Richtung ging das jetzt? Viel besser war sie jedenfalls nicht. „Weder noch. Auch er ist gestorben. Um mein Leben zu retten“, erklärte sie und versuchte einen neutralen Ton anzuschlagen.
„Oh.“ Der Hauptmann schwieg kurz. „Also ... ist der von gestern nicht dein Freund?“, hakte er weiter nach und Tia ahnte, was als Nächstes kommen würde.
„Nein. Er ist ein Freund. Ein Guter. Ich brauche keinen Mann. Die Liebe tut nur zu sehr weh, wenn man sie verliert“, ließ sie ihn wissen und hielt seinen Blick fest.
Das brachte ihn zum Schweigen. Tia wandte sich wieder ab und lief stumm weiter, bis sie wieder am Schießplatz ankamen, wo Tia ohne ein weiteres Wort zu ihren Leuten ging. Ilkay blieb am Rand des Platzes stehen und sie konnte seinen Blick im Rücken spüren. Wenigstens wusste er jetzt, woran er bei ihr war. Nur für den Fall, er sollte wirklich irgendein Interesse an ihr haben.
Kurz nach Mittag befahl sie ihren Schützen eine Pause, damit sie essen und sich ausruhen konnten. Nach dem Essen würde Tia ein Schwertkampftraining ansetzen. Sie empfand es als wichtig, auch diese Fähigkeit weiterhin zu fördern.
Sie saß neben Donens am Tisch und lauschte den einzelnen Gesprächen ihrer Kameraden. Einige ließen sich darüber aus, wie dumm es war, die Kavallerie zu spalten. Andere begrüßten die Abwechslung und meinten, es wäre nicht anders als vorher. Richtig getrennt wären sie nur, während der Übungsstunden. Tia hatte allerdings im Gefühl, dass diese Trennung längerfristig gesehen, stärker werden würde. Wenn Heras Ilkays Plan zustimmte und die Kavallerie des Westens, die von Ilkay in Front und Rücken stärken sollten, würden sie definitiv getrennt werden.
Sie hatte ebenso eine Vorstellung, was Ilkay sich dabei dachte. Die Schützen waren auf die Entfernung gut. Sie würden erst an der Front stehen, um die ersten Reihen des Feindes aufzumischen und sobald der nahe genug für die Schwertkämpfer war, würden sie sich nach hinten fallen lassen, um über die Köpfe ihrer Leute hinweg weitere Pfeilsalven abschießen zu können.
Diese Taktik hatte durchaus Erfolg. Sie hatten selbst schon so gekämpft. Nur hatten sie dabei immer ihre eigenen Leute zwischen sich gehabt, keine fremden Kavalleristen und schon gar nicht so viele. Sie würden also keine Sicht mehr auf ihre eigenen Leute vorn haben. Jede Gruppe kämpfte dann für sich.
Tia senkte den Blick auf ihr Essen, das sie kaum angerührt hatte. Immer wenn sie an den Hauptmann mit den eisblauen Augen dachte, verging ihr der Appetit. Ihr Magen kribbelte dann fürchterlich und ihre Gedanken verloren sich in Erinnerungen an seinen Blick. Sie musste sich jedes Mal selbst zurechtweisen.
Heras betrat das Zelt und die Schützen erhoben sich, bis der Offizier saß. Erst dann ließen auch sie sich wieder auf ihre Plätze sinken. Es brachte ihnen verwirrte Blicke der anderen Soldaten ein, denn niemand sonst stand auf, wenn einer der Obrigkeit hereinkam.
So viel zu ihrer Einstellung. Etwas mehr Hörigkeit und Disziplin täte dieser Truppe gut. Tia schob es darauf, dass die anderen so viele waren und sie selbst nur 150. Trotzdem hatte man seinem Vorgesetzten den nötigen Respekt entgegenzubringen. Egal was für ein Ekel er war.
Ein Blick über den Tisch zeigte ihr, dass fast alle fertig mit dem Essen waren und sich unterhielten. Also stand sie auf und rief: „Los, weiter geht’s!“ Sie nickte Heras kurz zu und verließ das Zelt, ihre Truppe hinter sich.
Es gab mehrere Kochzelte über das Lager verteilt und so hatten sie es nicht weit zurück zum Übungsplatz. Tia winkte Tamara zu und sah sie ihre Gruppe zum Essen rufen. Sie tauschten die Plätze. Im Vorbeigehen schlugen sich die Kameraden auf die Schultern und wechselten kurz ein paar Worte. Dann waren die Schwertkämpfer verschwunden und der Platz frei für die Schützen.
Sie teilten sich paarweise auf und begannen ihre Übungsgefechte. Die belustigten Blicke der fremden Soldaten schlugen schnell in respektvolle um, als sie begriffen, dass diese Schützen ebenso gut mit dem Schwert umgehen konnten, wie mit dem Bogen. Allem Anschein nach, war es in der Hauptstreitmacht nicht unbedingt normal, dass ein Schütze auch das Schwert führen konnte. Abermals stieg Stolz in Tia auf. Sie trug selbst beide Waffen, doch in den nächsten Tagen würde sie von Kämpfen wohl absehen müssen. Ihre Hände ließen es nicht zu.
Der Mittag ging in den Nachmittag über und es wurde immer heißer. Die Kämpfer taten nun mehr so, zu trainieren, als dass sie sich dem wirklich widmeten. Viele saßen im Gras am Rand des Platzes und schauten den Wenigen zu, die noch dabei waren. Richtige Kämpfe gab es nicht mehr. Zumeist ließ Tia sie Stellungen und Schlagfolgen üben. Bei dieser Hitze war einfach nicht mehr drin.
Schlussendlich kapitulierten auch die Letzten und die gesamte Gruppe lümmelte sich in der Sonne. Der Schweiß lief jedem von der Stirn und ihre leichten Rüstungen lagen neben ihnen im Gras.
5
Ein Schatten legte sich über Tias Gesicht. Sie hatte sich gerade ins Gras fallen lassen und die Augen kurz geschlossen, da eine kleine Welle der Müdigkeit sie überkommen hatte. Jetzt stand Heras vor ihr und verdeckte die Sonne. Sie sprang auf, wobei ihr kurz schwindelig wurde, und nahm Haltung an. Ihre Gruppe tat es ihr nach, wenn auch langsamer. Hinter Heras standen Killian und Timar in voller Rüstung. Tia empfand Mitleid für die beiden.
Читать дальше