„Nichts. Die Heiler tun, was sie können und es ist ja nicht mehr weit bis Griza. Dort kann er ausruhen.“
„Ich bin gespannt, was der General genau von uns will“, überlegte Tia laut.
„Was immer es ist. Als Erstes wird gefeiert.“ Fin lenkte sein Pferd näher an Dohan und legte Tia eine Hand aufs Bein. Er beugte sich zu ihr und sie ließ den kleinen Kuss auf die Wange zu. „Alles Gute zum Geburtstag“, grinste er und entfernte sich wieder ein Stück.
Sie schenkte ihm ein Lächeln und schüttelte leicht den Kopf. Verrückter Kerl.
Die Hauptstadt kam zwei Tage später endlich in Sicht. Armar lahmte immer stärker, was Tia zwang, der Kavallerie hinterher zu reiten. Fin blieb bei ihr und Woran wurde als zusätzliche Wache abgestellt. Heras gefiel das überhaupt nicht, aber er wollte und konnte weder sie noch ihr Pferd verlieren. Also musste er sich fügen.
Die kleine Gruppe erreichte das Hauptlager als letzte. Alle anderen hatten sich bereits versammelt und warteten in Formation auf weitere Befehle. Die Zeit der Müßigkeit war vorbei. Im Lager von Griza herrschte endlich wieder die gewohnte Ordnung. Auch wenn es ganz schön war, mal nicht ständig Befehle zu gebrüllt zu bekommen, war dies hier doch viel mehr Tias Welt. Ordnung und klare Anweisungen.
Sie reihte sich in die Formation an der ihr zu geordneten Position ein und wartete ebenfalls. Ihr Platz lag in zweiter Reihe bei den Bogenschützen, neben sich Tamara und hinter sich Fin. Armar hatte sie bei Hahna gelassen. Das Gefolge der Kavalleristen hatte sich hinter der Einheit aufgebaut. Ebenfalls nach Zugehörigkeit geordnet. So konnte jeder seinen Knappen schnell heranrufen, wenn es nötig war, und das ganz ohne großen Aufruhr.
Der Abend war bereits hereingebrochen, doch niemand schien sich um sie kümmern zu wollen. Tia ließ den Blick über den Teil des Lagers schweifen, den sie von hier aus sehen konnte. Vor sich konnte sie mehrere große und befestigte Zelte ausmachen. Es mussten die Kommandozelte sein. In allen war Licht entfacht worden. Links hinter sich sah sie mehrere kleinere Zelte. Auch dort brannte Licht und Schatten im Inneren glitten über die Stoffbahnen.
Vielleicht die Küchen? Ein breiter, festgetretener Weg zur linken Flanke, führte zu einem Durchgang. Eine hohe Holzwand aus dicken Stämmen, trennte dort den nächsten Bereich ab. Zur rechten Flanke sah Tia, wie der Weg zur Stadt hineinführte. Alles in allem fand sie das Hauptlager nicht sehr groß. Doch es konnte täuschen. Hinter der Holzwand würde es sicher noch ein ganzes Stück weitergehen.
Leichter Regen setzte ein und Tia sah sich nach Hahna und Armar um. Ihre Knappin hatte schon auf die ersten Tropfen reagiert und dem Streitross eine Plane übergeworfen. Das Mädchen stand dicht neben ihm, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Sie fing Tias Blick jedoch auf und winkte ihr zu.
„Wie lange wollen die uns warten lassen? Wissen die nicht, wo wir herkommen?“, murrte Fin hinter ihr. Tia wandte ihm den Blick zu und grinste, sagte aber nichts.
Während der Regen stärker wurde und die Reiter langsam aber sicher durchnässte, bemerkte Tia, wie immer wieder andere Soldaten an ihnen vorbeiliefen und ihnen prüfende Blicke zu warfen. Unweit der letzten Reihe hatte sich eine Gruppe versammelt und beobachtete das Geschehen. Nur geschah nichts.
Heras war mit seinen Unteroffizieren in einem der großen Zelte verschwunden und seitdem standen sie hier in Reihe und Glied und warteten gehorsam still. Ab und zu tuschelten die Kavalleristen leise untereinander. Aber es waren immer nur kurze Wortwechsel. Die Pferde standen ebenso ruhig. Niemand brach aus, niemand verließ die Formation, alle hatten ihre Rüstungen und Waffen wieder angelegt, kampfbereit.
Ungemeiner Stolz stieg in Tia auf. Die Disziplin und der damit einhergehende Ruf dieser Reiterei war eines der Dinge, die ihnen vorauseilte. Jeder der von der Kavallerie des Westens sprach, kam nicht umhin zu bemerken, welche Beherrschung sie an den Tag legten. Selbst die Gefolgschaft hielt sich an dieses Verhalten. Auch sie standen noch immer geordnet hinter den Reihen der Reiter und warteten geduldig auf neue Befehle.
Endlich rührte sich etwas im Zelt vor ihnen. Timar trat heraus und hielt Heras die nasse Plane aus dem Weg. Ihr Hauptmann, gefolgt von Killian, kam und ihm folgten drei weitere Männer. Alle in tadelloser Montur, aber nicht voll gerüstet. Tia musterte einen nach dem anderen, während die Männer mit Heras die vorderste Reihe abschritten und sich unterhielten.
Der Mann, mit dem ihr Hauptmann sprach, war leicht untersetzt aber kräftig. Sein langes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden und hatte einen dunklen Glanz. Er wirkte betagt, doch sein Schritt war fest. Hinter ihnen liefen die zwei anderen unbekannten Männer. Den einen konnte Tia nicht genau sehen, denn er wurde von dem Untersetzten verdeckt. Der andere war hager und hochgewachsen. Er trug einen dunklen Umhang und sein Blick flog unruhig über die Kavallerie.
Timar und Killian folgten der kleinen Gruppe schweigend. Die Reiter hatten sich gestrafft, als sie ihren Offizier hatten kommen sehen und niemand sprach mehr oder rührte sich auch nur. Alle folgten der Gruppe Männer nur mit den Blicken. Als sie auf Tias Höhe ankamen, konnte sie auch den anderen Mann sehen, der vorher verborgen gewesen war.
Sein Haar war dunkel, kurz geschnitten und schon vom Regen durchnässt. Trotzdem standen ein paar Spitzen oben ab, was ihm ein verwegenes Aussehen gab. Ein Schatten lag auf dem unteren Teil seines Gesichts. Er war fast ebenso groß gewachsen wie Fin und trug eine leichte Rüstung. Allerdings keine Waffe.
Tia überlegte gerade, ob er vielleicht ein Schwertkämpfer war - seine Statur würde dies beweisen -, als er den Blick hob und direkt in ihre Richtung sah. Eisblaue Augen trafen durch die Dämmerung auf ihre rehbraunen und Tia holte unwillkürlich tief Luft. Unfähig den Blick abzuwenden, hielt sie den Atem an. Ihr Herz schlug schneller und pochte jetzt fast schmerzhaft gegen ihren Brustkorb.
Dohan bemerkte ihren Stimmungswechsel sofort und wurde unruhig. Sie zwang sich, auszuatmen, und den Blick von den Augen des Mannes abzuwenden. Entgegen ihrer Ausbildung brach sie kurz ihre Disziplin, um ihrem Pferd beruhigend über den Hals zu streicheln. Sie konnte es nicht riskieren, dass er durchging.
Als sie den Blick wieder hob, ruhten die eisblauen Augen noch immer auf ihr. Dohan stand wieder ruhig und Tia konzentrierte sich auf ihre eigene Ruhe. Ihr Herz schlug immer noch heftig. Dann lächelte der Mann amüsiert und schaute weiter der Reihe nach allen Reitern ins Gesicht, als wolle er sich jedes einzelne genau einprägen.
Tamara hüstelte leicht und Tia warf ihr einen fragenden Blick zu. Ihre Freundin grinste frech, was Tia nur mit einem tadelnden Blick quittierte. Sie schüttelte den Kopf und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorn.
Die Gruppe Offiziere brauchte eine halbe Ewigkeit für den kurzen Marsch an der Einheit entlang. Sie standen schließlich am anderen Ende und unterhielten sich noch immer. Tia begann zu frösteln, denn mittlerweile drang die Nässe ungehemmt durch ihre Kleidung. Die wärmende Sonne war längst komplett verschwunden und selbst einige der Pferde wurden unruhig.
Der Mann mit den Eisaugen sprach kurz mit Heras und schritt dann erneut die erste Reihe ab. Tias Herz begann abermals zu rasen, als er auf ihrer Höhe ankam. Doch diesmal beherrschte sie sich besser und Dohan bekam nichts von ihrer Aufregung mit. Was war nur los mit ihr?
Dann blieb der Mann stehen und ließ den Blick quer durch die Reihen gleiten, als suche er nach etwas. Seine Augen fanden es. Tia. Wieder trafen sich ihre Blicke und ein zufriedenes kleines Lächeln stahl sich auf seine Züge. Neben ihr feixte Tamara leise aber hörbar.
Der Mann trat an Woran vorbei, der in der Formation vor Tia stand und hielt bei ihr an, sein Blick blieb die ganze Zeit auf ihren gerichtet. Dann senkte er ihn und musterte sie unverhohlen. Es war allerdings nicht anzüglich, wie Tia feststellte. Eher neugierig. Sein Blick glitt über ihre Rüstung und die Waffen, die sie trug.
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