Ich kicherte. Das hatte mich doch vor kurzem schon jemand gefragt? „Mit H.“
„Und dein Nachname – sag nichts – irgendwas mit T... hm – äh – Tibot oder so?“
„Genial! Thibault. Du kennst mich ja wirklich! Woher?“
„Mensch, wir haben zusammen Abitur gemacht! So ein seltener Name, das fällt doch auf! Hattest du nicht einen Bruder, der noch schräger hieß und total süß war?“
„Yannick? Stimmt. Süß? Naja, Schwestern können so was nicht so ganz nachvollziehen. Sorry, mittlerweile ist er verheiratet.“ Hannah lachte. „Macht nichts, ich hab schon einen Freund, einen nagelneuen. Aber du kannst dich gar nicht an mich erinnern, oder?“
„Naja... Hannah... es gab drei Hannahs in unserem Jahrgang und keine sah aus wie du. Wie heißt du denn mit Nachnamen?“
„Rehberger. Hannah Rehberger.“ Hätte ich auf einem Barhocker gesessen, wäre ich vermutlich runtergefallen. Ich öffnete schon den Mund, um taktlose Verblüffung zu äußern, als Hannah mir einen Rempler versetzte. „Schnell, die gehen! Nichts wie hin!“ Wir warfen uns über den Tisch, als die vorigen Gäste noch nicht mal richtig aufgestanden waren. Schnaufend grinste ich Hannah an. „Hannah Rehberger... du hast dich ja wahnsinnig verändert!“
„Du meinst, die Pickel sind weg, die Speckröllchen und die Kassenbrille?“
„Naja...“ Hannah war der Kurspummel gewesen und nicht gerade der Star des Abiballs. Und jetzt sah sie richtig gut aus, strahlend, vergnügt und zufrieden.
„Erzähl, was machst du jetzt?“, fragte sie und winkte Birgit. Ich erzählte von Elastochic und von Werner, und ehe ich es mich versah, hatte ich die ganze dumme Geschichte vor ihr ausgebreitet, von der Nummer in der Tiefgarage bis zu Werners neuer stoffeliger Art, von Onkel Josef und der nervenden Wilma bis zu den falschen Abrechnungen.
Hannah seufzte mitleidig und bestellte erst einmal noch zwei Pils. „Und du musst was essen! Wenn du morgen auch noch einen Kater hast, wird die Lage davon nicht besser.“
Ich entzifferte die Tafel neben der Theke. „Ein Thunfischsandwich... Was soll ich jetzt bloß machen?“
„Ich würde mich von diesem Werner verabschieden, wenn ich du wäre“, meinte Hannah entschieden. „Schau, du hast ihn schon satt, bevor ihr verheiratet seid – wozu dann noch heiraten? Du bist doch schon reif für die Scheidung!“
„Ja, aber weißt du, ich habe ja gar keinen richtigen Grund. Er rührt seit Jahren zu Hause keinen Finger, er war noch nie wahnsinnig gesellig, und seine Schwester war auch immer schon so eine Plage. Ich kann doch nicht jetzt plötzlich daherkommen und sagen, das nervt mich?“
„Warum nicht? Liebst du ihn eigentlich noch?“
Darüber dachte ich nach, bis unsere Sandwichs kamen. Ich biss in meins hinein – ausgezeichnet! Kauend überlegte ich weiter, dann schüttelte ich betrübt den Kopf. „Ich glaube nicht. Aber weißt du, es war ohnehin nie die ganz große Leidenschaft, wir hatten immer was Kumpelhaftes in der Beziehung. Bloß geht jetzt langsam auch der Respekt vor die Hunde, ich halte ihn für eine fade Couch-Potato, und für ihn bin ich doch bloß noch die Haushälterin.“
Hannah schüttelte den Kopf. „Das ist zu wenig. Weißt du, gleiche Jobs sind ja schon eine gute Basis, finde ich. Schau dir Birgit und Rudi an! Aber das alleine reicht doch auch nicht. Bist du so scharf aufs Heiraten, dass du einen nehmen willst, der dich schon vorher nervt?“
„Nein, natürlich nicht. Aber sechs Jahre einfach so wegwerfen?“
„Vielleicht waren aber sechs Jahre die natürliche Lebensdauer eurer Beziehung? Die wenigsten halten ein Leben lang.“
„Weiß ich. Dafür werden wir heute doch auch viel zu alt. Verdammt, kann er nicht eine andere finden und sich vom Acker machen?“
„Hélène, das ist feige! Du willst bloß nicht die Schuld haben!“
„Ja doch, dabei bin ich doch schuld, oder? Wenn ich nicht mit diesem Kerl in der Tiefgarage...“
„Wäre dein Werner dann weniger stoffelig? Er weiß es doch nicht, oder?“
„Nein, so war er ja vorher schon. Aber jetzt sehe ich ihn noch kritischer.“
„Wäre dir dieser andere lieber?“
Ich überlegte. „Nein. Den kenne ich doch überhaupt nicht, der kann noch viel grässlicher sein als Werner. Aber ich muss zugeben, der Sex mit ihm war hinreißend, da musste ich wirklich Vergleiche ziehen, und die sind für Werner ungünstig ausgefallen.“
„Das ist aber doch auch nicht deine Schuld. Glaubst du, du kannst Werner so weit bringen, dass er im Bett mehr Pep zeigt?“
Was machte ich hier eigentlich? Sprach mit einer Frau, die ich seit der Abifeier nicht mehr gesehen hatte, über die Bettgewohnheiten meines Zukünftigen? Stillos, wirklich! Aber Hannah hatte so etwas Beruhigendes, als wüsste sie eine Lösung. „Ich glaube nicht“, antwortete ich dann langsam, „nach sechs Jahren? Stell dir vor, du pennst seit sechs Jahren friedlich mit einem Typen, und plötzlich kommt er mit neuen Wünschen daher. Was würdest du denken?“
„Ich würde mich fragen, wer ihm diese neuen Ideen eingeredet hat“, gab Hannah zu und lächelte schief.
„Eben!“, triumphierte ich. „Soll ich dann sagen, ich kenn einen, der es mit mir in der Tiefgarage macht, ans Auto gelehnt, und du musst jetzt auch solche Dinge bieten? Das Gesicht möchte ich nicht sehen!“
Hannah kicherte in ihr Bier und entschuldigte sich sofort. „Ich weiß, das ist nicht lustig, aber wenn man sich das so vorstellt... Ich sehe nur eine Möglichkeit.“
„Sag schon!“
„Soviel Streit, dass er Schluss macht oder dass du eine Handhabe hast, zu sagen, er ist nicht mehr der, den du heiraten wolltest. Eigentlich müsste er doch ohnehin merken, wie lustlos du diese Hochzeit vorbereitest, oder?“
„Nein, er macht ja noch weniger.“
„Ach, also will er eigentlich auch nicht?“
„Er denkt, das machen die Heinzelmännchen. Er weiß, was er anziehen wird, und damit hat er seinen Teil erledigt. Seine Schwester findet auch, dass ich alles finanzieren muss, in Ermangelung von Brauteltern.“
„Wieso, was ist denn mit deinen Eltern? Sind die dagegen?“
„Das wären sie vielleicht tatsächlich, wenn sie Werner noch kennen gelernt hätten. Nein, sie sind tot. Autounfall, vor acht Jahren.“
„Bitter.“
„Ja... Ob ich deshalb bei Werner gelandet bin?“
„Wie meinst du das?“
„Naja, erst war ich ziemlich benommen, und Yannick fast noch mehr. Er hat dann aber bald Véronique kennen gelernt, die ihn wieder auf den richtigen Weg gebracht hat. Ich hab nach dem ersten Jahr ein verdammt lustiges Leben geführt, ein Kerl nach dem anderen, dann wurde mir das auch zu dumm und ich bin Werner begegnet.“
„Er war das Kontrastprogramm? Der Elternersatz?“
„Vielleicht. Jedenfalls war er etwas zum Liebhaben.“
„Klingt wie ein kleiner Hund“, kommentierte Hannah abfällig.
Jetzt musste ich albern kichern, und ein frisches Pils brauchte ich jetzt auch. „ Werner, bei Fuß ? Ja, ein Hund würde mich wenigstens auch mal das Fernsehprogramm aussuchen lassen. Am Montag kaufe ich mir einen eigenen Fernseher, im Arbeitszimmer ist auch ein Anschluss.“
„Meinst du, er merkt es überhaupt, wenn du nicht neben ihm auf dem Sofa guckst, sondern in einem anderen Zimmer?“
„Ach, doch, nach einiger Zeit. Wenn er sagt, Schatz, haben wir noch ein Bier? und niemand antwortet...“
Schließlich wechselten wir das Thema, und Hannah unterhielt mich mit einer begeisterten Beschreibung ihres Derzeitigen, Roland, und der Flopp-Parade, auf die sie stolz zurückblicken konnte. Kurt, der Ökoterrorist, gefiel mir am besten, und ich revanchierte mich mit Beate und Theo. Bei unseren Mutmaßungen, wie die beiden ökologisch einwandfrei und politisch korrekt ihren Lebensunterhalt verdienen konnten, wurden wir immer alberner; Kondome aus Hanf, in Handarbeit produziert, selbst gekochte Marmelade aus den Früchten am Wegrand, Schafzucht in der Wohnung mit anschließender Herstellung ungefärbter, lappiger Pullover, Rikschadienste... Es gab durchaus Möglichkeiten, vielleicht sollten wir den beiden eine Liste schicken?
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