Elisa Scheer - Seltsame Vorfälle

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Eigentlich führt Stella Mutén, Projektmanagerin im Städtischen Museum, ein friedliches Leben.
Dass etwas weiter oben in der gleichen Straße eine Galerie überfallen wird, bekommt sie zunächst überhaupt nicht mit – und dann lernt sie einen recht sympathischen jungen Mann kennen. Nicht gerade der Mann fürs Leben, denkt sie, aber man kann mit ihm nett essen gehen (vor allem in den Kaiserpalast) und sich auch einigermaßen gut mit ihm unterhalten.
Die anschließenden Spaziergänge in der nebligen Altstadt sind zunächst auch vergnüglich – aber warum beginnt dieser Schilling, ihr Wahrnehmungsstörungen einreden zu wollen? Stella fängt an sich zu ärgern, möchte aber herausbekommen, was der Kerl damit wohl bezweckt, also bricht sie den Kontakt vorerst nicht ab.
Währenddessen fragt sich die Kripo, was der Überfall bezweckte – die Bilder waren so unüberzeugend, dass sie bestimmt unverkäuflich sind, was im Übrigen auch die Umgebung des jungen Malers, mit Ausnahme seiner vernarrten Mutter, vergnügt bestätigt. Der Galerist liegt verletzt im Krankenhaus.
Und dann gibt es weitere Anschläge auf den Galeristen und ein junger Mann wird bei einem vorgetäuschten Unfall getötet. Hatte er Kontakt zu den Räubern? War er vielleicht einer von ihnen? Was war die eigentliche Absicht hinter dem rätselhaften Überfall?
Und was haben die albernen Streiche, die Stella Mutén gespielt werden, damit zu tun? Dieser Aspekt interessiert besonders Ben Hollerbach; er und das übrige Team um Max Korka und Katrin Kramer stehen also nicht nur vor einem Rätsel…

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Seltsame Vorfälle. Kriminalroman

Elisa Scheer

Published by: epubli GmbH, Berlin.

www.epubli.de

Copyright: © 2021 R. John 85540 Haar

Cover: privat

ISBN 978-3-754924-52-5

1

Der Flyer für die Eröffnung der nächsten Ausstellung („Malerei plus“ – Gemälde, die in Installationen integriert werden sollten) war fertig, sie hatte ihn fünfmal Korrektur gelesen, ihre Kollegin zweimal, es konnte absolut kein Fehler mehr drin sein!

„Hunger!“, seufzte sie, sobald das Ding an die Druckabteilung gemailt war, „Ich mach jetzt Mittag, okay, Biggi?“

„Klar doch. Hau schon ab, Stella, es ist eh schon fast zwei Uhr. Kein Mensch mehr auf der Straße – und die Mittagskarte gilt wahrscheinlich auch nicht mehr.“

„Ich geh ins Art Café, die sehen das nicht so eng. Da krieg ich schon noch was.“

Das tat Stella auch; sie schlenderte die Avenariusgasse entlang, die Galerien auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit flüchtigen Blicken streifend – später mal, vielleicht… Schräg vor einer der Galerien stand ein eher schmuddeliger Sprinter. Warum waren die eigentlich immer so hässlich und gar so ungewaschen? Gerade wenn einer Kunst anlieferte oder abholte, sollte er doch etwas angemessener daherkommen. Ein Maler – gut, der durfte schon zerzaust auftreten – aber die Lieferanten doch nicht?

Ach, egal – ihr Magen knurrte!

Das Art Café war wenigstens halb leer, soweit hatte Biggi – die wie immer um halb eins zu Tisch gegangen war – recht gehabt. So konnte Stella sich einen netten Fenstertisch sichern und sich grünen Tee und die Fischtasche bestellen, die der absolute Bestseller des Art Café war.

Sie warf einen Blick nach draußen, wo, wie nicht anders zu erwarten, rein gar nichts los war. Offenbar war das hier das tote Ende der Avenariusgasse. Die spannenden Läden waren woanders – und die Leisenberger schienen sich auch nicht übermäßig für Kunst zu interessieren.

Der Tee kam; sie tauchte den Teebeutel noch ein paarmal unter und fischte ihn dann aus dem Becher, bevor sie einen vorsichtigen Schluck nahm.

Heiß.

So eine Überraschung!

Im Café sah sie niemanden, den sie kannte, draußen war nichts los – nur gut, dass sie das tun konnte, was fast alle hier beim Essen taten, nämlich durch ihr Handy scrollen – Whatsapp, Nachrichten, SMS, verpasste Anrufe? Sie fand nichts Interessantes und sah auf, als sich die Bedienung mit der Fischtasche näherte. Hmm! Knuspriger Blätterteig, darin Lachs und etwas Goldbarsch in kleinen Stückchen, umhüllt von einer Creme aus Kräuterfrischkäse und etwas anderem, das sie noch nie hatte identifizieren können.

Sie schnitt sorgfältig ein Eckchen ab und genoss den wunderbaren Geschmack. Ja, und die Hitze. Schließlich hatte sie den ersten Bissen schluckfähig gemacht und ihn verspeist; sie seufzte glücklich auf, öffnete die Teighülle ganz und machte sich an das nächste Häppchen, dermaßen von Fischdampf umwabert, dass sogar die Fensterscheibe neben ihr beschlug.

Sie liebte Fisch! Obendrein war er auch noch gesund… vielleicht war das ein Erbe ihres Vaters, die Liebe zur skandinavischen Kost?

Nachher sollte sie endlich mal die ganzen erledigten Projekte richtig zusammenheften und in die entsprechenden Ordner packen, dann wäre der Schreibtisch auch wieder leer, schließlich hatte sie ja schon mindestens drei neue Veranstaltungen in der Pipeline…

Die Hülle war wirklich herrlich knusprig und allmählich verzog sich der Dampf so weit, dass die Fensterscheibe einigermaßen klar war. Nur war leider draußen immer noch gar nichts zu sehen… der langweilige Abschnitt der Avenariusgasse eben, Richtung Schule und Markt, aber kam ja erst nach einer leichten Kurve.

Und heute Abend würde sie mindestens eine Maschine voll waschen, endlich mal Sabine anrufen - ja, und Mama am besten auch! Und vielleicht diesen komischen Film um zehn…

So etwas sollte sie sich eigentlich aufschreiben, dann vergaß sie es vielleicht weniger schnell. Aber ihren Kalender hatte sie gar nicht mitgenommen – egal, sie hatte doch ihr Handy, samt einer To do-App! Endlich mal ausprobieren…

Faszinierend! Da gab es verschiedene Farben für Prioritäten A, B und C – und ein Feld für die Deadline! Sie trug alles ein, was ihr gerade so einfallen wollte, und betrachtete dann verzaubert ihre neue Taskliste.

Draußen sprang ein Wagen an und röhrte dann davon. „Neuer Auspuff“, empfahl Stella, ohne aufzusehen, und probierte aus, was geschah, wenn man das Häkchen für „erledigt“ setzte: Klasse, die Aufgabe wurde blassgrau, blieb aber sichtbar. Da konnte man sich daran aufgeilen, wieviel man geschafft hatte! Hastig aß sie die Fischtasche auf und winkte der Bedienung.

Draußen war die Straße genauso leer wie zuvor; nur bei einer Galerie stand die Ladentür offen. Wohl stickig drinnen…

Zurück ins Museum!

Dort kam sie ganz gut voran und konnte tatsächlich zwei ihrer Teilprojekte ins Hellgraue drehen. Zwischendurch rannten mal wieder etliche Kolleg*innen durch die Gänge wie nicht gescheit. Entweder gab es irgendein tolles neues Gerücht oder jemand hatte Kuchen ausgepackt.

Oder es war unten in den Ausstellungssälen etwas vorgefallen? Eher unwahrscheinlich.

Sie arbeitete friedlich weiter, bis ihr doch mulmig wurde und sie auf die Suche nach den anderen ging. Sie fand alle vor den Fenstern, die nach Norden zeigten.

„Gibt´s da was zu sehen?“

Anja drehte sich um. „Hast du vorhin die Sirenen nicht gehört?“

„Nö, Tür war zu. Und: Ist ein Krankenwagen vorbeigefahren?“

„Du bist ja wieder voll cool unterwegs! Ne, Polizei, in Massen.“

„Aha. Und was war los? Kann man das von hier aus überhaupt sehen?“

Stella fand diese Frage durchaus berechtigt, denn die Nordfenster ließen zwar den Blick auf die Avenariusgasse zu, aber nur bis zu der Stelle, wo ganz früher mal ein Tor gestanden hatte. Deshalb machte die Gasse da wieder einen Schlenker – und was dahinter lag, konnte man nicht mehr sehen. Das Art Café eben – und das langweilige Ende der Gasse, bevor sie zur Carolinenstraße wurde.

„Was war denn nun los?“, insistierte Stella nicht ganz ohne Gemeinheit.

„Weiß ich nicht“, grummelte Biggi. „Blöde Straße, kann die nicht geradeaus laufen?“

Anja und Nico hatten auch keine Ahnung, also kehrte Stella achselzuckend wieder in ihr Büro zurück, räumte ihre Unterlagen ordentlich auf und packte ein abgeschlossenes Projekt in den Schrank, wo sie diese verschnürten Mappen, sauber labelliert, aufzubewahren pflegte. Ein Blick auf die Uhr – zehn nach fünf. Um halb sechs schloss das Museum. Sie erledigte noch einigen Kleinkram, entwarf einen weiteren Flyer und surfte kurz durch die Seiten der Konkurrenz. Aha, Ludwigskron plante etwas zu Großstadtdarstellungen? Stella dachte sofort an Edward Hopper, Camille Pissarro und Maurice Utrillo. Da sollte sie hingehen, wenn es so weit war!

Sie dachte an das Museum der Stadt Wien… sollte das Städtische Museum sich nicht auch einmal eine – kleine? – Ausstellung zur Stadtgeschichte leisten? Mit Herzog Roderich, Herzog Leopold, der Prinzessin Eleonore, dem Verlauf der Stadtmauer, Stadterweiterungen… bis hin zum Konzept von Birkenried?

Sie machte sich einige flüchtige Notizen in ihr „Schatzbuch“, notierte auch, dass sie sich die Stadt-Ausstellung in Ludwigskron ansehen wollte, wenn es so weit war (das war schließlich nahezu berufliche Pflicht, nicht wahr?) und sah wieder auf die Uhr: halb sechs, sie konnte gehen. Ab ins gemütliche Mönchberg, ab aufs Sofa. Oder doch ein bisschen laufen? Zum Drogeriemarkt musste sie auch noch: Fuggerplatz oder Assisiplatz? Der in der Altstadt war größer – aber nein, da war´s immer so voll – und der Bus nach Mönchberg hielt gleich hier vor dem Museum. Wahrscheinlich eher wegen des Marien-Gymnasiums gleich nebenan, aber das Museum profitierte eben auch davon.

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