Amalia nickte, und ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Lachen.
Annabel entzog Konstantin ihre Hand und presste die Lippen zusammen. »Ich finde das nicht zum Lachen. Du hättest dich melden können.«
Ach du je, dachte Maria, das Mädchen ist verstimmt.
»Nicht böse sein, Liebling, es gab kein Netz.«
Dass er sie nach nur einem Versuch einfach vergessen hatte, verschwieg er.
Frederico mischte sich ein. »Meinetwegen hättet ihr noch länger wegbleiben können.« Er wirkte leicht angetrunken. Theresa sah ihn beunruhigt an.
»Mit einer hübschen Frau Champagner zu trinken, ist mir noch immer lieber, als einen Nachmittag mit einem stummen Kind zu verbringen.«
»Reiß dich zusammen, Frederico.« Konstantin war wütend. »Lass Amalia endlich in Ruhe. Dein Verhalten ist kindisch und unangebracht.«
Maria betrachtete Konstantins Ausbruch interessiert. Er hatte Amalia immer beigestanden, aber nie seinen Bruder so vehement vorgeführt. Auch Theresa wirkte verblüfft.
Frederico spöttelte: »Eifersüchtig? Annabel und ich haben uns wirklich gut unterhalten.«
Madame Durand folgte der Auseinandersetzung und dachte sich ihren Teil. Verstand Frederico seinen Bruder absichtlich falsch? Auch Annabel schien ihn nicht zu verstehen.
»Aber, Liebling, Frederico hat es nicht böse gemeint.« Jetzt nahm sie seine Hand. »Wir haben vielleicht ein bisschen zu viel getrunken, weißt du? Aber du musst nicht sauer auf uns sein.«
»Es ist gut, Annabel.«
Konstantin sah aus, als würde er sich selbst nicht so recht verstehen. Er hätte seinem Bruder vor allen anderen nicht so über den Mund fahren dürfen. Er hatte emotionaler reagiert als nötig, und Madame Durand fragte sich, warum.
Sie reichte Theresa eine Platte mit Melonenspalten und Parmaschinken.
»Danke.«
Konstantin nahm seiner Mutter die Platte ab und reichte sie an Annabel weiter.
»Erzähl uns doch mal etwas von deiner Arbeit in Afrika.« Theresa lenkte das Gespräch in sicherere Gefilde. »Wie lange wirst du fort sein?«
Er zuckte mit den Schultern. »Das ist noch nicht klar. Es gibt in Gambia eine Buschklinik, dort arbeitet eine Ärztin, deren Arbeit ich begleiten werde. Ich kenne sie durch ihren Bruder, einen Kommilitonen von mir.«
»Werden Sie mit Konstantin gehen?«, wandte sich Maria an Annabel.
Eine Frage, die auch Theresa brennend interessierte, die sie aber nicht zu stellen gewagt hatte.
»Ich werde meinen Mann nicht alleine fahren lassen, so kurz nach der Hochzeit.«
»Ihr wollt heiraten …?« Maria war selten sprachlos.
Alicia räumte die Teller ab. »Kann ich dann den Salat bringen, Signora?«
»Bitte, Alicia.«
»Sie wollen heiraten!« Mit dieser Neuigkeit stürzte Alicia in die Küche.
»Wer will heiraten?«
»Konstantin und Annabel.«
Maja mischte Panzanella in einer riesigen Schüssel. Karamellisierte Kirschtomaten, rote Zwiebeln, Friseesalat, Pinienkerne und Ciabatta. Sie blieb ungerührt. »Alt genug ist er ja. Stell die Teller ab, Alicia, und bring den Salat hinaus.«
Theresa amüsierte sich über Marias Sprachlosigkeit. Sie lächelte. »Wir wollten mit dieser Ankündigung eigentlich warten, bis Maximilian zurück ist, nicht wahr, Annabel?«
Annabel errötete. »Entschuldigung, aber es ist mir so herausgerutscht.«
»Dann werde ich ja vielleicht auch noch Urgroßmutter«, sagte Maria aus ihrer Erstarrung erwachend.
Frederico grinste. »Seht zu, dass es kein schwarzes Baby wird.«
Niemand reagierte.
Theresas Blick fiel auf Amalia. Die Kleine starrte auf ihren Teller. Dicke Tränen liefen über ihre Wangen. Abrupt erhob sie sich. Ihr Tablet lag auf dem Tisch. Theresa las, was Amalia zuletzt geschrieben hatte. » Ich wünschte, sie wäre tot. « Theresa löschte den Text.
Alicia stellte eine Schüssel mit herrlich duftendem Salat auf den Tisch.
»Was hat die denn jetzt, ich hab doch gar nichts gesagt.« Offenbar war sich Frederico keiner Schuld bewusst. Ehrlich verblüfft sah er seiner Cousine nach.
Madame hatte sich halb erhoben, setzte sich aber wieder.
»Entschuldigt mich.« Theresa legte die Serviette neben ihren Teller. »Lasst euch nicht stören, ich bin gleich wieder da.«
Sie nahm Amalias Tablet an sich und folgte ihr. Wie vermutet, fand sie Amalia auf der Weide bei ihrem Fohlen und Luna . Sie hatte ihren Kopf an Lunas Seite gelegt, ein Schluchzen schüttelte ihre schmalen Schultern. Theresa öffnete das Gatter und schloss es hinter sich. Als sie Theresa hörte, wieherte Luna leise und hob den Kopf. Dass Amalia Konstantin liebte, konnte niemandem entgangen sein. Schon als Vierjährige hatte sie ihm von Anfang an ihr ganzes Vertrauen geschenkt. Theresa hatte nie wirklich darüber nachgedacht, aber für sie war diese Liebe nichts weiter als schwesterliche Zuneigung gewesen. Hatte sie sich geirrt? Und wie sollte sie ein enttäuschtes kleines Mädchen trösten?
Vielleicht, dachte sie, hätte ich doch Madame gehen lassen sollen.
Theresa traute ihren eigenen mütterlichen Fähigkeiten nicht sonderlich.
»Amalia?« Langsam ging sie auf das Mädchen zu. »Ich habe dir dein Tablet mitgebracht.«
Amalia fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. Dann drehte sie sich zu Theresa um und streckte die Hand nach dem Gerät aus. Sie sah auf den leeren Bildschirm.
»Ich habe es nicht so gemeint, es tut mir leid«, schrieb sie.
»Du bist traurig, Amalia. Aber ich weiß, dass Konstantin dich sehr lieb hat, daran kann auch Annabel nichts ändern.«
Amalia nickte. Sie wirkte jetzt ruhiger.
Kein Grashalm rührte sich. Hitze quälte das Land. Erdiger Geruch. Die Fohlen lagen im Gras, und ihre Mütter standen reglos bei ihnen. Nur ein leises Schnauben unterbrach gelegentlich die Stille.
Amalia strich behutsam über die Nase ihres jungen Hengstes. Das von der Sonne ausgedörrte Gras verströmte einen eigenartigen Brandgeruch.
»Er ist gewachsen«, sagte Theresa. »Komm jetzt, es ist spät.«
Madame erwartete Amalia in der Halle. Sie nickte Theresa zu.
Theresa beobachtete, wie Amalia beinahe schutzsuchend nach Madame Durands Hand griff, während sie zusammen die Stufen hinaufstiegen. Sie war sicher, dass Madame das Mädchen besser trösten konnte als sie selbst.
Oben wandte sich Madame Durand noch einmal um.
»Konstantin ist mit Annabel und Frederico zu Stephano gefahren.«
»Danke, gute Nacht.«
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