Himmel
über der
Maremma
Ursula Tintelnot
Impressum
Texte: © Ursula Tintelnot
Umschlagfoto: © Martin Langos
Umschlaggestaltung: © Medusa Mabuse
Satz/Layout: © Medusa Mabuse
Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Klappentext:
Theresa, eine junge Witwe, fährt mit ihrem kleinen Sohn nach Italien, um sich auf einem Gut als Pferdewirtin zu bewerben. Die bezaubernde Landschaft, das Gut und nicht zuletzt der Gutsbesitzer Maximilian von Ossten ziehen sie in ihren Bann.
Nach einem Rundgang über das Gut und durch die Ställe, hatte er gesagt: »Sie können den Job haben, aber ...«
»Aber?«
»Es gibt eine Bedingung.«
»Welche Bedingung?«
»Sie müssen mich heiraten.«
Theresa hatte gelacht und gefragt: »Wollen Sie das Gehalt sparen?«
Ein halbes Jahr später ist sie Frau von Ossten.
In der südlichen Toskana, der Maremma, glaubt sie, ein zweites Glück gefunden zu haben, bis sie erkennt, dass man Glück nicht findet, sondern darum kämpfen muss.
Inhaltsverzeichnis
La Pineta
Liebe und Eifersucht
Eitelkeiten
Vorwürfe
Verzaubert
Schafe, eine Reise und ein Konzert
Ein totes Fohlen
Ein zu intelligentes Mädchen, Erinnerungen und ein Brief
Pferdeschule und ein warmer Wind aus der Wüste
Krähenwinter
Schuld
Verbannt
Zwillinge und ein überraschender Besuch
Madeleine Durand
Maria und Raffael
Gäste und ein Baby
Sommer Liebe und Lügen
Festspiele in Lucca
Ein sehr heißer Sommer
Ein totes Pferd
Besuch aus der Vergangenheit
Der Überfall
Reitunterricht und ein Geständnis
Flug über Elba
Eine Frage der Ehre
Zerbrochene Idylle
Mailand
Schmetterlingsflügel
Nacht in Mailand
Familie
Glück
Epilog
Personen
Über die Autorin und weitere Werke
Amalia saß auf ihrem Lieblingsplatz in einer der tiefen Fensternischen der Bibliothek.
Der schwere Vorhang, der das Fenster verbarg, verbarg auch sie. Die Läden waren gegen die hochsommerliche Hitze geschlossen. Waren sie geöffnet, hatte man einen guten Blick über den Hof, den anschließenden Park und das schillernde Wasser des Sees hinter den Ställen. Nur das Schnurren des Katers unterbrach die Stille.
Dunkelblonde Locken fielen dem Mädchen über den Rücken.
Als sich die Tür öffnete, verhielt sie sich ganz still. Onkel Maximilian. Er würde in seinen tiefen Ledersessel sinken, einen Cognac trinken, die Hände falten und einschlafen. Sobald er schlief, konnte Amalia ungesehen die Bibliothek verlassen. Aber diesmal wurde er von Frederico, ihrem Cousin, begleitet.
»Ich weiß wirklich nicht, was du an dem Mädchen findest. Warum schickst du sie nicht in ein Internat?«
»Ich will diese Diskussion nicht immer wieder führen.« Max von Osstens Stimme klang genervt. »Das ist meine Entscheidung. Und nun lass mich allein.«
»Wie du meinst, Papa, aber ich versteh es nicht. In einem Internat wäre sie gut betreut, und wir müssten nicht Erzieherinnen, Lehrer und Therapeuten im Haus dulden.«
Frederico klatschte die Reitgerte gegen seine Stiefel und zog die Tür laut zu. Sein Vater fragte sich, was der Junge gegen seine Cousine hatte. Selbst Fredericos Großmutter schien dem Charme dieses verwaisten Kindes zu erliegen. Vielleicht war es genau das, was ihn in seiner Antihaltung bestärkte.
Frederico war ein verwöhnter Knabe, der seinen Platz als Jüngster in der Familie hatte abgeben müssen, als Amalia als Vierjährige vor gut acht Jahren ins Haus kam. Es wurde Zeit, dachte sein Vater, dass er seine Eifersucht überwand.
Amalia hörte das schabende Geräusch, als ihr Onkel den Kristallstöpsel aus der Karaffe zog, um sich einen Cognac einzuschenken. Onkel Maximilian war zwanzig Jahre älter als ihr Vater Johann. Sein dichtes kurzes Haar war grau, während das ihres Vaters noch dunkelblond wie ihr eigenes gewesen war.
Sie kannte den Inhalt der Unterhaltung. Frederico mochte sie nicht. Er ärgerte sie, wann immer es ihm gefiel. Und es gefiel ihm oft.
Als Amalias Vater starb, war sie vier Jahre alt gewesen. An ihre Mutter konnte sie sich nicht erinnern.
Warum sie ihren Vater und sie verlassen hatte, wusste Amalia nicht. Damals war sie zu klein gewesen, um Fragen zu stellen, und jetzt gab es niemanden mehr, den sie fragen konnte. Onkel Maximilian war ihr einziger auffindbarer Verwandter. So war sie vor acht Jahren wie ein Postpaket von Hamburg nach Italien geschickt worden. Ihre Erinnerungen an eine große Stadt, den Hafen und die Wohnung mit dem Ausblick auf eine belebte Straße verblassten.
Maximilian reiste in Gedanken dreizehn Jahre zurück.
Zum letzten Mal war er seinem Bruder und dessen Frau Bella vor mehr als zwölf Jahren begegnet. Er sah Bella noch vor sich. Sie war zauberhaft. Eine Frau, die ihn in den Wahnsinn trieb. Er wollte sie, und er nahm sie sich.
Nie wieder sprach Johann ein Wort mit ihm. Bella verließ ihren Mann und ihr Baby gleich nach der Geburt. Und jetzt war dieser verhasste Bruder längst nicht mehr am Leben, und dessen Tochter lebte in seinem Haus.
Maximilian hatte das Erbe seines Vaters an sich gerissen, die Ehe seines Bruders zerstört, und nun gehörte auch Amalia ihm. Das Mädchen, ein Abbild seiner Mutter, erinnerte ihn Tag für Tag an Bella und an das, was zwischen ihnen gewesen war. Aber er war kein Mann, der sich über Dinge aufregte, die der Vergangenheit angehörten.
In gewisser Weise verstand er seinen Sohn. Frederico war ihm sehr ähnlich. Unversöhnlich in seiner Ablehnung. Und unerbittlich, wenn es um sein Territorium ging.
Amalia war ein unabhängiges Mädchen. Sie beklagte sich nie über Frederico. Wenn er sie zu demütigen versuchte, nahm sie es stoisch hin, was ihn zu noch gröberen Scherzen veranlasste.
Auch Maximilian hatte mit dem spät geborenen Bruder die Zuneigung seiner Eltern teilen müssen. Zwanzig Jahre lang war er ihr Kronprinz, ihr Stolz gewesen.
Johann entwickelte sich zu einem Wunderkind. Mit drei Jahren begann er Klavier zu spielen, mit fünf bekam er seine erste Geige. Sein musikalischer Höhenflug war unaufhaltsam. Mit zwanzig Jahren war er erster Geiger in einem großen Orchester. Er reiste um die ganze Welt. Während Johann sich seiner Kunst widmete, widmete sich Maximilian den Firmen seines Vaters und sorgte dafür, dass sein Bruder am Ende keinen Heller erhielt.
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