Charles R. Cross
DER HIMMEL
ÜBER NIRVANA
Kurt Cobains
Leben und Sterben
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Schmid
www.hannibal-verlag.de
Impressum
Titel der Originalausgabe:
Charles R. Cross – Heavier Than Heaven, A Biography of Kurt Cobain
Copyright © 2001 by Charles Cross
Published by Arrangement with Charles Cross
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, D-30827 Garbsen
3. Auflage 2013
© 2013 der deutschen Ausgabe:
Koch International GmbH/Hannibal, A-6604 Höfen
www.hannibal-verlag.de
Lektorat: Josef Winkler
Titelfoto: Michael Lavine
Ebook: Thomas Auer, www.buchsatz.com
ISBN: 978-3-85445-424-3
Auch erhältlich als Hardcover: ISBN 978-3-85445-222-5
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne eine schriftliche Genehmigung nicht verwendet oder reproduziert werden. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Meiner Familie,
Christina und Ashland
Inhalt
Vorbemerkung
Prolog: Heavier Than Heaven
New York, New York, 12. Januar 1992
1. Zunächst mit lautem Geschrei
Aberdeen, Washington, Februar 1967 bis Dezember 1973
2. Ich hasse Mom, ich hasse Dad
Aberdeen, Washington, Januar 1974 bis Juni 1979
3. Knaller des Monats
Montesano, Washington, Juli 1979 bis März 1982
4. Prairie Belt Sausage Boy
Aberdeen, Washington, März 1982 bis März 1983
5. Dieser Wille des Instinkts
Aberdeen, Washington, April 1984 bis September 1986
6. Habe ihn nicht genug geliebt
Aberdeen, Washington, September 1986 bis März 1987
7. Soupy Sales in my Fly
Raymond, Washington, März 1987
8. Wieder auf der Highschool
Olympia, Washington, April 1987 bis Mai 1988
9. Zu viele Menschen
Olympia, Washington, Mai 1988 bis Februar 1989
10. Wenn Rock ’n’ Roll illegal ist
Olympia, Washington, Februar 1989 bis September 1989
11. Bonbons, Hundebabys, Liebe
London, England, Oktober 1989 bis Mai 1990
12. Lieb dich so sehr
Olympia, Washington, Mai 1990 bis Dezember 1990
Bildstrecke
13. Die Richard Nixon Library
Olympia, Washington, November 1990 bis Mai 1991
14. Amerikanische Flaggen verbrennen
Olympia, Washington, Mai 1991 bis September 1991
15. Jedes Mal beim Schlucken
Seattle, Washington, September 1991 bis Oktober 1991
16. Putz dir die Zähne
Seattle, Washington, Oktober 1991 bis Januar 1992
17. Ein kleines Monster im Kopf
Los Angeles, Kalifornien, Januar 1992 bis August 1992
18. Rosenwasser, Windelgeruch
Los Angeles, Kalifornien, August 1992 bis September 1992
19. Diese legendäre Scheidung
Seattle, Washington, September 1992 bis Januar 1993
20. In einem herzförmigen Sarg
Seattle, Washington, Januar 1993 bis August 1993
21. Ein Grund zum Lächeln
Seattle, Washington, August 1993 bis November 1993
22. Das Cobain-Syndrom
Seattle, Washington, November 1993 bis März 1994
23. Wie Hamlet
Seattle, Washington, März 1994
24. Engelshaar
Los Angeles, Kalifornien/Seattle, Washington, 30. März bis 6. April 1994
Epilog
Ein Leonard-Cohen-Jenseits, Seattle, Washington, April 1994 bis Mai 1999
Quellenangaben
Dank
Credits
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Vorbemerkung
Kaum anderthalb Kilometer von wo ich wohne steht ein Haus, das mir eisige Schauer über den Rücken zu jagen vermag – ein Hitchcock-Film ist nichts dagegen. Der flache graue Bau ist umgeben von einem hohen Maschendrahtzaun – eine ungewöhnliche Sicherheitsvorkehrung für eine Mittelschichtgegend voller Wohnhäuser und Sandwichshops. Drei Geschäfte sind in dem Haus hinter dem Zaun untergebracht: ein Haarsalon, eine Versicherungsfiliale und „Stan Baker, Shooting Sports“. Hier kauften am 30. März 1994 Kurt Cobain und ein Freund eine Flinte der Marke Remington. Der Inhaber des Geschäfts sagte später einem Reporter, er habe sich gewundert, wieso sich zu der Zeit jemand ausgerechnet eine solche Waffe zulegen sollte, wo doch keine „Jagdsaison“ gewesen sei.
Jedes Mal, wenn ich an Stan Baker’s vorbeifahre, überkommt mich dieses Gefühl, das man mit Orten hat, an denen man einmal Zeuge eines schrecklichen Unfalls geworden ist. Und in gewisser Weise passt das sogar. Die Kette von Ereignissen nach Kurts Einkauf in dem Waffengeschäft lässt mir nicht nur keine Ruhe, sie weckt darüber hinaus in mir das Verlangen, Fragen nachzugehen, auf die es, wie ich sehr wohl weiß, schon ihrer Natur wegen keine Antworten geben kann. Spirituelle Fragen, die Frage nach dem Anteil des Wahnsinns im künstlerischen Genie, den verheerenden Wirkungen des Drogenkonsums auf die Seele und vom Verlangen, die Kluft zwischen innerem und äußerem Menschen zu verstehen. Fragen, wie sie sich von Sucht, Depression oder Selbstmord gezeichneten Familien nur allzu real stellen. Für derart vom Schicksal ins Dunkel gestürzte Familien – meine eigene nicht ausgenommen – kann das Verlangen, solche unbeantwortbaren Fragen zu stellen, zu einem Fluch werden.
Sosehr solche Mysterien Nahrung für dieses Buch waren, die Saat dazu war bereits Jahre früher ausgebracht, in meiner Jugend nämlich, als mit den Päckchen vom Columbia Record and Tape Club Monat für Monat die Erlösung in die Kleinstadt in Washington kam, in der ich aufwuchs: Rock ’n’ Roll. Es waren nicht zuletzt diese Päckchen mit Platten, derentwegen ich irgendwann meine ländliche Heimat verließ, nach Seattle zog und Autor und Redakteur bei einem Musikmagazins wurde. Ein paar Jahre später, in einem anderen Winkel des Bundesstaats, bescherte derselbe Plattenklub Kurt Cobain eine ähnliche Transzendenz, nur entschied er sich für eine Karriere als Musiker. Unsere Wege kreuzten sich 1989, als mein Magazin, als erstes überhaupt, eine Titelstory über Nirvana brachte.
Es war einfach, Nirvana gern zu haben. Denn egal, wie groß und berühmt sie wurden, sie kamen einem doch immer wie Underdogs vor, und ganz besonders galt das für Kurt. Er begann sein Künstlerleben damit, in einem Wohntrailer Illustrationen von Norman Rockwell, Amerikas berühmtestem Illustrator des zwanzigsten Jahrhunderts und Schöpfer vor allem nostalgischer Kleinstadtszenen, zu kopieren, und entwickelte bald ein Talent fürs Geschichtenerzählen, das schließlich auch mitverantwortlich für die besondere Schönheit seiner Musik werden sollte. Als Rockstar schien er immer ein Außenseiter, ich persönlich jedoch habe immer die Art geschätzt, wie er seinen Halbwüchsigenhumor mit der Bärbeißigkeit eines Oldtimers zu kombinieren verstand. Wenn man ihn in Seattle sah – und seine alberne Mütze mit den Ohrenklappen war praktisch nicht zu übersehen –, war klar, dass man hier ein Original vor sich hatte in einer Branche, in der es herzlich wenige wirkliche Originale gibt.
Während ich an diesem Buch saß, gab es so einige Augenblicke, in denen dieser Humor das einzige Leuchtfeuer in dieser Sisyphusarbeit war. Heavier Than Heaven entstand im Lauf von vier Jahren, mithilfe von vierhundert Interviews, Schränken von Akten und hunderten von Musikaufnahmen, ganz zu schweigen von all den schlaflosen Nächten und endlosen Fahrten zwischen Seattle und Aberdeen. Meine Recherchen führten mich an Orte – physische wie emotionelle –, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie je betreten würde. Es gab Augenblicke von Euphorie, wie etwa als ich zum ersten Mal das unveröffentlichte „You Know You’re Right“ hörte, einen Song, der meiner Ansicht nach zu Kurts besten gehört. Aber auf jede freudige Entdeckung kamen Momente schier unerträglichen Kummers, wie etwa als ich Kurts Abschiedsbrief in der Hand hielt, den ich in einer herzförmigen Schachtel neben einer Locke seines blonden Haars aufbewahrt sah.
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