Beate Morgenstern
Tarantella
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Inhaltsverzeichnis
Titel Beate Morgenstern Tarantella Dieses ebook wurde erstellt bei
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Impressum neobooks
Amanda: Im zarten Alter von achtunddreißig Jahren entdeckte ich jenes süße, geheimnisvolle Geschlecht, das Männer Jahrtausende schwärmen und dichten machte. Seither träume ich davon, in einen Harem unbeschnittener Frauen verschleppt zu werden, all diese wunderbaren Geschöpfe von möglichst jeder Hautfarbe tagtäglich, nachtnächtlich um mich zu haben. Den Preis, in der vierhundertundzweiten Nacht den Herrscher zu beglücken, zahlte ich allemal.
In achtzehnjähriger Ehe hatte ich Pflichten genug und Rechte eher minder gehabt. Die Liebe war eine Angelegenheit von Viertelstunden. Nun tat sich mir die Tür zum Paradiesgärtlein auf.
Ich danke dir, Amanda. So nanntest du dich, und auch ich werde dich als Amanda in meiner Erinnerung bewahren. Ich danke dir, du erste aller meiner Frauen, ich danke dir für deine zärtlichen Hände, deine Küsse. Ich danke dir auch für all die Schmerzen, die du mir in solcher und solcher Weise bereitet hast, deine langen Fingernägel nicht schonend, so dass ich bisweilen aufschrie, und dein Herz auch nicht, das du mir für Wochen ausliehest. Nicht zu gering war ich dir. Keine Frau ist dir zu gering, als dass sie nicht dein Begehren wecken könnte. Ich danke dir, Liebste, dass du mich vom rechten Wege abbrachtest, so dass ich Mann und unmündige Kinder verließ, um dir anzuhängen. Du brachst mir das Herz.
Weine nur, Rosalia, weine, sagte sie, nachdem sie mir mitgeteilt hatte, sie sei meiner nun überdrüssig. Wir wollten uns nie belügen, das haben wir uns geschworen, sagte sie. Das sind wir uns schuldig. Ich sage dir also die Wahrheit, Rosalia. Wie du siehst, halte ich mich an unsere Abmachungen.
Rosalia, diesen Namen hatte sie mir gegeben meiner roten Locken wegen, die mir in meiner Kindheit zu schaffen machten. Mädchen zerrten an ihnen, nicht wissend, dass ich sie eines Tages dafür strafen würde.
Weine, Rosalie, weine, wiederholte sie. Tränen erleichtern. Auch ich habe geweint, als mich die Frau verließ, die mir klarmachte, dass ich von nun an Frauen lieben müsse. Aber ich bin besser zu dir als jene. Denn ich hinterlasse dir allerhand Erfahrungen, die für dein späteres Leben nützlich sein werden. Ich verspreche dir, die Zeit wird kommen, da deine Tränen getrocknet sind. Und wenn es soweit ist, wirst du dich meiner dankbar erinnern. Ich sage dir schon heute, du wirst jede Frau bereit finden, wenn du nur den dringlichen Wunsch, sie zu besitzen, auf feine Art äußerst. Denn die Weiber sind ein neugieriges Geschlecht, darauf aus, von Verbotenem zu kosten.
Ich will nur dich!, schluchzte ich. Meine Tränen flossen die Wangen hinunter, nässten meine Bluse. Nur dich, nur dich, sonst niemanden. Ich habe gedacht, dass wir für immer...
Für immer? Ein grässliches Wort. Ihr Weiber wollt immer für immer. Aber alles hat ein Ende.
Ein Ende, Amanda? Mit dem Tod vielleicht.
Bitte, Rosalia, ich hasse Szenen, sagte Amanda in ruhigem Ton. Wir hatten eine schöne Zeit miteinander. Sei dankbar. Oder war es keine schöne Zeit?
Ja, das war sie, bestätigte ich und konnte mich nicht damit abfinden, dass sie nun vergangen sein sollte. Warum nur, Amanda, warum nur?, fragte ich. Die Tränen stürzten aus meinen Augen, und ich merkte die von Amanda versprochene Wohltat dieser Tränen nicht. Ich habe alles meinem Mann gesagt. Dass ich nicht mehr in der Lage bin, mit ihm zusammenzuleben. Meine Kinder leiden. Meine Familie weiß nicht aus noch ein und hält es für ein Unglück, was mir widerfahren ist, aber ich habe es für das größte Glück gehalten.
So geh doch zu deiner Familie zurück, meine Kleine. Ich halte dich nicht, erwiderte sie.
Ich kann nicht. Ich kann nicht, stöhnte ich auf. Ich habe alle Brücken hinter mir abgebrochen.
Wenn es so ist, sagte Amanda, dann weine noch eine Weile, schmücke mein Bild mit Blumen. Trauere um mich wie um eine Tote. Denn ich bin nun für dich wie tot. Zünde zwei Kerzen an. Spiele die Platte, du weißt schon welche. Und wenn der Schmerz dir nicht mehr wie ein Messer deine Seele durchschneidet, beginnst du ein neues Leben. Mit einer anderen. Weiber gibt es unzählige, sie warten nur darauf, dass man sie entdeckt.
Aber wie, Amanda, wie entdeckt man sie?
Wie habe ich dich entdeckt, meine kleine Rosalia?
Du bist mir die Straße nachgelaufen wie ein Mann. Ich kann das nicht. Nein, ich will es auch nicht. Ich will dich, nur dich.
Du machst mich langsam ungeduldig, entgegnete Amanda. Wie gesagt, ich hasse Szenen.
Aber ich bin doch so traurig.
Geh jetzt, meine Liebe. Du möchtest doch, dass ich dich in guter Erinnerung behalte. Wir wollen einen würdigen Abschied. Oder?
Amanda, Amanda, schrie ich, warf mich vor ihr nieder.
Nein, nein, so geht es nicht, sagte Amanda. Meinetwegen bleib noch eine Weile in meiner Wohnung, während ich einkaufen gehe. Weil ich Mitleid habe, dein weiches Herz kenne und dir immer noch zugetan bin, gebe ich dir zudem einen letzten Rat: Lass die Weiber nicht bequem werden. Sorge dafür, dass sie in der Liebe fleißig sind. Denn von Natur aus sind sie keineswegs fleißig. Verwöhne sie nicht, lass dich verwöhnen. Nur so kannst du glücklich werden. Das ist meine Erfahrung und dass ich sie dir mitteile, ist mein letztes Geschenk an dich. Nun, Rosalia, ich gehe. Und sei so gut, kühle im Bad dein Gesicht, schmink dich. Es ist mir nicht recht, wenn man sieht, weinende Weibsbilder verlassen meine Wohnung. Ich bin Mitglied der Hausgemeinschaftsleitung, genieße Achtung unter den Mitbewohnern. Unsere Hausgemeinschaft funktioniert. Hier ist es nicht wie anderswo. Man kümmert sich umeinander. Also, kühle dein Gesicht und geh! Amanda gab mir einen letzten leichten Kuss auf die Wange, nahm ihre Einkaufsbeutel und verschwand aus meinem Leben und ich kurz darauf aus ihrer Wohnung.
Ich weiß nicht, wie viele Monate ich gebraucht habe, um mich im Alltag wieder zurechtzufinden. Meine Ehe wurde geschieden. Die Kinder blieben bei meinem Mann. Sie wollten es so, und ich war zu kraftlos, es ihnen auszureden. Da ich zudem versucht hatte, aus dem Leben zu scheiden, ohne dass dies ein Gott oder Schicksal beschlossen hatten, war das Gericht der Meinung, mein Sohn und meine Tochter seien bei ihrem Vater besser aufgehoben.
Ich trauerte um Amanda auf die Weise, auf die sie es mir geraten hatte, verdunkelte mein Zimmer, schmückte ihr Bild mit Blumen, zündete Kerzen an, zwang mich die Lieder zu hören, die mich an unsere Liebe erinnerten. Und eines Tages konnte ich die Größe sehen, die in ihrem Abschied gelegen hatte: Wo keine Liebe mehr ist, soll auch kein Mitleid sein.
Zwei Jahre lebte ich noch in meiner Familie, denn eine eigene Wohnung zu bekommen, war äußerst schwierig, obwohl ich all meine Beziehungen aufbot. Mein Mann erwies sich mehr und mehr seinen Aufgaben als alleinerziehender Vater gewachsen. Anfangs sagte ich ihm, was einzukaufen, worauf bei den Kindern zu achten sei, dass sie Pflichten hätten, er sie zur Erledigung der häuslichen Arbeit heranziehen könne und müsse. Ich unterwies meinen Mann und meinen Sohn - er ist der bei Weitem ältere meiner beiden Kinder - darin, wie man einfache Gerichte zubereitet. Allmählich zog ich mich aus der Verantwortung zurück, denn ich sagte mir, meine einzige Aufgabe bestehe nunmehr darin, mich überflüssig zu machen. Tut, als sei ich nicht da! So ermahnte ich meine Familie, wenn sie in alte Gewohnheiten zurückfallen wollten.
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