Mark Dunhill hatte einen Blick für die Männer. Jim Heller registrierte es erneut, als der Lieutenant zu ihm kam. „Sarge, wir sollten nach Privat Jones sehen. Er hinkt ein wenig und setzt sich auf sehr merkwürdige Weise.“
„Am McClellan kann es nicht liegen“, meinte Heller prompt. „Den Sattel ist längst jeder von uns gewöhnt.“
„Yeah. Trotzdem, Jim, holen Sie Sergeant Billings mit seiner Medizintasche.“
Der First-Sergeant salutierte knapp, rief Billings und folgte dann dem Lieutenant zu Private Jones, der gerade damit fertig war, sein Pferd zu versorgen.
„Private, ich glaube, Sie haben ein Problem“, sprach Mark den Kavalleristen an.
„Kein Problem, Sir.“ Jones errötete ein wenig.
„Mach keine Umstände, Jones“, brummte Heller. „Die Hose runter, ich will mir deinen prachtvollen behaarten Hintern ansehen.“
Patrick „Paddy“ Donelson kam gerade vorbei und hatte die Bemerkung gehört. Er lachte vernehmlich. Heller sah ihn scharf an. „Halt die Klappe, Paddy-Boy, sonst bist du der Nächste. Falls du nichts zu tun hast … Ich hätte da zwei oder drei nette Jobs für dich.“
„Schon gut, Sarge.“ Paddy machte eine beschwichtigende Geste und führte sein Pferd rasch weiter, um es anzubinden.
Jones leckte sich über die Lippen. „Sir, ich habe nur falsch im Sattel gesessen.“
„Mag sein, Jones, aber du hast Schmerzen.“ Mark gab Billings einen Wink. „Kann gut sein, dass sich da etwas entzündet hat. Es ist besser, wenn Billings nachsieht.“
Der Private errötete etwas stärker, doch dann drehte er sich ein wenig und entkleidete sich so weit, dass er sein Gesäß entblößen konnte.
Jim Heller stieß einen leisen Pfiff aus. „Verdammt, Jones, damit kannst du keinesfalls mehr reiten.“
Sergeant Billings verzog keine Miene. Ihm war es gleichgültig, ob er das Hinterteil eines Mannes oder eines Pferdes verarzten musste. „Ist ein fettes Furunkel, Jones. Das muss ich aufschneiden und desinfizieren, sonst wird es immer schlimmer. Wenn du wartest, bis es von alleine aufgeht, dann hast du dir möglicherweise schon eine Vergiftung eingefangen. Dann sind Schmerzen deine geringste Sorge.“
Mark nickte. „Eine Decke und zwei Mann!“, rief er den anderen zu. „Und haltet ein bisschen Abstand.“
„Yeah, ich bin nämlich ziemlich semibel!“, fügte Jones hinzu.
„Sensibel, Jones“, verbesserte Mark unbewusst. „Das heißt sensibel. Okay, knie dich dort über den umgestürzten Baum. Willst du ein Holz?“
Jones sah misstrauisch auf Billings, der gerade eine Flasche reinen Alkohols, ein skalpellähnliches Messer und Binden aus seiner Tasche nahm. „Wenn ich für den kleinen Schnitt auf ein Holz beißen muss, Sir, dann werden mich die Jungs lange Zeit damit aufziehen.“
Billings begutachtete die hühnereigroße Schwellung an einer der Pobacken, in der sich ein gelblicher Bereich abzeichnete. „Ist kein Furunkel mehr, Sir, sondern schon ein Karbunkel.“ Er sah den fragenden Blick seines Patienten. „Du hättest dich früher melden sollen, du Blödmann. Jetzt sind mehrere Furunkel zu einem größeren Karbunkel zusammengewachsen, weil sich die Entzündung ausgebreitet hat. Kann sein, dass die Stelle in ein paar Tagen von alleine aufgeht und der Eiter abfließt, aber wenn du Pech hast, dann drückst du beim Reiten den Dreck weiter in das umlegende Gewebe und dann gibt’s eine unschöne Vergiftung.“
„Okay, Billings, hast mich überzeugt. Leg schon los, ich halte das aus.“
Zwei Kameraden hielten eine Decke aufgespannt, um Jones ein Mindestmaß an Intimsphäre zu gewähren, dann setzte Billings die provisorisch gereinigte Klinge an. Jones stieß ein gedämpftes Heulen aus, das sie alle nachvollziehen konnten. Übler Gestank breitete sich aus, während Eiter floss und Billings sich daran machte, ihn mit massierenden Bewegungen aus dem entzündeten Gewebe zu befördern. Jones Schmerzenslaute wurde zu einem erleichterten Ächzen, das sich erneut wandelte, als Billings die offene Wunde mit einem sehr kräftigen Schuss Alkohol säuberte.
„Okay, Jones, hast dich gut gehalten“, lobte Heller. „Äh, Billings, ist das Pferdesalbe?“
Der Sergeant nickte lächelnd. „Unseren Regimentsarzt würde wahrscheinlich der Schlag treffen, ist aber das beste und einfachste Zeug, um die Sache in den Griff zu bekommen. Etwas Salbe über die Stelle und dann eine ordentliche Wundabdeckung. Jones, das werden wir in den nächsten Tagen wiederholen. In einer Woche hast du es schon wieder vergessen.“
Inzwischen flackerten die ersten Kochfeuer. Die Kompanie führte vier zusätzliche Pferde als Reserve und Tragtiere mit sich. Ihren Packlasten waren bereits Kessel und Kannen entnommen worden und Sergeant Willard suchte zusammen, was er für einen schmackhaften Eintopf benötigte.
Es würde jetzt rasch dunkel werden und die Männer hatten ihre schwarz gummierten Regenponchos hervorgeholt. Sie waren seitlich mit großen Messingösen versehen und wenn man sich ein paar Äste zurechtschnitt, dann konnte man aus zwei Ponchos ein provisorisches Zelt errichten, unter dem zwei Männer gerade so Platz fanden. Damit war man wenigstens von den Seiten vor Wind und Regen geschützt. Ansonsten waren die Schlafstellen sehr einfach. Brotbeutel oder Hut als Kopfkissen sowie Mantel und Decke, um sich warm zu halten. Glücklicherweise waren die meisten Männer schon recht abgehärtet.
Kompanie „H“ hatte auf ihrem Weg, von Fort Laramie bis Fort Lyon, rund sechshundertzwanzig Kilometer zurückzulegen. Bei dem gemächlichen Wechsel, zwischen Schritt und Trab sowie den Ruhepausen, würde sie eine knappe Woche unterwegs sein. Manche Patrouille konnte mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Die „H“-Kompanie führte entsprechende Vorräte mit und so konnte Sergeant Willard aus relativ reichhaltigen Beständen schöpfen.
Eine gute warme Mahlzeit konnte erheblich zur Erhaltung von Moral, Kampfkraft und Gesundheit beitragen. Willard benutzte den großen Topf aus der Packlast und das aufstellbare Dreibein. Wasser bot der Fluss, die übrigen Zutaten kamen aus diversen Säckchen, Tuben und Dosen. Seit etlichen Jahren waren Fleisch, Bohnen und andere Nahrungsmittel in Dosen erhältlich, wobei die Kompanie vor allem die Dosenpfirsiche zu schätzen wusste. Andere Dinge, wie Tomatenmark und sogar Kaffeeweißer, gab es in Tuben. Lebensmittel wie Wachtelbohnen, Speck, Trockenfleisch, Mehl, Zucker, Kaffeebohnen und dergleichen waren hingegen in einfachen Säcken verschiedener Größe abgepackt.
Mark Dunhill hatte erheblichen Anteil daran, dass der Sergeant der Kompanie etwas Schmackhaftes servieren konnte, denn der junge Offizier hatte einen Teil seines Soldes an Willard weitergegeben, der davon die üblichen Armeevorräte ergänzt hatte. Auch dies war ein Punkt, der Mark zu Sympathien bei den Männern verhalf.
Sergeant Willard nahm sich die Zeit, um einen herzhaften Eintopf aus Wachtelbohnen, Speck, Räucherfleisch und Tomatenmark zuzubereiten. An Flüssigkeiten kamen nicht nur Wasser, sondern auch Ahornsirup und ein Schuss starken Kaffees hinzu. Gut verrührt und geköchelt, verhalf dies dem Eintopf zu einer dezenten Süße und zugleich leicht herben Geschmacksnote. Natürlich durften die obligatorischen Hardtacks nicht fehlen, jene zwiebackartigen Panzerplatten aus Mehl, Wasser und etwas Salz, die man an der Luft trocknen ließ und die selbst das beste Gebiss auf eine harte Bewährungsprobe stellten. Allerdings konnte man sie einweichen oder vor dem Genuss mit dem Revolverkolben in kleinere Portionen zerlegen. Als Entschädigung für die Hardtacks würde Willard einige kostbare Dosen Pfirsich opfern, wobei jeder der Kavalleristen allerdings nur zwei Stücke mit seinem Essbesteck entnehmen durfte.
Die ganze Nacht über stand für die Wachen heißer Kaffee bereit und sein Duft würde die erwachenden Kameraden am Morgen als Erstes begrüßen, von der dröhnenden Stimme des First-Sergeants natürlich abgesehen.
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