Die Kompanie war nach Fort Lyon befohlen, aber dieser Befehl drängte sie nicht zur Eile.
„Unsere Fünfte hat es ganz schön auseinandergetrieben“, meinte Heller. „Bei ‚D‘ hat man sogar die Platoons voneinander getrennt, damit sie verschiedene Garnisonen verstärken.“
„Gefällt mir auch nicht, Jim“, gab Mark zu. „Aber überall scheint Kavallerie zu fehlen. Sie ist nun einmal die einzige Waffengattung, die für Patrouillen und schnelle Aufklärung geeignet ist. Jedes Camp und jedes Fort schreit nach mehr Kavallerie.“
„Yeah, und uns schickt man nach Lyon“, brummte Heller.
„Unde man hat genommen uns die schöne Smith-Karabiners“, meldete sich Luigi zu Wort. Ich nix verstehe, warum, Sergente. Iste gute Waffe.“
„Ist sie, Luigi, aber für die Smith-Karabiner braucht man Spezialmunition und die gibt es nicht überall“, erklärte Mark bereitwillig. „Munition für die Sharps hingegen schon, und deswegen hat man uns die Smith abgenommen und dafür die Sharps gegeben.“
„Ja, iste gute alte Waffe“, seufzte der Hornist. „Mit gute alte Papierpatronen. Iste nix gut, ich sage.“
„Im Winter haben die Papierpatronen auch ihre Vorteile gegenüber den neuen Metallpatronen, und separate Zündhütchen brauchen wir für beide Ausführungen.“ Heller warf Luigi einen mahnenden Blick zu. „Und jetzt hör auf zu nörgeln, du verdammter Italiener! Genieße die Landschaft und den netten und behaglichen Ritt. Ist immer noch besser, als sich mit den Rebs herumzuschlagen.“
„Geeker gibt Zeichen, Sarge“, würgte Mark jede weitere Diskussion ab. „Er hat wohl einen geeigneten Platz gefunden.“
Corporal Geeker und sein Kamerad hatten die Pferde gezügelt und Geeker wies mit dem Lauf seines Karabiners in Richtung des Flusses.
Mark gab das Signal und wenig später erreichte die Abteilung den Platz, den der Corporal ausgesucht hatte.
„Guter Mann“, lobte Heller nach kurzem Rundblick. „Dicht am Ufer, aber viele Sträucher und Büsche, die uns ein wenig Schutz vor dem Wind und vor Sicht bieten. Und Knüppelholz liegt ebenfalls genug herum.“
Mark lächelte. „Und am Ufer findet Tanner sicher genug Steine für sein vorgewärmtes Nachtlager.“ Der junge Lieutenant räusperte sich.
Jim Heller wusste, dass dies ein Zeichen der Unsicherheit des jungen Offiziers war und ahnte auch den Grund. Er senkte ein wenig die Stimme: „Ich denke, wir können ruhig Feuer machen, Sir. Eine warme Mahlzeit und heißer Kaffee wird uns allen gut tun und ich glaube nicht, dass sich irgendjemand mit einer ganzen Kompanie Kavallerie anlegen will.“
Mark nickte dankbar und wandte sich im Sattel um. „Wir schlagen hier unser Nachtlager auf. Sucht ausreichend Feuerholz für die Nacht. Aber versorgt zuerst die Pferde, dann kümmert euch um euch selbst. Sergeant, die übliche Wache.“
„Sir.“ Heller befahl der Kompanie abzusitzen und forderte Freiwillige für die erste Wache. Bei der sogenannten Ronde würde es keine Probleme geben, aber für die Hundewache, in welche die Zeit vor dem Morgengrauen fiel, gab es sicher nur wenige Bewerber. Sie war die anstrengendste von allen und verlockend für jeden Feind, da einen Soldaten dann am wahrscheinlichsten die Müdigkeit übermannte und seine Aufmerksamkeit nachließ, während das Zwielicht alle Konturen verwischte und es schwer machte, einen Angreifer zu entdecken.
Jim Heller kannte seine Leute. Während die ersten acht Männer ihre Posten einnahmen, trat er zu dem Deutschen Hermann. „Du meldest dich für die Hundewache, Private.“ Hermann verdrehte die Augen und Heller grinste breit. „Du hast dich oft genug vor ihr gedrückt. Also, ziere dich nicht und lass heute mal einen Kameraden schlafen.“
Der Deutsche seufzte ergeben. Heller war ein harter Knochen, aber er war auch absolut gerecht.
Mark und die Sergeants achteten akribisch darauf, dass sich die Männer zuerst um ihre Pferde kümmerten. Es gab immer wieder uneinsichtige oder säumige Kavalleristen, die nicht begriffen, wie sehr ihr Leben vom Wohl der Tiere abhing. Die Männer der „H“-Kompanie gehörten nicht dazu, dennoch konnte es sein, dass mal einer eine Kleinigkeit übersah, die fatale Folgen haben konnte.
Die Pferde wurden getränkt, dann wurde ihnen der Futtersack über den Hals gehängt. Die Reiter überprüften die Hufe auf lose Eisen, damit man diese notfalls ersetzen konnte. Ebenso aufmerksam untersuchte man Zaumzeug und Sattel auf beschädigte Gurte oder Riemen und kontrollierte jede Schnalle. Die Pferde trugen die standardmäßige graue Satteldecke und darüber den bewährten McClellan-Sattel. Die Armee hatte diesen, wie der Name bereits verriet, nach dem Entwurf von General McClellan entstandenen Sattel, ab dem Jahr 1859 für alle berittenen Einheiten beschafft. Es war eine schlichte Konstruktion, die alle Erfordernisse der Armee erfüllte, auch wenn sie sich als nicht besonders gesäßfreundlich herausstellte, da der Sattelrücken, zur Schonung der Wirbelsäule des Pferdes, in der Mitte offen war. Es gab Riemen und D-förmige Ringe, mit deren Hilfe man Mantel- und Deckenrolle befestigen oder Taschen einhängen konnte. Eine spätere Ausführung würde 1874 auch das Einhängen des Säbels ermöglichen, der bis dahin am Koppel des Reiters hing. An Stelle der zivilen Steigbügel verfügte der McClellan über breite Bügelschuhe, in die der Stiefel mit dem vorderen Teil eingestellt wurde. Stürzte ein Reiter, so konnte sich sein Stiefel nicht im Steigbügel verfangen. Die Sättel der Artillerie wiesen zusätzliche Ringe und Ösen auf, um die Leinenführung von Zugpferden zu gewährleisten.
Kompanie „H“ bewegte sich im Kriegsmarsch, was unter anderem bedeutete, dass die Pferde über Nacht nicht abgesattelt wurden und man nur die Gurte lockerte, damit sie rasch wieder verfügbar waren.
Die ersten Kavalleristen, die ihre Pferde versorgt und an einer rasch aufgespannten Halteleine angebunden hatten, kümmerten sich um das Anlegen der Feuerstellen und das Sammeln von Holz. Man würde die Feuer auch während der Nacht unterhalten, damit sie am Morgen rasch für den Kaffee verfügbar waren.
Jim Heller beobachtete den jungen Offizier verstohlen. Er mochte den Jungen. Mark stammte aus einer Soldatenfamilie und war kein verzogener Bursche. Er hatte von seinem Vater, dem Major Matt Dunhill, viel über die verschiedenen Indianerstämme gelernt und sog jedes Wissen begierig in sich auf. Der ehemalige Fallensteller hatte nicht viel Erfahrung mit Offizieren, doch er hatte sich immer wieder mit Captain Larner unterhalten, der ihm berichtete, dass es gelegentlich frische Absolventen der Militärakademie in West-Point gab, die so überzeugt von ihrem theoretischen Wissen waren, dass sie den Rat eines erfahrenen Mannes in den Wind schlugen. Vor allem, wenn dieser auch noch im Rang unter ihnen stand. Mark gehörte nicht dazu. Er hatte das Zeug dazu, ein guter und, vor allem, alter Offizier zu werden. Die meisten der Männer folgten ihm bereitwillig, denn sie spürten, dass der Lieutenant sie nicht sinnlos verheizen würde, um Ruhm für sich zu ernten.
Überhaupt war Heller mit den Männern der Kompanie sehr zufrieden. Es gab die üblichen Nörgeleien, aber keine Querulanten, und inzwischen war die Truppe zu einer erfahrenen Gemeinschaft zusammengewachsen.
Jim Heller schätzte die Unabhängigkeit seines früheren Lebens und hatte sich eher schweren Herzens für den Dienst in der Armee entschieden. Auch wenn er nun sehr auf Disziplin achten musste, so schätzte er die unnachgiebige Strenge und manchmal Schikane nicht, die gelegentlich in den Truppen ausgeübt wurde. Mancher Soldat suchte, unabhängig vom Rang, in den einsamen Stützpunkten an der Indianergrenze, auch in Antwort darauf, Zuflucht beim Alkohol. Bislang war die „H“-Kompanie davon verschont geblieben. Obwohl Heller durchaus ein oder zwei Whisky schätzte, würde er dafür sorgen, dass es so blieb.
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