„Der Mann hat recht“, knurrte der Town Mayor verdrießlich. „Wenn die Cheyenne und Arapahoe auf unsere Skalps aus sind, dann werden die paar Soldaten in den Forts sie nicht davon abhalten. Wir bräuchten dringend mehr Truppen, Sir, um die Roten im Zaum zu halten.“
„Jetzt sind die Roten in ihren Winterlagern“, sagte der Mann in Leder. „Da werden sie ruhig bleiben. Aber wie es dann im Frühjahr aussieht …? Wer weiß das schon?“
„Eine gewisse Demonstration der Stärke würde ihnen gewiss zeigen, dass ein Aufstand nur zu ihrer Niederlage führen kann.“ Der Gouverneur war verunsichert. Vor den Goldfunden in Colorado war das Verhältnis zwischen Weißen und Roten relativ freundlich gewesen. Aber dann strömten die Glücksritter ins Land und mit dem neuen Vertrag waren die Jagdgründe der Indianer deutlich verkleinert worden. Die gelegentlichen Übergriffe einzelner Krieger und kleiner Gruppen zeigten, dass es unter den Stämmen gärte.
„Ich könnte natürlich ein drittes Freiwilligenregiment aufstellen lassen“, meinte er zögernd. „Zwar nur für einen begrenzten Zeitraum, aber das würde vielleicht ausreichen, um den Stämmen unsere Macht zu demonstrieren.“
„Ein Hundert-Tage-Regiment?“, fragte der Town Mayor nach.
„Die beste Lösung“, antwortete der Gouverneur. „Würde ich ein Regiment für ein oder drei Jahre verpflichten, dann könnte Washington versucht sein, es in den Kampf gegen den Süden zu schicken. Ein Hundert-Tage-Regiment ist jedoch für die Kriegsführung gegen die Rebellen uninteressant.“
Der Mountain Man grinste breit. „Für den Kampf gegen die Dixie-Boys würden sich sicherlich auch weniger Freiwillige finden lassen als für den Kampf gegen die Roten.“
„Was wollen Sie damit sagen?“ Die Stimme des Bürgermeisters klang leicht verärgert.
„Dass einige Leute die Rebellen für wesentlich gefährlicher halten als die Roten“, kam die lakonische Entgegnung. „Wobei ich anderer Meinung bin, Mister. Es ist etwas anderes, einem Feind in offener Schlacht gegenüber zu treten, als gegen einen Gegner zu kämpfen, der jede Schliche kennt und jede Deckung nutzt, und der überdies zu den besten Reitern gehört, von denen man jemals gehört hat.“
„Wohl kaum besser als Stuarts Rebellenreiterei“, sagte der Major verächtlich. „Und die jagen wir inzwischen zu Paaren.“
„Stuarts Dixie-Boys verspeisen die Cheyenne zum Frühstück“, knurrte der ehemalige Fallensteller. „Und wenn es sein muss, sogar auf nüchternen Magen.“
„Hundert-Tage-Freiwillige … Die Zeit reicht kaum, um die Männer zu ordentlichen Soldaten auszubilden“, gab der Gouverneur zu bedenken.
„Sie müssen auch keine besonders guten Soldaten werden.“ Der Town Mayor wippte leicht auf den Fersen und lächelte. „Es reicht, wenn die Männer reiten und schießen können und den Roten Angst einflößen.“
Der Trapper nickte. „Wenn Sie eine unerfahrene Truppe aufstellen, Sir, dann kann ich Ihnen nur raten, dass Sie auf jeden Fall einen erfahrenen Kommandeur einsetzen, damit die Leute keinen Unfug anstellen. Auch einfache Kerle werden vielleicht kämpfen können, wenn es darauf ankommt, aber sie sollten einen Boss haben, der ihnen sagt, wann ein Kampf angebracht ist und wann nicht.“
„Nun ja“, brummte Evans, „das künftige Regiment soll ja keinen Indianerkrieg entfachen, sondern ihn durch seine Präsenz verhindern, nicht wahr? Aber ich denke, ich hätte den richtigen Mann für diese Aufgabe. Ein gottesfürchtiger Mann, der die Sklaverei aus tiefster Seele hasst und sich am Glorieta-Pass bereits gegen die Rebellen bewährt hat.“
„Chivington“, entfuhr es dem Major und dem Bürgermeister gleichzeitig.
Evans nickte lächelnd. „Ein erfahrener und besonnener Mann, und dennoch mit genügend Feuer. Er hat den Tross der Konföderierten vernichtet und so dafür gesorgt, dass sie sich zurückziehen mussten.“
„Nun, dann wäre das ja wohl geklärt“, meinte der Town Mayor beruhigt. „Sie stellen die 3rd Colorado Volunteer Cavalry für hundert Tage auf und übertragen Colonel Chivington das Kommando.“
„Ich denke, damit haben wir eine gute Lösung gefunden.“ Evans lehnte sich zufrieden in die Polster der Kutsche zurück. Obwohl er gläubig und durchaus bibelfest war, ahnte er nicht, dass er schon bald den sprichwörtlichen Wolf unter die Lämmer lassen würde.
Kapitel 4 Das Wort des Herrn
John Milton Chivington, im Jahr 1821 in Ohio geboren, war ein Mann, der mit dem Wort Gottes aufgewachsen war und der den Beruf des Methodisten-Pfarrers aus voller Überzeugung gewählt hatte. Man sagte ihm nach, in seiner Stimme läge der Donner des Herrn und in seinen Blicken die Flammen des Schwertes des Erzengel Gabriel, wenn er wider die gottlosen Heiden und Sünder predigte. Manchen Gläubigen war er ein wenig zu feurig, dennoch konnte sich kaum einer der Ausstrahlung von Father Chivington entziehen.
Chivington war ein Gebietsreiter, dem keine eigene Gemeinde unterstand. Er wechselte zwischen ihnen und sprang dort ein, wo ein Prediger fehlte, oder nahm die mühselige Aufgabe auf sich, neue Methodisten zu missionieren, wobei die Farbe der Haut keine Rolle spielte. Er war zunächst in Illinois, dann in Missouri tätig. Im Jahre 1853 nahm er an einer Expedition nach Kansas teil, um die dort lebenden Wyandot-Indianer zu missionieren.
Er war gleichermaßen geachtet wie auch gefürchtet, denn wer gegen die Gebote des Herrn verstieß, den traf sein Zorn, ungeachtet der Stellung des Betreffenden. Doch bei aller Strenge kümmerte er sich zugleich rührend um jene, die seiner Hilfe bedurften. Familien, die durch ein Unglück in Not geraten waren oder auch jene Strauchelnden, die an der Allmacht des Herrn zu zweifeln begannen, da sie einen geliebten Menschen verloren hatten. Jetzt, in den Jahren des entsetzlichen Bürgerkrieges, gab es viel zu viele Gemeindemitglieder, die einen solchen Verlust zu beklagen hatten.
Schon 1855 hatte manche feurige Predigt den Sklavenhaltern gegolten, die sich von Gott abwandten und seine Schöpfung in Ketten legten. Schließlich sei auch der Neger ein Teil der Schöpfung und ein im Grunde freies Wesen. Auch dem Neger habe Gott, der Herr, in seiner unendlichen Güte, die Möglichkeit des freien Willens gegeben. Jenes freien Willens, der den Menschen befähige, sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden. Natürlich seien die Schwarzen sehr schlichte Kreaturen, doch stehe es außer Zweifel, wie sehr sie dem Wort des Herrn zugetan seien. Manchmal wünsche er sich, die Schafe seiner Herde würden ihre Stimmen mit der gleichen Inbrunst zum Herrn erheben, wie dies bei den Gesängen dieser einfachen und gottesfürchtigen Menschen geschehe. Es sei nicht rechtens, dass es sich die sogenannten „Gentlemen aus dem Süden“ herausnahmen, die armen schwarzen Brüder und Schwestern in Ketten zu legen und ihnen den selbstbestimmten Weg zu verweigern.
Chivingtons nahezu fanatische Überzeugung führte schließlich dazu, dass er Drohbriefe erhielt, weswegen ihn die Methodistenkirche im Jahr 1856 nach Omaha, im Unionsstaat Nebraska, versetzte. Als die Goldfunde in Colorado bekannt wurden, entschloss man sich, den feurigen Prediger zum Gemeindeältesten des Rocky-Mountain-Distrikts zu machen. So siedelte Chivington mit seiner Familie nach Denver City um. Auch hier zeigte er sich als entschiedener Gegner der Sklaverei und es spielte für ihn keine Rolle, ob der Sklavenhalter im Norden oder Süden lebte. In Father Chivingtons Gemeinde gab es keine solchen Sünder und er achtete mit Argusaugen darauf, dass es so blieb.
Das Jahr 1862 bewirkte dann eine Veränderung in dem wortgewaltigen Mann.
Im März hatten sich rund elfhundert Mitglieder einer konföderierten Truppe unter Major Pyron über den Santa Fe Trail bewegt und waren in Richtung des Glorieta Passes vorgestoßen. Ihr Ziel war das New Mexico Territorium.
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