Der befreundete Arapahoe spielte auf jene südlichen Cheyenne an, die nicht an den Frieden mit den Weißen glaubten und ein eigenes Lager, rund achtzig Kilometer nördlich, unterhielten.
Black Kettle, der in seinem Volk auch Moxtaveto genannt wurde, war im Jahr 1803 geboren worden. In seinem ereignisreichen Leben war er vom Krieger zum obersten Häuptling der südlichen Cheyenne aufgestiegen. Man schätzte seine Erfahrung und Weisheit, doch in den letzten Jahren stieß er zunehmend auf den Widerstand jener Cheyenne, die ihn nicht weiter auf dem Weg des Friedens begleiten wollten. Ein Zeichen hierfür war auch die Teilung der Stämme in zwei getrennte Winterlager. Auch wenn das von Black Kettle das größere war, so schmerzte es dennoch, dass sie die Unbilden des Winters nicht gemeinsam teilen würden.
Der alte Häuptling der Cheyenne nickte bedächtig. „Ein gemeinsames großes Lager wäre mein Wunsch gewesen, mein Freund, doch ich will jene nicht zwingen, die dem Wort der Weißen nicht vertrauen. Immerhin teilen sie die Beute ihrer Jagdausflüge mit uns.“
„Die Unruhen dieses Jahres haben uns Zeit und Leben gekostet“, stellte White Antelope fest. „Statt den Büffel zu jagen, war mancher Krieger lieber hinter den Skalps der Eindringlinge her. Hätten sie stattdessen Wild gejagt, so hätten wir genug Vorräte und der Frieden wäre gesichert. So unsicher dieser Frieden letztlich auch sein mag.“
Black Kettle legte dem Freund für einen kurzen Moment die Hand an die Schulter. „Mancher Krieger versteht nicht, warum wir den letzten Vertragsbruch der Weißen hinnehmen müssen. Dass der weiße Mann einfach zu stark ist, um ihm auf Dauer zu widerstehen.“
„Ja, mancher denkt, dass du dich den Vejohs unterwirfst.“ Der jüngere Häuptling benutzte einen Begriff für die Weißen, der bei den Siouxstämmen und Cheyenne durchaus üblich war.
„Wir müssen den Frieden bewahren, sonst wird unser Volk untergehen.“
„Auch ich bin für den Frieden“, versicherte White Antelope. „Doch was sollen wir tun? In diesem Jahr waren es weniger Büffel als in den Jahren zuvor, und ich sage dir, im kommenden Jahr werden es noch weniger sein. Es gibt immer weniger Büffel und immer mehr weiße Männer.“
Sie beobachteten eine Handvoll Frauen, die eine große Gruppe Kinder beim Ballspiel beaufsichtigten. Die meisten Squaws widmeten sich den Arbeiten, die dringend vollendet werden mussten. Sie suchten nach Feuerholz, besserten Zelte und Kleidung aus und nähten an warmen Winterjacken. Häute wurden gegerbt, Leder weich gekaut und in den Wäldern nach Kräutern, essbaren Pflanzen und Wurzeln gesucht. Hagebutten und Eicheln gehörten zu den begehrtesten Wintervorräten, da sie reich an Nährstoffen waren. Mit etwas Glück konnten die hier versammelten Stämme den Winter überstehen, doch die Jäger würden unentwegt für Nachschub sorgen und dafür immer weitere Strecken zurücklegen müssen.
„Immer mehr weiße Männer“, sinnierte White Antelope. „Sie sind eine Flut, die wir aufhalten müssen.“
„Eine Flut, die wir nicht aufhalten können. Wir haben es versucht. Ja, wir haben es oft versucht. Immer wieder konnten wir die Eindringlinge von unserem Land vertreiben und immer wieder kehrten sie mit ihrer Armee zurück. Ich glaube nicht, dass wir sie wirklich noch aufhalten können. Nein, wir müssen lernen, mit den Weißen zu leben, uns ihnen anpassen. Entweder schwimmen wir mit dem Fluss oder wir ertrinken.“
„Deine Worte gefallen mir nicht“, gab Chief White Antelope zu. „Das klingt nicht nach dem Black Kettle, den ich kenne.“
„Es ist noch derselbe Black Kettle, doch er ist klüger geworden und sucht den Weg des Friedens. Unser Volk wird nur überleben, wenn wir uns mit den Weißen arrangieren.“
Black Kettle war nicht besonders groß, und hager. Das Gesicht mit der kupferbraunen Haut zeigte die scharf geschnittenen Züge, wie sie bei den Cheyenne und Sioux so typisch waren. Das Alter hatte seine Falten hinterlassen und in den schwarzen Haaren waren graue Strähnen zu erkennen. Wie alle Cheyenne und Sioux trug Black Kettle sie zu zwei langen dicken Zöpfen geflochten, die er mit roten Bändern schmückte. Seinen Körper zeichnete manche Narbe und es bewies, dass der alte Chief ein bewährter und erfahrener Krieger war. So erfahren, dass er sich scheute, sein Volk in ein sinnloses Blutvergießen zu schicken.
Der Alte legte erneut die Hand an die Schulter seines Freundes. „Vor einigen Jahren fanden die Weißen Gold in unserem Land, welches sie Colorado nennen. Du weißt, mein Freund, dass dieses Gold ihre Sinne ebenso benebelt wie uns der Alkohol. Ihre Gier danach kennt keine Grenzen. Du weißt, was die Folge war.“
„Jeder weiß das“, knurrte White Antelope. „Sie strömen in unser Land und nichts scheint sie aufhalten zu können. Noch vor wenigen Jahren war Julesburg nur ein Haltepunkt der Pferdekutschen. Jetzt leben dort fast hundertfünfzig Weiße und bauen ihre hölzernen Tipis. Dort entsteht auch ein Lager der Langmesser und Marschiereviel.“
„Der große weiße Vater in Washington nannte es Camp Rankin“, bestätigte Black Kettle nachdenklich.
„Vor nur zwei Jahren hat man Denver City gegründet. Eine weitere Stadt in unserem einstigen Stammesgebiet, welches sie jetzt Territorium nennen. Dort sollen sogar Sechstausend der Weißen leben. Es werden immer mehr. Immer mehr. Für jeden von ihnen, den wir erschlugen und dem wir den Arm abschnitten, kamen ein Dutzend andere. Und wenn wir auch diese besiegen, dann kommt die Armee mit ihren Marschiereviel, den Wagenkanonen und den langen Messern. Sie zwingen uns ihre Verträge auf.“ Der junge Chief wies um sich. „Unser Land hat kaum noch ein Achtel seiner einstigen Größe und nun führt eine ihrer Straßen durch unser altes Stammesgebiet.“
„Doch wir leben in Frieden. Das hat mir der große weiße Vater in Washington versichert und ebenso der kleine weiße Vater in Denver City.“
Im Jahr 1851 hatte man mit den Cheyenne und Arapahoe einen Vertrag abgeschlossen, der ihnen ihr Stammesgebiet garantierte. Doch der Weiße breitete sich aus und nach dem Oregon Trail im Norden und dem Santa Fe Trail im Süden, entstand der Smoky Hill Trail, der mitten durch das Stammesgebiet führte und Kansas und Colorado verband. Er kürzte den Weg für die zahlreichen Siedler und Glücksritter ab, die es nach Westen zog. Doch die Verletzung des Vertragsgebietes führte zu Angriffen wütender Krieger auf vereinzelte Weiße und kleine Gruppen. Es drohte ein weiterer Indianerkrieg. So hatten Washington und die Armee eingegriffen. Jedoch nicht, indem sie den bestehenden Vertrag schützten, sondern, indem sie ihn für ungültig erklärten und den Indianern einen neuen aufzwangen. Im Vertrag von 1861 war das Vertragsgebiet erheblich verkleinert worden und der Smoky Hill Trail verlief nun außerhalb des aktuellen Stammesgebietes.
Präsident Abraham Lincoln hatte Black Kettle und eine Abordnung der Cheyenne und Arapahoe nach Washington eingeladen. Dort erhielt der oberste Häuptling der südlichen Cheyenne eine US-amerikanische Flagge und sein Freund White Antelope einen goldenen Friedensorden.
Mancher Krieger war jedoch bitter enttäuscht, dass Black Kettle mit Abschluss des neuen Vertrages den Bruch des alten akzeptierte. So war es in diesem Winter zu zwei getrennten Lagern gekommen. Manche Familie war sogar zu den nördlichen Cheyenne gezogen, um künftig dort zu leben.
White Antelope seufzte vernehmlich. „Der neue Vertrag von 1861 nimmt uns zu viel von unseren angestammten Jagdgründen, Black Kettle. Hätten sie noch ihre alte Größe, so bräuchten wir uns um die Vorräte für den Winter keine Sorgen machen.“
„Dem stimme ich zu, mein Freund. Doch der Soldatenhäuptling in Fort Lyon ist ein guter Mann. Major Wynkoop schützt uns mit seinen Männern und er hat auch versprochen, dass wir Decken und Lebensmittel von der Regierung erhalten werden.“
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