„Was?“, fragte ich verwirrt und sah ihn an.
„Ich hab so eine Vermutung“, sagte er und sah mich offen an.
„Nicht du auch noch.“ Ich verdrehte die Augen, weil ich schon dachte, er würde mir auch irgendwas anhängen wollen, von dem ich selbst nichts wusste.
„Ich meine nicht über dich, sondern über sie.“
„Ach echt? Und die wäre?“
„Ich glaube, sie könnte ein Empath sein. Das unter Wächtern eine gern gesehene Fähigkeit und man hat echt Glück, sie zu tragen.“
„Empath wie Emphatie?“
„Genau. Sie fühlt Dinge, die andere fühlen.“
2
Für einen Moment musterte ich meinen Wächter nur verwirrt. „Und was genau soll das mit ihrem Ausraster zu tun haben?“ Itjen zuckte nur mit den Schultern, sagte aber nichts mehr dazu. Immer noch leicht irritiert, wandte ich mich Elias zu. „Tut mir leid, was sie gesagt hat. Ich habe keine Ahnung, was mit ihr los ist.“
„Schon in Ordnung. Sie ist nicht die Erste, die mich nicht mag.“ Er lächelte amüsiert.
„Trotzdem war das wirklich unhöflich. Ich werde mit ihr reden. Das geht nicht. Wenn sie erst weiß, wie sehr du Deaken geholfen hast, wird sie bestimmt netter zu dir sein.“
Elias zuckte mit den Schultern und nippte an seinem Kaffee. „Mmm, der schmeckt seltsam anders“, meinte er und schielte argwöhnisch auf seine Tasse hinab. Ich trank einen Schluck Cola und nahm mir das zweite Sandwich. „Schön dass du keine Probleme mit sabbernden Elfen hast“, feixte er.
Ich prustete los und hätte beinahe den Bissen vom Brot wieder ausgespuckt. „Was?“, fragte ich lachend, nachdem ich geschluckt hatte und schaute ihn stirnrunzelnd an. Er wies nur auf das Glas vor mir. Ich musterte es, dann die zwei auf dem Tablett, dann machte es klick. Ich verdrehte die Augen. „Hast du was Ansteckendes?“, fragte ich und zog die Augenbrauen hoch.
„Nicht dass ich wüsste“, kicherte er und hob wieder grinsend den Kaffee an die Lippen.
„Na dann“, gab ich ihm zurück, hob das Glas erneut und trank einen zweiten Schluck. Er schüttelte leicht den Kopf, lächelte breit, sagte aber nichts mehr. Wir aßen schweigend den Rest und ich teilte den Pudding, der für Lia gedacht gewesen war, mit Itjen. Er verabschiedete sich bald darauf und verschwand. Kurz überlegte ich, was ich jetzt tun sollte, dann entschied ich, auch eine Dusche zu nehmen und anschließend Elias das Haus und das Gelände zu zeigen.
„Ich brauche ein bisschen Zeit für mich, willst du auch duschen, oder so? Wir haben sicher auch ein paar passende Sachen für dich, irgendwo“, fügte ich an und musterte ihn abschätzend.
„Ja, keine schlechte Idee“, meinte er und stand auf. „Aber wo?“, fragte er dann und sah sich um.
„Nicht hier jedenfalls“, meinte ich feixend.
„War mir klar. Wir müssen aber irgendwo Feuer machen.“
„Feuer? Für was?“
„Für das Wasser? Kalt duschen ist zwar nicht schlecht, aber nicht bei dem Wetter.“ Er nickte nach draußen. Ich folgte seinem Blick, dann wurde mir klar, was er meinte.
Ich musste lachen. „Ach Elf. Komm mal mit, ich zeig dir was.“ Ich führte ihn in den Professorenflügel und hinauf in den vierten Stock zu den Gästezimmern. Dort öffnete ich eine Tür an der - bis jetzt - noch kein bewohnt Schild prangte und führte ihn in das Badezimmer. Sein Mund klappte auf, als er den prunkvollen Raum betrat.
Ich durchquerte das Zimmer und setzte mich auf den Rand der Wanne. „Komm her“, wies ich ihn an und er setzte sich neben mich. „Hier.“ Ich drehte zuerst das Wasser auf und dann am Regler für warm und kalt. Dampf stieg auf, als heißes Wasser floss. Er wollte gerade die Hand ausstrecken, da hielt ich ihn zurück. „Nicht, das ist verdammt heiß. Aber so stellst du es ein.“ Ich drehte den Regler wieder zurück, sodass nun angenehm warmes Wasser kam. „Jetzt“, sagte ich und nickte zum Hahn.
Er streckte die Hand aus und ein anerkennender Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Ein guter Zauber. Wie geht der?“, wollte er wissen und sah mich aufrichtig neugierig an.
Ein Grinsen unterdrückend machte ich ihm klar, dass das kein Zauber war und fügte an: „Das wäre jetzt zu viel, um es zu erklären. Kurz und knapp, das Wasser kommt schon so bei uns an. Mit dem Regler dort kannst du es so einstellen, dass sich Kaltes und Warmes mischen wie du es willst.“ Dann drehte ich den Knopf, der den Abfluss verschloss. „Hier kannst du die Wanne verschließen. Wenn du andersherum drehst, geht sie wieder auf und das Wasser fließt ab. Du kannst also auch baden, wenn du möchtest.“
„Prima. Das gefällt mir noch besser“, sagte er und strahlte.
„Schön. Ich suche jemanden, der Sachen für dich hat. Und lass die Finger von den Geräten mit Kabel dran. Oder besser von allem, was du nicht kennst“, fügte ich an und musterte ihn erneut kurz abschätzend. Dann schaute ich mich um, stand auf und ging zum Waschtisch. „Hier sind Handtücher zum Abtrocknen und ...“ Ich musterte ihn abermals. „Benutzt ihr so was wie Duschbad? Bestimmt nicht, oder?“
„Wenn du Seife meinst, so was haben wir auch.“ Er lächelte frech.
„Ja, nein. Ich meine so was Ähnliches. Ich glaube, normale Seife gibt’s hier gar nicht. Aber schau mal die Flaschen dort.“ Ich deutete auf verschiedene Duschbäder. „Das wo For Men draufsteht, kannst du nehmen. Das ist für Männer.“ Ich ging darauf zu, nahm eins und roch daran. „Igitt. Nein, das nicht.“
Er lachte. „So schlimm?“
„Oh ja.“ Ich nahm ein anderes und roch auch an dem. Laut Etikett sollte es nach Wald duften. Mein Blick flog zu Elias, der mich abwartend ansah. Er roch ja schon nach Wald und das nicht mal schlecht. „Hier. Das wäre vielleicht was“, sagte ich unschlüssig und reichte es ihm.
Auch er roch daran und schaute dann wieder zu mir. „Soll das nach Bäumen riechen?“
„Mhhm“, bejagte ich kleinlaut.
Er stellte es weg und meinte: „Ich denke, es geht auch ohne.“
„Denke ich auch“, stimmte ich immer noch sehr leise zu und war in Gedanken bei dem Moment in Helmstedts Haus. Schon da hatte er mich seltsam eingeschüchtert. Ich fasste mich. „Also, ich geh dann mal jemanden suchen, wegen Klamotten und so. Du musst abdrehen, wenn die Wanne voll ist. Verbrenn dich nicht“, sagte ich hastig, dann verließ ich Bad und Gästezimmer. Im Augenwinkel hatte ich ihn noch grinsen sehen können.
Professor White kam mir in der Bibliothek entgegen, in seiner Hand erkannte ich Mays Mobiltelefon. „Was ist passiert? Wieso bist du hier? Wo sind die Professoren Rivers?“, fragte er aufgeregt.
Schnell erzählte ich ihm alles, wobei er große Augen bekam, als ich von Elias berichtete. Ich bat ihn darum, Kleidung für den Elfen zu suchen, und beschrieb ihm seine Statur. Er nickte und wir trennten uns. Duschen und Lia suchen waren meine nächsten Punkte. Lia fand ich zuerst. Sie saß bei Dyllan auf dem Sofa und schaute fern.
Sein Blick schoss zu mir und er selbst hoch, als ich kam. „Fay!“, rief er freudig und nahm mich fest in die Arme. „Wie geht’s dir? Was hast du gemacht? Du musst mir alles erzählen!“, fragte und forderte er zeitgleich.
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