Er hielt die Decke fest und betrachtete erst sie, dann mich. Ich zitterte. Nun würde dieses Mädchen bestraft werden.
Er hob den Stoff hoch, und in diesem Moment überkam mich große Freude, da ich glaubte, er würde mich in seiner Güte zudecken, um mich vor den Augen der anderen zu schützen. Womöglich hatte meine Tirade ihn beeindruckt, und es tat ihm leid, wie hartherzig er mich behandelt hatte; womöglich wollte er sich nun darum bemühen, es wiedergutzumachen, nachdem ich Reue und Mitgefühl in seiner kalten Brust erweckt hatte. Womöglich zeigte er sich jetzt bewegt wegen meiner Liebe für ihn und fühlte sich bemüßigt, mir ebenfalls Zuneigung und Wärme angedeihen zu lassen, überwältigt von Dankbarkeit und Zärtlichkeit sowie dem Wert und Gewicht dieses Geschenks.
Ich schaute ihn verliebt an, dann legte er mir die Decke auf den Kopf und befestigte sie mit einem Stück Seil, das er mehrmals unter dem Kinn um meinen Hals wickelte, sodass ich abermals vermummt war wie in dem albtraumhaften Spiel. Anschließend stieß er mich zu seinen Männern.
Ich lag auf der Decke und zog sie fest an mich, weil ich fror. Nachdem ich nicht mehr weinen konnte, war ich mürrisch. Die Männer – meine Herren – schliefen. Ich lag zusammengekauert mit angezogenen Knien da.
Wie spät es war, wusste ich nicht. Die Monde standen noch am Himmel.
Ich hockte mich auf die Knie, ohne die Decke loszulassen, und schaute mich im Lager um. Mein ganzer Körper tat mir weh.
Um mein Bein zu begutachten, klappte ich die Decke zur Seite, blickte hinunter und rutschte ein wenig herum. Nun sah ich das Brandmal, welches meinen Körper zeichnete. Es war eine Blume, zierlich und anmutig. Ich konnte sie weder pflücken noch entfernen. Sie war in mein Fleisch eingeprägt. Man hatte sie mir mit einem heißen Eisen aufgebrannt, mich brüllen lassen unter dem verheerenden Stempel des Metalls. Für mich stand fest, dass ich mit diesem Zeichen schöner war als zuvor. Ich sah, dass es mich viel ansehnlicher machte. Generell zählt es zu den attraktivsten Merkmalen von Sklavinnen, aber so drastisch es mich auch verschönern mochte, so unwiderruflich markierte es mich auch als Leibeigene. Ich wünschte mir, fliehen zu können, und warf einen Blick auf den Dornenbusch. So oder so trug ich ein Brandzeichen; gab es für Mädchen mit einem solchen Stigma hier auf dieser Welt ein dauerhaftes Entkommen? Würde das Brandmal nicht auch weiterhin alles und jeden darauf hinweisen, leise wie beharrlich zu allen Zeiten und in jedem Augenblick, stündlich bei Tag und bei Nacht wispern, sobald jemand es erblickte: »Sie ist eine Sklavin«? Ein einziger Blick genügte wohl, um die Trägerin umgehend in Ketten zu legen und ihr einen Halsreif anzuziehen. Selbst wenn ich irgendwo Kleider stahl, blieb mir das Brandmal erhalten und wies mich aus. Angenommen jemand schöpfte Verdacht und lieferte mich freien Frauen aus, auf dass diese meinen Körper untersuchten, ohne Rücksicht auf meine Würde, solange meine Freiheit nicht bewiesen war: Würden sie mir nicht, sobald sie das Mal entdeckten – am Leib eines Mädchens, das sich als eine ihres hohen Standes, als freie Frau ausgibt – die Kleider vom Leib reißen, während ich noch um Gnade winselte, und mich entrüstet mit Peitschen in die Arme von Männern treiben, die mit ihren Fesseln auf mich warteten? Welche Flucht, welche Form von Freiheit mochte es für ein Mädchen mit Brandzeichen geben? Ich untersuchte es. Deutlich und eindrücklich markierte es mich als das, was ich nun unbestreitbar war … was man mir heute Nacht sehr genau demonstriert hatte … was jetzt der Wahrheit entsprach und sich nicht mehr abändern ließ: eben dass ich eine Sklavin war.
Das Mädchen von der Erde, eine Sklavin auf einem unzivilisierten Planeten, schmiegte sich in seine Decke.
Ich schaute nach oben. Auf einem der Felsen über mir kauerte ein Wachposten. Er achtete nicht auf mich.
Ich ließ den Blick an den Wänden und den Dornenbüschen entlangschweifen.
Dann setzte ich mich mit der Decke über den Schultern auf die Erde. Ich wusste, ich war eine Sklavin – gesetzmäßig und unabänderlich. Dies vermittelte mir das Brandmal, doch mich beschäftigte eine Frage, die tiefer schürfte als Rechtsangelegenheiten und Institutionen: War ich wirklich von ganzem Herzen eine Sklavin? Diese Frage beunruhigte mich sehr. Seitdem ich gebrandmarkt worden war, hatte ich äußerst gegensätzliche Empfindungen, was dies betraf. Mir kam es so vor, als ob ich versuchte, mich selbst zu begreifen; meine tiefsten Emotionen und Bedürfnisse. Bisweilen war ich drauf und dran, vor mir selbst zu kapitulieren und mir bewusst die schrecklichen Wahrheiten einzugestehen, die andauernd verleugnete Realität – zurückgehend auf eine Zeit, bevor der Mensch in Strohhütten oder Kalksteinhöhlen gelebt hatte – und die der lange unterdrückten Wesensart entsprachen. Ich wusste nicht, welche Neigungen latent in meiner genetischen Anlage schlummerten, unschickliche und unpässliche Veranlagungen in jener künstlichen Welt, wo ich in engen Grenzen konditioniert worden war: eine Wesensart die man, wie einen Baum in seinem Wuchs oder die Form eines Gesträuchs beschneiden und veröden lassen konnte. Vergiftete Saat geht nicht auf; keine Blume blüht, die in Säure getränkt wird. Mich beschäftigte die Frage nach der grundlegenden Beschaffenheit des Mannes und der Frau. Ich wusste nicht, wie man sie auf den Prüfstand setzen könnte, es sei denn durch Ehrlichkeit und anhand dessen, was zu persönlichem Glück führt.
Womöglich hätte ich nicht über derlei nachgedacht, wäre ich imstande gewesen, die Erinnerung an einen Vorfall zu verdrängen, der sich kurz vor dem Ende meines gezwungenen Vergnügenschenkens ereignet hatte. Ich war den Männern meines Herrn vorgeworfen worden. Einer nach dem anderen hatte sich an mir gütlich getan und mich verprügelt, bevor ich dem nächsten überlassen wurde. Man hatte mich herumgereicht wie einen Gegenstand. Streng war die Lektion, die sie mir erteilt hatten. Trotz Gnadengesuch und Geschrei wollte sich niemand meiner erbarmen; kein Interesse, keine Nachsicht wurde der ärmlichen Sklavin in ihrer Gewalt entgegengebracht. Dann aber, kurz bevor alles vorüber war, war es zu diesem seltsamen Ereignis gekommen, das mich jetzt immer noch verwirrte. Ich hatte weinend und mit vermummtem Kopf auf dem Rücken gelegen, um mich geschlagen und gezappelt; ich wurde festgehalten, ohne mich ihnen entziehen oder mich wehren zu können, rigoros gezüchtigt von dem Wüstling, dem man mich zuletzt gegeben hatte – und da passierte es: Ein unbeschreibliches Gefühl tat sich mit einem Mal in mir auf. Zuerst erschien mir das, was mir angetan wurde, als passend, so unglaublich dies klingen mag. Ich war Männern gegenüber herablassend und arrogant gewesen; wie also sollten sie eigentlich – solche Männer, Männer auf einer Welt wie dieser – meiner Einschätzung nach darauf reagieren? Während er mich mit aller Gewalt züchtigte, dachte ich mit Befremden bei mir: Das geschieht dir recht. Unter dem Tuch bekam ich fast keine Luft. Dann staunte ich über mich selbst, da ich das Vergnügenschenken willkommen hieß. Über die Ahnung hinaus, dies sei schicklich, weil ich einsah, dass ich als Frau starke Männer verärgert und deshalb eine Strafe verdient hatte, bekam ich einen deutlichen Begriff von wechselseitiger Ergänzung: Die Dinge, die er mir angedeihen ließ, standen ihm zu, so er sie für angemessen hielt, wohingegen es mir oblag, sie zu erdulden. Er war ein Mann, ich eine Frau, er war dominant, ich nicht, ihm gebührte die Herrschaft, mir die Unterwerfung. Obwohl ich in jenen Augenblicken erniedrigt und geschunden wurde, erfuhr ich in einer Woge der Begeisterung eine primitiv organische, animalische Zweisamkeit, die gegenseitige Ergänzung von Mann und Frau: einen Dualismus, der über Mythologie und Phrasendrescherei hinausgeht: die Wechselwirkung desjenigen, der besitzt zu derjenigen, die genommen wird, oder des Eigners und Habenden zu derjenigen, die sein Hab und Eigentum ist beziehungsweise dazu gemacht wird. Daraufhin stieß ich unter der Haube einen freudigen und gleichzeitig kläglichen Schrei aus, bäumte mich im Sand auf, soweit ich konnte, und klammerte mich an ihn; ich spürte, dass ich mit seinem Körper verbunden war, und wie sich mein eigener plötzlich, als verfüge er über einen eigenen Willen, im Krampf mit seinem vereinte. Ich war außerstande, die Reflexe zu kontrollieren, die er in mir ausgelöst hatte. Sprunghaft und explosionsartig überkamen sie mich. Ich krallte mich hilflos an ihm fest; ich war sein!
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