Seine Augen ruhten auf mir.
Wütend, doch mit ohnmächtigem Zorn, dem sinn- und zwecklosen Groll einer Sklavin, drückte ich meine Lippen abermals an den Becher, dieses Mal noch fester und länger.
Dann streckte ich ihn zum dritten Mal aus.
Endlich nahm er ihn entgegen.
Ohne mich weiter zu beachten, drehte er sich nach links zu einem Trinkgenossen um. Ich hasste ihn. Er hatte mit mir geschlafen, und jetzt musste ich ihm aufwarten, und das als nackte Sklavin!
Wusste er nicht, dass ich von der Erde kam? Hatte man es ihm verschwiegen? Hielt er mich für eine Goreanerin? Glaubte er, solcherlei sei meiner würdig? Bekümmerten ihn meine Gefühle nicht? Nein, er sah mich zweifelsfrei bloß als Mädchen mit Brandmal am Schenkel, aber andererseits, war ich denn jetzt noch mehr? Ich realisierte, dass dergleichen meiner in der Tat würdig war – absolut – und dass meine Gefühle niemanden bekümmerten, geschweige denn etwas bewegten. Dementsprechend würde man sie auch nicht zur Kenntnis nehmen ... und womit? Mit Recht.
Ich fühlte mich unglaublich verstört.
Dafür wusste ich nun wenigstens, was ich geworden war.
Natürlich bediente ich fortan auch andere.
Genauso brav und entgegenkommend.
Diese Nacht unterschied sich jedoch in gewisser Weise von anderen Nächten, wie ich beim Aufwarten bemerkte.
Irgendetwas war anders.
Wie üblich beaufsichtigten Eta und ich die Mahlzeit, weil man es von uns erwartete. Der Sinn unseres Daseins belief sich meinem Verständnis zufolge darauf, Männern zu gefallen und Dienst zu tun. In naher Zukunft lernte ich auch, dass dies wirklich stimmte. Ja, darin besteht der Zweck einer Sklavin: Freude zu schenken und zu dienen. In dieser Nacht aber wurden wir dazu angehalten, mit unseren Weinkaraffen im Hintergrund, im Schatten zu bleiben, dem Kreis des Feuers fern und im Rücken der Männer. Wenn einer von ihnen seinen Becher hochhob, eilte ich oder Eta, je nachdem, wer von uns beiden am Nächsten war, zu ihm und schenkten nach, obwohl wir ja normalerweise näher am Geschehen blieben und oft sogar in ihrer Mitte knieten.
Männer bevorzugen es außerdem, ihre Mädchen unmittelbar zur Hand zu haben, wie man wissen sollte. Zwar hocken sie vielleicht unauffällig abseits, aber dennoch stets an einer Stelle, von wo aus man sie leicht herbestellen und sich ungehindert an ihrem Anblick weiden kann, denn Letzteres allein schenkt Männern, die gewissermaßen prächtige, herrschsüchtige Tiere sind, großes Wohlgefallen.
Heute nun hielten wir uns eher zurück mit unseren Weinkaraffen, im Schatten hinter dem Lichtkreis der Feuer und den Sitzenden, wie man es uns befohlen hatte.
Die Männer führten ernste Gespräche. Es ging um wichtige Angelegenheiten, wie ich vermutete. Zu solchen Zeiten wollten sie sich nicht mit den Körpern von Sklavinnen ablenken.
Wir verweilten im Dunkeln.
Ich schaute verärgert zu. Mit einem Stein zeichnete mein Herr eine Karte in den Sand beim Feuer. Ausschnitte davon waren mir schon einmal untergekommen – in der vorangegangenen Nacht während seiner geheimen Unterredung mit den Beratern, als er etwas Ähnliches in den Boden geritzt hatte. Nun sprach er schnell und voller Entschlossenheit, während er manchmal auf einen Teil des Gebietes verwies, indem er mit dem Stein darauf klopfte. Mehrmals zeigte er auch nach oben auf den größten der drei Monde; dieser würde in wenigen Tagen voll sein. Ich stand da und beobachtete sie. Ich war nackt nach meiner jüngsten Erfahrung, mein Leib und meine Haare waren von Schweiß und Schmutz verklebt, unbeachtet hockte ich im Schatten mit einer großen Weinkaraffe links an meinem Oberschenkel. Was hatte es mit dem Lager auf sich, in dem ich festgehalten wurde? Zur Jagd schien es nicht vorgesehen zu sein, auch wenn man von hier aus auf die Hatz ging. Für den Unterschlupf einer Verbrecherbande hielt ich es auch nicht, denn so kamen mir diese Männer nicht vor. Und nicht nur, dass der Schnitt sowie die unterschiedlichen Abzeichen auf ihren Tuniken an eine Art Uniform denken ließen; speziell die eindeutige Hierarchie, die offenkundige Organisiertheit und das Benehmen, welches sie selbst und ihre Beziehungen zueinander auszeichnete, schloss Gesetzlose aus. Davon abgesehen wirkten die Männer anziehend, kräftig und gepflegt, verantwortungsbewusst und verlässlich, diszipliniert, körperlich gut in Form und tüchtig. Die Laxheit und Unordnung, mit denen ich in einem Unterschlupf von Banditen gerechnet hätte, waren sowohl bei den Männern als auch in ihrer Umgebung nicht zu finden. Deshalb kam ich zu dem Schluss, Sklavin in einem Lager von Soldaten zu sein, die irgendeiner Stadt oder einem Land dienten. Hinsichtlich seiner Lage konnte es aber kaum ein Außen- oder Wachposten sein; von hier aus wurde kein bestimmtes Gebiet kontrolliert, und bewehrt war es ebenfalls nicht ... außerdem war es zu klein für ein Ausbildungs- oder Winterfort. Folglich – eben aufgrund der zu geringen Größe – schied es auch als Kriegsstützpunkt aus. Sechzehn Mann verweilten hier, dazu zwei Sklavinnen, aber keine ganze Armee, zergliedert in Divisionen oder Regimenter. An diesem Ort gab es nichts, mit dem man Schlachten bestreiten, Invasionen abwenden oder lancieren konnte, keine Mittel für groß angelegte Gefechte auf weiten Feldern. Was also, fragte ich mich, hatte es mit diesem Lager auf sich?
Einer der Männer hob seinen Becher, woraufhin ich zu ihm lief. Ich nahm das Gefäß und füllte es wieder. Seine Tunika war staubig vom Boden des Lagers. Ich schaute ihn verdrossen über den Rand des Bechers an, während ich einschenkte. Dann küsste ich das Metall, wie es von einer Sklavin verlangt wurde, und gab ihm seinen Wein. Als er ihn entgegennahm, beachtete er mich kaum, sondern richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Karte am Boden, die wohl sehr wichtig war. Ich hätte gern gewusst, ob er mein erster, zweiter, dritter oder letzter Peiniger gewesen war. Jeder hatte sich anders angefühlt, obwohl ich mich in den Armen aller ausschließlich und zur Gänze als Sklavin verstanden hatte. Er bemerkte nicht, dass ich ihn betrachtete. Ich wog ab, mit wie vielen hundert Sklavinnen er bereits geschlafen haben mochte.
Eingehend – zumindest so gut es unter den Lichtverhältnissen ging – begutachtete ich den großen Kerl mit dem struppig blonden Haar, den ich nach meinem Herrn am attraktivsten im Lager fand. Er war in der vorigen Nacht, als man mich gebrandmarkt hatte, Etas erster Fänger gewesen. Ich hatte ihre Darbietung – gefesselt, mit Glöckchen behangen und vermummt – beim gleichen niederträchtigen Spiel beobachtet, dessen Gegenstand auch ich heute geworden war, schikaniert und entwürdigt, behandelt wie eine bloße Sklavin.
Man hatte mich behandelt wie jemand, der nur eine Sklavin war!
Glaubte ich wirklich noch immer, frei zu sein?
Natürlich war ich jetzt eine Sklavin und nur dies.
Mein Widerwille und meine Bockigkeit waren also völlig unangebracht!
Solche Eitelkeiten kehrten freie Frauen hervor, jedoch niemand von meinem Schlag.
Tränen ohnmächtiger Frustration liefen über meine Wangen.
Ich war nicht mehr frei!
Ich schaute ihn an. Kein Staubkorn haftete an seiner Tunika. Mir sollte es recht sein. Hätte er mitgemacht und ich davon gewusst, wäre ich erpicht gewesen, mich in seine Arme zu werfen. Bestimmt hätte es niemand einer Sklavin übel genommen. Ich musste schmunzeln, während ich ihn weiter beobachtete. Wer weiß, dachte ich, möglicherweise wäre ich sogar auf ihn angesprungen. Die Vorstellung empörte mich als Erdenbürgerin; dann allerdings lächelte ich wieder in mich hinein und warf den Kopf zur Seite. Es war egal. Natürlich, ich stammte von der Erde, war aber jetzt nur noch eine Sklavin und als solche darf man nicht nur auf Männer anspringen, sondern steht gar in der Pflicht, es zu tun. Es ist obligatorisch, und falls sie sich davor drücken möchte, wird die Sklavin einfach dazu gezwungen. Dass ein Mädchen ausgepeitscht wird, nur weil es ein wenig Missfallen erregt hat, ist durchaus nicht unüblich hier. Ich betrachtete den großen hübschen Kerl. Ich hatte keine Ehre zu verteidigen und keinen Stolz aufrechtzuerhalten, da ich eine Sklavin war. Ihn fand ich wirklich hinreißend. Davon abgesehen wollte ich ganz bestimmt nicht ausgepeitscht werden. Ich lachte vor mich hin. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich – eine Sklavin – mich frei, eine Frau sein zu dürfen. Nun endlich liebte ich mein Geschlecht.
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