Ich habe da mal drei Wochen lang gearbeitet.
Meine Aufgabe bestand darin, hinter den Flaschenkästen, die auf einem Transportband zur Spülmaschine bewegt wurden, herzulaufen und die Reste der Alukappen zu entfernen, bevor die Flaschen in der Spülmaschine verschwanden.
Dazu bekam ich morgens ein Paar Gummihandschuhe, das am Nachmittag bei Feierabend aufgebraucht war, weil die scharfen Alureste das Gummi zerschnitten hatten.
Alureste blieben deshalb auf den Flaschen, weil die Alukappe meist mit dem Daumen eingedrückt wurde und danach ein Ring übrig blieb.
Das war eine der vielen Ferienarbeiten, die ich ausübte, bei denen ich permanent auf die große Uhr schaute, die in der Halle hing.
Ich dachte, wie gut, dass Du so eine Arbeit später nicht wirst machen müssen.
Mutter erzählte immer, dass wir manchmal sieben Liter Milch am Tage tranken.
Oben auf der Milch schwamm oft eine zwei Zentimeter dicke Rahmschicht. Nach dem Spielturnen stand ich oft am Kühlschrank, aß mit einem Teelöffel den Rahm ab und trank dann aus der Flasche große Mengen, gelegentlich trank ich einen Liter leer.
Im Alter von ungefähr sechzehn Jahren arbeitete ich in Borbeck in einer Brotfabrik.
Ich glaube, Vater hat mir den Job besorgt.
Die Arbeit als solche war gar nicht schwer, ich musste mit jemand anderem Rohteig von einem Wagen in die Backkörbe legen.
Oder lange Schwarzbrotstränge mussten zerschnitten werden.
Am Anfang freute ich mich immer über die Teilchen, die es für die Beschäftigten kostenlos zu essen gab. Sehr schnell hingen die einem aber zum Halse hinaus. Ich lernte hier Bäckermeister kennen, die ihren Betrieb aufgeben mussten und jetzt in der Brotfabrik niedere Tätigkeiten verrichteten.
Das Anstrengendste war der ungewohnte Tagesrhythmus.
Die Arbeit begann um vier Uhr morgens und endete um zwölf Uhr dreißig. Das bedeutete: drei Uhr aufstehen, Mutter weckte mich immer, ein bisschen frühstücken und dann mit dem Fahrrad nach Altendorf, das lag noch hinter Borbeck.
Einmal hielt mich mitten in der Nacht die Polizei an und machte mich darauf aufmerksam, dass mein Licht nicht funktionierte.
Ich durfte aber weiterfahren.
Um circa ein Uhr mittags war ich wieder zu Hause, aß mein Mittagessen und ging ins Bett.
Kurz stand ich abends zum Intermezzo (Fernsehen am Vorabend) auf und legte mich dann sofort wieder hin.
Um drei Uhr wurde ich wieder geweckt.
Ich hätte mich wohl nie an so einen Tagesablauf gewöhnen können.
Nach drei Wochen war diese Ferienarbeit beendet.
Es war nach den Ferienjobs immer ein gutes Gefühl, Geld verdient zu haben, obgleich die Tariflöhne für Aushilfskräfte damals lächerlich niedrig lagen.
Ich arbeitete auch bei „Baustoffe Sommer“, wo ich Tonrohre verladen musste und mich hinterher bestens im Bereich Tonrohre auskannte, auch bei der Tankstelle „Erich Warm“, wo ich statt zu tanken erst einmal den Aufenthaltsraum aufräumen musste.
Meine besten Ferienjobs waren aber beim Straßenbau.
Man assoziiert bei Straßenbau sofort schwere körperliche Arbeit.
Die gab es zum Teil sicher auch, wenn ich an die schweren Bordsteine denke, die verlegt wurden oder an Gehwegplatten, die dem Fliesenleger angereicht werden mussten, da tat einem schon das Kreuz weh.
Auch einen Sack Zement schleppte man nicht so ohne weiteres, er wog schließlich fünfzig Kilogramm. Aber die Arbeit war abwechslungsreich und wurde an der frischen Luft verrichtet.
Ich weiß heute noch, wie wir in Bottrop mit unserer Bautruppe einen Kanal verlegen mussten.
Mitten auf der Straße wurde ein großer Graben gezogen, das wurde mit unserem Bagger gemacht, einem alten riesigen Seilzugbagger.
Die Grabenwände wurden mit Spunddielen abgestützt.
Auf den Grabenboden kam ein Kiesbett, auf welches die Kanalrohre aus Beton gesetzt wurden. Die einzelnen Rohre wurden ineinander geschoben und mit einem Gummidichtring gegen einander abgedichtet. Der Polier war dafür zuständig, dass die Rohre in der Flucht lagen.
Die Rohre wurden mit dem Bagger in den Graben gehoben.
Um die Spunddielen zu setzen, wurde eine Dampframme benutzt, die offensichtlich gerade in Betrieb genommen und auf unserer Baustelle ausprobiert wurde.
Die funktionierte eigentlich prima.
Wenn die Rohre lagen, wurden die Spunddielen wieder entfernt und der Graben wurde zugeschüttet.
Oft kamen die Hausbesitzer heraus und bestachen uns mit einem Kasten Bier, um als erste an den Kanal angeschlossen zu werden.
Für das Entfernen der Spunddielen konnte die Dampframme auch in der umgekehrten Richtung arbeiten.
Da das aber zu lange dauerte, befestigte man ein Drahtseil mit einem Haken an der Baggerschaufel und zog die Dielen aus dem Erdboden.
Das ging so lange gut, bis eines Tages eine Spunddiele so fest saß, dass beim Ziehen der Haken geradebog, aus dem Spunddielenloch rutschte und sich die volle Zugspannung auf den Baggerausleger übertrug.
Der schlug zurück, zerriss dabei eine Telefonleitung und drückte den Führerstand des Baggerfühers ein.
Der Baggerführer blieb Gott sei Dank unverletzt und kam mit dem Schrecken davon.
Meine Güte, war das ein Schock! Wir mussten alle tief durchatmen.
Was aus dieser Sache geworden ist, ob die Bauaufsicht eingeschaltet wurde, das kann ich heute nicht mehr sagen.
Auf einer anderen Baustelle mussten entlang einer reparierten Straße Bordsteine gesetzt werden.
Dazu wurde für die einhundertacht Kilogramm schweren Steine ein Stuhl aus Beton gegossen, auf den sie gesetzt wurden.
Den frischen Asphalt walzte ein Arbeiter schön aus. Natürlich gab es zu meiner Zeit keine Dampfwalze mehr, der Begriff wurde aber übernommen.
Bemerkenswert an unserem Walzenfahrer war, dass er während eines Arbeitstages einen ganzen Kasten Bier trank, ohne bei Feierabend völlig besoffen von seiner Walze zu kippen!
Das war unglaublich.
Es wurde überhaupt früher während der Arbeit viel gesoffen.
Ich erinnere mich, dass ich einmal im Hochbau beschäftigt war.
Wir wurden morgens alle mit einem Ford Transit zur Baustelle gefahren.
Zuerst hielt der Wagen aber an einer Bude, wo sich die Arbeiter mit Alkohol versorgten.
Morgens um sechs Uhr wurden schon diverse Fläschchen „Doornkaat“ vertilgt.
Das Bier wurde dann mitgenommen und wenn es nicht reichte, noch einmal aufgefrischt.
Heute ist die Berufsgenossenschaft da hinterher. Gesoffen wird wohl heute nicht mehr auf dem Bau, jedenfalls nicht mehr so viel wie früher.
Auch bei meinem Bruder, der in Holland ein Baugeschäft betrieb, war das so.
Da habe ich auch einmal gearbeitet, allerdings war ich da schon Student.
Auch eine abweschlungsreiche Beschäftigung.
Der sogenannte „Aannemingsbedrijf“ macht alle Arbeiten, die am Bau zu verrichten waren, zum Beispiel auch das Dachdecken.
In Deutschland gab es dafür verschiedene Betriebe. Der Lotgieter (Bleigießer) war bei uns der Klempner.
Ich hatte in Holland zehn Gulden netto die Stunde verdient, das war ein guter Verdienst.
Während meines Studiums hatte ich auch in einer Flanschenfabrik gearbeitet.
Flanschen sind stählerne Verbindungsringe zwischen zum Beispiel Röhren. Sie werden aus großen Eisenplatten gebrannt, anschließend werden mit einer Bohrmaschine Löcher in den Ring gebohrt und mit einem Winkelschleifer Grate entfernt.
Das war meine Tätigkeit.
Auch eine Beschäftigung, die man sich nicht für ein Leben lang wünschte.
Ganz früher hatten mein Bruder und ich mal bei Schuhhaus Korsch in Borbeck den Keller aufgeräumt. Eine sehr stumpfsinnige Arbeit.
Morgens aß ich vor der Schule immer einen Teller Haferflockensuppe.
Ich streute einen Kaffeelöffel Zucker darüber.
Ich glaube, heute hätte ich das nicht mehr so gern.
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