Hans Müller-Jüngst
Clarissa und Fiete II
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Inhaltsverzeichnis
Titel Hans Müller-Jüngst Clarissa und Fiete II Dieses ebook wurde erstellt bei
Clarissas zweiter Süderlandurlaub
Urlaubsalltag
Das Internatgymnasium
Schulalltag
Der Flugzeugabsturz
Impressum neobooks
Clarissas zweiter Süderlandurlaub
Clarissas zweiter Urlaub auf Süderland war angebrochen und ihre Familie war schon sehr vertraut mit den sie umgebenden Umständen auf der Insel. Wie auch schon beim ersten Urlaub, so stellte sich von Anbeginn an herrlichstes Sommerwetter ein, es war warm, die Luft war voller Blütenduft, und es wehte ein leichter Wind, der aber nur die warme Luft verteilte und es nicht schaffte, Abkühlung zu bringen. Das Dorf auf der Insel lag in tiefster Sommerruhe, niemand hatte auch nur den Hauch einer Erinnerung an den strengen vergangenen Winter, in dem das Meer Eisschollen auf den Strand geworfen hatte.
Die Fähre, die von Herrn Kleen gesteuert wurde, brachte Heerscharen von Touristen auf die Insel, die alle darauf aus waren, einen angenehm entspannten Strandurlaub zu verleben, und dazu eignete sich Süderland hervorragend. Auch Bubenhäusers waren aus diesem Grund das zweite Mal auf der Insel, sie hatten ein sehr herzliches Verhältnis zur Familie Kleen entwickelt, ihrer Gastfamilie, bei der sie zwei gemütliche Zimmer für sich und ihre beiden Töchter Clarissa und Isolde gemietet hatten. Bubenhäusers hatten sich im Dorf Fahrräder geliehen, Peter Hansen hatte den Fahrradladen und konnte in seinem PC noch die Räder vom letzten Jahr ausfindig machen, die Räder der Mädchen mussten auf deren neue Maße eingestellt werden, die der Erwachsenen konnten bleiben, wie sie waren. Sie gingen gleich an ihrem ersten Urlaubstag zum Strand, und Herr Bubenhäuser mietete, wie schon im letzten Urlaub auch, einen Strandkorb, der ihr Hauptaufenthaltsort während des gesamten Urlaubes sein würde. Fiete und Jan, die Jungen der Kleens, begleiteten die Bubenhäusers immer zum Strand, Clarissa war Fietes Freundin, wenn man das so sagen durfte, sie hatten sich beide im letzten Urlaub kennen und schätzen gelernt. Fiete hatte Clarissa in ihrer Heimatstadt Braunschweig besucht und Clarissa war im März zu Fietes Geburtstag auf die Insel gekommen, das lag erst einige Monate zurück. Bubenhäusers hatten ihr Beachballspiel mit zum Strand genommen, das sie im letzten Urlaub auf der Promenade gekauft hatten.
Schnell spielte sich ihr Strandrhythmus ein, sie gingen ins Wasser, trockneten sich ab, cremten sich ein, gingen eine Runde Beachball spielen und lagen faul am Strandkorb. Clarissa, Isolde, Fiete und Jan verabschiedeten sich gelegentlich von den Eltern der Mädchen und ließen sie am Strandkorb liegen. Sie gingen auf die Promenade oder ins Dorf zum Eisessen, sie liebten es, auf dem Dorfplatz vor der Eisdiele zu sitzen und die Leute zu beobachten, wie sie mit ihren Kindern dort entlangspazierten oder sie beobachteten, wie die Kinder ihre Bötchen auf dem Teich fahren ließen, die die benötigten Batterien bei Anna Barkhusen kauften, deren Laden gleich nebenan lag. Fietes Freunde aus dem Dorf, Hauke, Hein, Thomas und Peter kamen oft vorbei und setzten sich zu ihnen. Sie bestellten sich dann ein gemischtes Eis mit Sahne und Krokantsplittern, wie sie das schon im Urlaub des vergangenen Jahres immer getan hatten. Sie hatten damals vieles gemeinsam unternommen und würden das auch in diesem Jahr wieder tun, sie träfen sich abends nach dem Essen immer im Dorf oder bei Kleens und fuhren mit den Rädern über die Insel. Clarissa und Isolde waren von Sommergefühlen eingenommen, es war auf Süderland so, wie sie es sich die ganze Zeit zu Hause in Braunschweig erträumt hatten, sie fühlten sich zusammen mit ihren alten Kumpanen sehr wohl. Clarissa feierte in einer Woche ihren zwölften Geburtstag und hatte die Absicht, genauso wie im letzten Jahr ein kleines Kaffeetrinken zu geben, sie würde dazu mit den Kleens, den Jungen aus dem Dorf und Oma und Opa Stevens, die ihr Haus in Steinwurfweite von der Eisdiele entfernt hatten, im Hof sitzen und feiern. In der Eisdiele fragte Hauke Clarissa:
„Was hast du die ganze Zeit über in Braunschweig getan?“ und Clarissa antwortete:
„Da gibt es nichts Besonderes zu erzählen, ich freue mich schon auf das Gymnasium, das ich nach den Sommerferien besuchen werde.“ Auch die Jungen würde von der Inselschule auf das Gymnasium wechseln, sie müssten auf das Internatsgymnasium nach Esens. Neunzig Prozent aller Schüler des Internatsgymnasiums kamen von den Nordseeinseln. Doch bis zum Ende der Sommerferien hätten sie noch fünf Wochen Zeit, und niemand wollte sich ernsthaft in dem Moment Gedanken über die Gymnasialzeit machen. Abends kamen Oma und Opa Stevens zu Kleens, und man saß gemütlich im Hof mit ihnen zusammen und trank Bier, Wein und Limonade. Herr Kleen war längst von seiner Fähre zu Hause und trank mit Herrn Bubenhäuser und Opa eine Flasche Bier. Anfangs hatte Herr Bubenhäuser immer aus dem Glas getrunken, bis er sich dem Brauch, Bier aus der Flasche zu trinken, anschloss. Über den schrecklichen Winter, der zum Jahresbeginn geherrscht, und der allen zu schaffen gemacht hatte, verloren sie kaum ein Wort, sie freuten sich über den angenehmen Sommerabend bei Kleens. Die Kinder kamen von ihrer Tour über die Insel nach Hause, sie waren mit den Jungen aus dem Dorf zum Fähranleger gefahren und hatten sich dort hingesetzt, mit einbrechender Dämmerung fuhren sie zurück und sagten den Jungen Tschüss.
Sie brachten ihre Räder auf den Hof und setzten sich zu den anderen. Bei Ckarissa und Isolde hatte sich das Gefühl auf der Insel zu etwas verdichtet, was nur verglichen werden konnte mit einem Gefühl des Schon-ewig-da-Seins, des Dazugehörens. Mit einer Selbstverständlichkeit ohne gleichen gingen die Mädchen in die Küche und holten sich Getränke aus dem Kühlschrank, sie fragten gar nicht erst, ob sie das dürften und wurden auch nicht sonderlich dabei beachtet. Am nächsten Tag wollten alle Kinder mit den Rädern nach Osterhalen fahren, sie würden sich um 10.00 h auf dem Dorfplatz treffen. In der Nacht ließen alle ihre Fenster offenstehen, um die gute Luft ins Zimmer zu lassen.
„Die Luft ist einzigartig“, wie Clarissa und Isolde dachten, „sie ist würzig und warm, so wie es sie in Braunschweig nie gibt, sie umschmeichelt einen, wenn man im Bett liegt.“ In den warmen Sommermonaten roch die gesamte Vegetation auf der Insel, die Hagebutten und die Hecken aus Buschrosen verströmten einen unvergleichlichen Duft, der zu der Insel gehörte wie das Watt und der Strand, es war ein liebliches süßes Gemenge aus wohltuenden Aromen, wie man sie nirgends sonst riechen konnte. Am Morgen gingen Clarissa und Fiete zu Lorenzen Brötchen holen, die Bäckersfamilie begrüßte Clarissa, als wäre sie die zurückgekehrte verlorene Tochter.
Auf dem Weg zu Kleens hielten sie beide die Brötchentüte und mussten aufpassen, dass sie nicht zerriss, Fiete nahm die Tüte an sich und hielt Clarissas Hand, sie schaute in an und lächelte. Bei diesem Lächeln schmolz Fiete fast dahin, Clarissa zeigte ihre Grübchen, wenn sie lächelte und ihre Augen bekamen etwas Warmes. Sie trafen nach dem Frühstück die Jungen im Dorf und fuhren zum Flughafen, wo sie den Bediensteten trafen, sie grüßten ihn, und er fühlte sich an die Kinder erinnert, als sie im letzten Jahr den Einbrecher zur Strecke gebracht hatten. Die beiden Mädchen und die Jungen fuhren weiter nach Osterhalen und legten ihre Räder oberhalb des Strandes auf den Weg. Sie rannten barfuß auf den Wildstrand und schreckten einige Vögel hoch, die dort zwischen den Strandhaferbüscheln gesessen und nach etwas Essbarem gesucht hatten. Clarissa forderte alle auf, den Kleinmüll aufzuheben, der dort lag und ihn in Haukes Rucksack zu stecken. Hauke musste somit sein Butterbrot und sein Trinkpäckchen aus dem Rucksack holen, die anderen hatten gar nichts zu essen mitgebracht. Der Rucksack war im Nu gefüllt, und es lag immer noch eine Menge von dem Kleinzeugs herum, das die Tiere verschluckten, und das bei ihnen Darmverschlingungen verursachen konnte, woran sie elendiglich zu Grunde gingen. Sie setzten sich alle in den Sand und blickten zur Seehundbank hinüber, sie konnten sehen, wie die Tiere faul in der Sonne lagen und es sich gut gehen ließen.
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