Sie rannten ins Wasser und nahmen den kleinen Ball mit, sie spielten sehr lange und erweiterten den Kreis, sodass man weit werfen musste, um sein Gegenüber zu erreichen, Isolode wurde es erlaubt, den Ball zum Kreisnachbarn zu werfen. Als sie wieder aus dem Wasser kamen, cremten sie sich ein und legten sich faul in die Sonne. Jedes der Kinder dachte schon an Clarissas Geburtstag und hoffte, den Parcours einigermaßen gut zu schaffen, Thomas erinnerte sich noch, wie er im Frühjahr unnötigerweise Zeit verschenkt und deshalb verloren hatte, das wollte er dieses Mal unbedingt vermeiden. Sie wollten am nächsten Tag den Parcours probehalber durchexerzieren und würden deshalb den Strandweg mit den Rädern entlangschieben, eine Schüppe mitnehmen, die sie am Strand im Strandkorb lassen wollten, die Promenade entlangfahren, wobei für die Kleinen und Clarissa die Strecke ungefähr beim Laden mit den Strandsachen begann, sie würden dann alle zusammen zum Fähranleger fahren, dort aber sofort wieder umkehren, damit niemand schon die Bohlen zählte und zum Schluss eine Runde ums Haus drehen, jeder müsste den Liedtext vor Augen haben, den Fiete in Großbuchstaben ausdrucken lassen wollte, das Stück Kuchen hinunterzuschlingen konnten sie mangels Kuchen vorher nicht üben, aber das wäre für sie alle wohl das geringste Problem.
Sie trafen sich einen Tag vor Clarissas Geburtstag bei Kleens, Clarissa und Fiete hatten Brötchen geholt und sie hatten gefrühstückt. Die Bubenhäusers waren zum Strand vorgelaufen, und die Kinder standen mit ihren Rädern am Anfang des Strandweges, als Fiete „los!“ rief und alle losstürmten. Es gab welche, die eine Hand in die Mitte der Lenkstange legten und losrannten und welche, die mit beiden Händen am Lenker losgingen. Die Renner waren nach ganz kurzer Zeit außer Atem und wurden von den Gehern eingeholt, wie letztlich zu verfahren wäre, musste jeder selbst entscheiden. Die zweihundert Meter Strandweg steckten jedenfalls allen in den Knochen, als sie zum Strandkorb kamen und einen großen Schluck aus Bubenhäusers Wasserflasche nahmen. Sie musste daran denken, am nächsten Tag ausreichend Wasserflaschen mitzunehmen, damit man bei der großen Anstrengung in der Hitze genug trinken konnte. Hauke schnappte sich die Schüppe und begann, ein Loch auszuheben, man hatte sich darauf geeinigt, dass die Großen sechzig Zentimeter und die Kleinen dreißig Zentimeter ausheben mussten. Fiete hatte einen Zollstock dabei und sagte „gut“, als Hauke die geforderte Tiefe erreicht hatte, er lief gleich zur Buhne und zurück und warf das Loch wieder zu. Als auch diese Etappe des Parcours geklappt hatte, gingen sie hoch zur Promenade, die sie gemütlich mit den Rädern entlangfuhren, sie markierten den Streckenbeginn für die Mädchen und Jan mit einem Kreidestrich an der Mauer gegenüber dem Laden mit dem Strandspielzeug, für die anderen läge der Beginn beim Hotel, Ende wäre für alle am Kurhaus.
Sie schenkten sich die Fahrt zum Fähranleger, weil die doch jedem klar war, es müssten zwei Leute in der Mitte der Strecke und am Anleger postiert werden, die überwachten, dass auch die ganze Strecke gefahren und die Bohlen ordnungsgemäß gezählt würden. Die Runde um das Kleen-Haus machten sie nicht, Clarissa sang mit Isolde einmal „Geh aus mein Herz...“ zur Probe, und damit war der Übungsparcours erledigt. Sie schrieben auf, woran sie unbedingt denken mussten, das waren das iPhone von Clarissa und das Handy von Thomas, die Schüppe, der Zollstock, ein Stift und ein Zettel für jeden, um die Bohlenanzahl zu notieren und der Liedtext, den jeder unmittelbar vor dem Singen in die Hand gedrückt bekäme. Sie gingen alle zum Strand und sprangen in das erfrischende Wasser, wo sie herumtollten, Clarissa war schon ganz aufgeregt, sie würde zwölf Jahre und damit schon fast eine junge Dame. Am Nachmittag gingen alle zu Kleens in den Hof und halfen dabei, die Tische für den nächsten Tag aufzustellen und die Stühle daran zu postieren. Clarissa und Fiete würden zum Brötchenholen den Handwagen mitnehmen und bei Oma und Opa Stevens noch vier Gartenstühle holen. Sie saßen dann draußen und Frau Kleen brachte allen etwas zu trinken.
„Das wird wieder eine schöne Geburtstagsfeier werden“, sagte sie, „ich freue mich schon darauf.“ Die Jungen gingen vor dem Essen nach Hause und wie im letzten Jahr saßen alle im Hof und genossen die angenehme Abendluft. Es war immer etwas Besonderes, draußen zu essen, weder in Braunschweig noch auf Süderland machte man das während des Jahres, höchstens, dass man sich einmal zum Grillen auf die Terrasse setzte. Das Außenlicht war sehr schwach und leuchtete den Essplatz kaum ausreichend aus, sodass Herr Kleen zwei starke Gaslampen auf den Tisch stellte, in deren Schein die Mücken tanzten. Man sah von den am Tisch Sitzenden irgendwann nur noch die Gesichter, der Rest ihrer Körper war im Dunkel verschwunden. Sie spielten auch noch eine Zeit lang draußen in dem Gaslicht, die Beleuchtung erwies ich aber auf die Dauer als zu schwach, um zu spielen, und sie gingen ins Bett.
Der große Tag brachte herrlichstes Sommerwetter wie es wohl jedem Geburtstagskind gefallen hätte, Clarissa stand wohl gelaunt auf und wurde von ihrer Schwester zuerst beglückwünscht. Sie ging nach unten wie immer, um sich an den Frühstückstisch zu setzen und sah zu ihrem großen Erstaunen, dass, außer Isolde, alle am Tisch saßen. Als sie ins Esszimmer trat, begann der ganze Tisch mit „Happy birthday to you...“, ihre Mutter sprang auf und umarmte und küsste ihre Tochter.
„Ich wünsche dir von Herzen alle Gute zu deinem zwölfen Geburtstag“, sagte sie, und der ganze Tisch schloss sich an.
Fiete drückte Clarissa und gratulierte ihr, er küsste sie auf die Wange, was ihm im Beisein aller nicht leicht fiel und gab ihr einen Brief als Geschenk, den Clarissa gleich öffnete, sie las:
„Morgen um 10.00 h am Fähranleger Abfahrt nach Kerstholm“. Sie hätte weinen können vor Glück, „wie hast du das denn geschafft?“, rief sie und umarmte und drückte Fiete aus lauter Dankbarkeit. Brötchen hatte Jan schon geholt, es gab auch Schokocroissants und er sollte herzliche Glückwünsche von Lorenzen ausrichten. Bevor Clarissa an ihre anderen Geschenke ging, setzte sie sich an den Tisch und aß frische Brötchen und Schokocroissants, die Geschenke waren auf einem kleinen Nebentisch aufgebaut und ab und zu riskierte Clarrissa einen Blick dorthin. Inzwischen war auch Isolde erschienen und setzte sich zum Frühstück, sie hätte dann eine richtig große Schwester, sagte sie voller Stolz, mit zwölf dürfte man schon allerhand unternehmen, was einem die Eltern nicht verbieten könnten. Clarissa stand auf und nahm das Päckchen von ihren Eltern in die Hand, sie riss das Papier ab und hielt einen Laptop in der Hand. Sie war außer sich vor Freude, einen Laptop könnte sie für ihr Gymnasium gut gebrauchen, sie dankte ihren Eltern und legte das Geschenk wieder auf den Tisch.
Sie nahm anschließend das Päckchen von Kleens in die Hand und entnahm ihm ein Buch mit dem Titel: „Die ostfriesischen Inseln“, es war ein Fotoband mit viel Text, sie blätterte darin und sah sich kurz das Kapitel über Süderland an, aber auch das Kapitel über Kerstholm, wohin sie am nächsten Tag mit Fiete übersetzen würde. Sie dankte Frau und Herrn Kleen für das Buch, Herr Kleen hatte an Clarissas Geburtstag einen Tag frei genommen. Es gab noch eine Fülle von Süßigkeiten, Isolde schenkte ihrer Schwester ein kleines Parfumfläschchen, Jan schenkte ihr Duschgel. Clarissa freute sich ungemein über die vielen Geschenke, am meisten aber über die von Fiete organisierte Überfahrt nach Kerstholm. Fiete erzählte Clarissa am Strand, wie er mit Klaas Friedrichsen darüber gesprochen hatte, der wäre bei der „Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer“ in Wilhelmshaven angestellt und hätte mit denen telefoniert. Warum sie dort ihr Einverständnis gegeben hätten, dass sie für einen halben Tag mit auf die Insel dürften, könnte er auch nicht sagen. Sie würden mit der Ablösung, die Thekla Broderson hieß und Biologiestudentin in Hannover wäre, morgens hinfahren und nachmittags mit der alten Stationsbesatzung wieder nach Süderland zurückkehren. Sie machten sich alle strandfertig und die Kinder liefen mit den alten Bubenhäusers zum Strandweg, sie würden sich am Nachmittag mit den Jungen treffen, um ihren Parcours zu absolvieren. Sie unternahmen am Strand keine anstrengenden Dinge, um sich nicht schon vorher müde zu machen, sie gingen ins Wasser und plantschten ein wenig darin herum, sie spielten kein Beach- oder Volleyball, sondern cremten sich ein und legten sich in die Sonne.
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