Kendran Brooks
Tal der Hoffnung
13. Abenteuer der Familie Lederer
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Kendran Brooks Tal der Hoffnung 13. Abenteuer der Familie Lederer Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorgeschichte
Am Nachmittag
Gegen Abend
Sonnenuntergang
Dunkelheit
Mitten in der Nacht
Hahnenschrei
Dämmerung
Ein neuer Tag?
Impressum neobooks
Mitternacht war längst vorbei und die Party kam nun so richtig in Schwung. Der Disc Jockey heizte den Tänzern mit immer härteren Beats ein, ließ sie mit hämmernden Basstönen begeistert auf und ab hüpfen, ihre Arme in die Luft recken, toben, schreien und lärmen. Immer wieder torkelten einzelne Männer aus dem Pulk der vielen Körper. Sie warfen sich ausgepumpt und nach Atem ringend auf eines der breiten Sofas, stierten mit glasigen Augen auf das flackernde Stakkato der farbigen Scheinwerfer, als begriffen sie nicht, was sie dort drinnen, in diesem Hexenkessel der Leiber, eben erlebt hatten. Aber glücklich sahen sie alle aus, abgekämpft und trotzdem voller Wonnen. Einige öffneten ungeniert ihren Hosenschlitz, holten ihren Penis hervor und begannen ihn steif zu reiben. Bald einmal knieten andere vor ihnen, bedienten sie mit ihren Lippen und Zungen, gerieten gemeinsam in Ekstase.
Immer mehr Tänzer lösten sich nun aus dem Pulk auf der bunt wirbelnden Fläche in der Mitte der riesigen, ehemaligen Fabrikhalle, strebten Händchen haltend oder eng Umschlungen den dunkleren Ecken zu, wo Liegeflächen bereitstanden, um Paare, Trios oder ganze Gruppen aufzunehmen. Die Frauen, allesamt grazile Dinger in hochhackigen Pumps und mit langen Haaren, entpuppten sich hier ebenfalls als junge Männer, sobald man ihnen die Röcke und Slips vom Becken gestreift hatte. Manche dieser Transgender besaßen sogar künstliche, meist aber kleine und sehr feste Brüste, andere trugen nur gestopfte Büstenhalter über ihrer haarlosen Hühnerbrust. Dem Vergnügen und der Leidenschaft taten die fehlenden weiblichen Rundungen keinen Abbruch. Eher das Gegenteil schien der Fall, so wie die jungen Männer, die sich als Frauen fühlten, von den anderen begeistert und ausdauernd umworben und begattet wurden.
»Tal der Hoffnung« hieß das Schwulen-Tanzlokal an der Westland Road in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Es hatte erst vor wenigen Wochen eröffnet, war seitdem Abend für Abend voller Männer, die ihre Leidenschaft auslebten, ja austobten. Aids schien keine Rolle mehr zu spielen, wenn man die geringe Anzahl der Kondome, die jeden Morgen von der Putzequipe zusammengekehrt wurden, als Maßstab nahm. Oder entsprach die Suche nach dem Risiko einem neuen Zeitgeist? Die Wirtschaft schwächelte, wieder einmal. Die alten Familien-Strukturen, die Halt versprachen, gab es kaum noch. Bedrohungen im Inland durch Extremisten und Separatisten, aus dem Ausland durch Terroristen und Gotteskrieger der al-Shabaab-Miliz verbreiteten im Land eine Stimmung des schleichenden Niedergangs oder gar ein Gefühl einer unmittelbar bevorstehenden Apokalypse, vor allem, seitdem Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt und vor einigen Monaten inauguriert war. Doch in dieser Nacht kümmerte die Männer alle diese wirtschaftlichen und politischen Sorgen wenig. Es zählte nur der Leib des anderen und das Auskosten des eigenen Lebens.
In den Online-Touristenführern war das Lokal bereits zur Nummer eins für schwule Stadtbesucher erkoren worden. Der Eintritt betrug bloß 50 KES, was keine 50 amerikanischen Cent entsprach. Die Barkeeper schoben die Getränke sogar für coole 20 KES pro Shot und 100 für einen Longdrink über die Theke. Entsprechend reichlich wurde der Alkohol in die Kehlen gekippt, als gäb's nach dieser einen Nacht keinen nächsten Morgen mehr.
Manche der Besucher bezogen das Tal auf die Po-Spalte der Gäste und die Hoffnung auf den zur Lust bereiten Anus. Das sahen die Betreiber des Tanzlokals allerdings völlig anders, von den Eigentümern und Investoren gar nicht zu reden. Die blieben allerdings über ihren vorgeschobenen Trust mit Sitz in San José auf Costa Rica vollständig im Hintergrund, konnten so ihre Pläne und Ziele unerkannt vorantreiben.
Tal der Hoffnung. Der Name war weder als Witz, noch als Anspielung gedacht, sondern entsprach einer äußerst brutalen Realität.
Kenia
»Haschib?«, die Stimme von Saleh klang brüchig und leise, drang nicht weit in die völlige Dunkelheit vor. Trotzdem bemerkte der Kenianer eine Regung neben sich, wiederholt lauter, »Haschib?«
»Ja … was ist … passiert?«, kam es stockend zurück.
Saleh wusste es nicht, versuchte sich zu erinnern. Da war die Diskothek, der wilde Tanz, die ausschweifende Sex-Orgie, die er und sein Liebhaber begeistert mitgefeiert hatten. Doch was kam danach? Einer wollte noch woanders hin, erinnerte sich Saleh, eine weitere, private Party. Sie kannten den dreißigjährigen Mann nicht, der sie angesprochen hatte, waren trotzdem begeistert mitgegangen. Man führte sie durch einen Nebenausgang auf den Parkplatz, ließ sie in einen noblen Wagen steigen. Ein älterer Mann hatte bereits hinten gesessen, machte ihnen Platz, lächelte sie erwartungsvoll an. Und er hatte auch eine Flasche Whiskey dabei, eine teure amerikanische Marke. Sie tranken ihm zu, auch wenn sie sexuell mit altem Fleisch wenig am Hut hatten. Doch der Herr, und das war der distinguiert wirkende, gut gekleidete Mann mit Sicherheit, versprach viele andere junge Leute in seiner Villa auf dem Land. Sie mussten irgendwann während der Fahrt eingeschlafen sein und erwachten nun in diesem dunklen, kühlen Raum und mit dröhnenden Köpfen.
»Wo sind wir?«, fragte Haschib und Saleh blickte sich suchend um. In Bodennähe war nichts zu erkennen. Blickte man jedoch nach oben, so erkannte man einen sehr hohen Raum, dessen Dach nicht lückenlos aufsaß, so dass an manchen Stellen ein klein wenig Licht einfiel, das aber nicht bis zu ihnen hinunter reichte.
»Weiß nicht.«
»Man hat uns betäubt«, stellte Haschib klar und schien seinen Kopf ungläubig zu schütteln, stöhnte gleich danach auf, »ich glaub meine Birne platzt gleich.«
»Geht mir genauso.«
»Der freundliche alte Knacker. Hat der uns etwa betäubt? War was im Whiskey?«
Haschib konnte dermaßen dämlich fragen, fand Saleh, nickte trotzdem und zuckte unter dem Schmerz in seinem Schädel erneut zusammen.
»Wer sonst?«, nuschelte er mehr als dass er es aussprach.
»Was will der denn von uns? Bist du auch gefesselt?«
»Ja.«
Saleh versuchte, den Strick um seine Handgelenke zu sprengen, ohne Erfolg. Er zog die Beine an, rollte auf die Knie, versuchte aufzustehen, sackte mit einem zuckenden Schmerz in seinem Kopf wieder zusammen.
»Oh, verdammt«, keuchte er, versuchte es erneut, kam diesmal hoch und auf die Füße.
»Wie lange liegen wir hier wohl schon?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich Stunden.«
Äußerst vorsichtig, Zentimeter für Zentimeter, tastete sich Saleh in der völligen Dunkelheit in eine Richtung voran, entfernte sich von Haschib. Nach wenigen Metern stieß er bereits gegen eine Wand, drehte sich um und befingerte sie mit seinen gebundenen Händen, fühlte roh behauene Quader.
»Hier ist eine Mauer aus großen Steinen«, meldete er in Richtung Haschib.
»Ein Keller?«, vermutete der und schien sich nun ebenfalls erheben zu wollen.
»Ich geh mal der Wand entlang«, informierte Saleh seinen Liebhaber, und folgte mit den Fingern fühlend der Mauer, stieß nach einer Weile auf die Holzfüllung einer Tür. Er tastete sich weiter vor, fand einen Knopf, drehte ihn ohne Erfolg. Das Schloss war wohl abgesperrt.
Читать дальше