»Die Psychologie?«, fragte der Vorsitzende Sir Geoffrey reichlich überrascht zurück.
»Ja. Denn wir sollten versuchen zu ergründen, in welchen Parametern ein so ungewöhnlicher Mensch wie Zheng He dachte und handelte. Denn entweder ist er tatsächlich auf seiner letzten Fahrt verstorben und vielleicht sogar auf See bestattet worden, was allerdings jeglichen fehlenden Bericht darüber nicht zu erklären vermag, oder er hatte seine guten Gründe, warum er nicht in seinem Mausoleum bei Nanjing liegen wollte.«
»Sein Mausoleum wurde doch erst nach seinem Tod errichtet«, warf da John Brown gehässig ein und der innere Zorn über die vorhin erlittene Niederlage war deutlich herauszuhören. Jules wandte sich ihm darum lächelnd zu und meinte süffisant: »Ich wollte damit bloß sagen, dass ein Mann wie Zheng He wohl seine guten Gründe besaß, wenn er lieber unerkannt irgendwo auf dieser Welt seine letzten Jahre verbracht hatte, statt sein Ende allseits geehrt und umsorgt in China zu erwarten und in allen Ehren bestattet zu werden.«
Die Anwesenden sahen, wie der Grand Secretary von Neuem rot anlief und der Vorsitzende räusperte sich vernehmlich, um die nächste sich abzeichnende verbale Auseinandersetzung zwischen dem Sekretär der Loge und ihrem Projektleiter gleich im Keim zu ersticken.
»Das alles tönt nicht gerade nach erheblichen Kosten, Bruder Jules. Wie sieht denn Ihr Projektbudget im Detail aus?«
»Der Aufbau der Infrastruktur in Lausanne kostete bislang siebzigtausend Pfund. Für das zentrale Projektoffice fallen jährliche Kosten von zweihundertzwanzig tausend Pfund an. Die beiden ersten Projektteams operieren mit eigenen Budgets von jeweils einhundert tausend Pfund für die nächsten sechs Monate. Die später aufzusetzenden fünf Teams werden jeweils zweihunderttausend Pfund pro Jahr zur Verfügung gestellt erhalten. Sie können über die Verwendung des Geldes selbstständig entscheiden. Falls die Summe nicht ausreichen sollte, müssen sie frühzeitig begründete Kreditanträge an mich stellen.«
»Und wie überwachen Sie die Projektteams in qualitativer Hinsicht?«, meldete sich Sir Benedict Reiffle wieder zu Wort.
»Sämtliche Ergebnisse der Forschungsarbeiten werden laufend in unsere Datenbanken eingetragen, so dass nicht nur alle anderen Projektteams, sondern auch ich mich laufend über den Stand informieren kann. Mit den beiden Leitern der aktuellen Projektteams habe ich zudem monatliche Telefonkonferenzen vereinbart. Die Teammitglieder arbeiten nicht ausschließlich für unsere Belange. Sie sind Wissenschaftler mit Lehrstühlen an Universitäten und haben auch noch andere berufliche Verpflichtungen. Sie werden sich in der Regel einmal pro Monat für einen Tag treffen und die Ergebnisse ihrer individuellen Untersuchungen zusammentragen, bewerten und danach in unserer Datenbank ablegen. Mindestens alle drei Monate werde ich die einzelnen Teams aber auch persönlich besuchen. Denn ich will den Daumen am Puls des Projekts halten. Später wird es mit Sicherheit auch interdisziplinäre Sitzungen zwischen den einzelnen Teams geben müssen, denn nicht alles kann über schriftliche Aufzeichnungen ausgetauscht werden.«
»Sie scheinen zu wissen, was Sie wollen und wie Sie zum Ziel kommen?«
Der Vorsitzende sprach die Frage eher als Feststellung aus und Jules nickte sogleich zustimmend.
»Ich gewinne nun mal gerne, das ist auch schon alles«, meinte er wenig bescheiden, »und eine nutzbringende Organisation mit klaren Aufgaben, Abläufen und Verantwortlichkeiten ist die Voraussetzung für jedes erfolgversprechende Handeln. Der Erdball ist zu groß und zehn Jahre sind zu kurz, um mit Hacken und Schaufeln blindlings los zu rennen und nach einem sechshundert Jahre alten Gerippe zu suchen.«
Jules hatte seine Stuhllehne längst losgelassen und blickte jedem Mitglied des Projektausschusses kurz in die Augen, erkannte darin Wohlwollen und beginnendes Vertrauen.
»Sie können mir allerdings glauben, dass ich die Aufgabe mit wenig Begeisterung übernommen habe, denn sie bindet einen erheblichen Teil meiner Arbeitszeit. Doch mittlerweile wurde ich, wie ich genauso gerne zugebe, vom Virus dieser Suche angesteckt. Sie wissen sicher, dass ich mein Geld in der Vergangenheit öfters mit Geheimnissen und deren Aufklärung verdiente. Allerdings lagen sie in der Regel nicht so weit in der Vergangenheit.«
»Wenn ich Ihre Zahlen über den Daumen schlage, so sollten die Kosten für das gesamte Projekt mit gut zwölf Million Pfund gedeckt sein?«, meldete sich John Brown wieder zu Wort. Er hatte sich die von Jules genannten Summen auf einem Block notiert und hochgerechnet.
»Ja, so lange alle Beteiligten bloß in den Bibliotheken von China und Europa recherchieren und sich danach periodisch zusammensetzen, um ihre Erkenntnisse zu besprechen und aufeinander abzustimmen, reicht der Betrag sicher problemlos aus«, antwortete ihm Jules offen, »doch ich rechne nicht damit, dass wir ohne Forschungsarbeiten vor Ort auskommen werden. Mit Sicherheit hat Zheng He während seines Lebens ganz Südostasien, Indien, Sri Lanka, die arabische Halbinsel, sowie Ostafrika besucht. Jedenfalls sagen dies seine Steintafeln bei Liunjian und Changle aus. Und da in China ganz offensichtlich das meiste Material über seine Fahrten verloren ging oder geplant vernichtet wurde, müssen wir wohl oder übel anderswo und damit direkt in den von ihm besuchten Ländern nach neuem Material suchen und dort eventuell sogar Grabungen finanzieren.«
Der Vorsitzende Sir Geoffrey verzog seinen Mund und der Unwille war deutlich in seinem Gesicht abzulesen, denn er sah eine Schwemme von zusätzlichen Kreditbegehren auf den Ausschuss zukommen.
»Unser Grand Secretary hat Ihnen sicher erklärt, wie Sie vorzugehen haben, wenn das Projekt zusätzliches Geld benötigen sollte. Bitte halten Sie sich daran, Jules. Vor allem müssen Sie uns für das gewissenhafte Abwägen der Begehren genügend Zeit einräumen.«
»Selbstverständlich.«
»Dann danke ich Ihnen und wünsche weiterhin viel Erfolg. Wir sehen uns in sechs Monaten zu Ihrem zweiten Bericht wieder.«
»Auch ich bedanke mich für die Zeit, die Sie dem Projekt widmen. Sein Erfolg wird nicht zuletzt von Ihnen abhängen, denn nur mit genügender Unterstützung aller Beteiligten«, und damit wandte sich Jules noch einmal direkt dem Grand Secretary zu, »kann das Vorhaben gelingen.«
*
Zurück in Lausanne setzte sich Jules mit Ruth Schnetzler zusammen.
»Hast du die gesamte Million auf unser neues Konto überweisen lassen?«
»Ja, Jules. Der restliche Betrag wurde uns heute Morgen gutgeschrieben.«
»Dann verfügen wir derzeit über etwa siebenhundert tausend Pfund?«
»693’420, um exakt zu sein.«
»Bis Ende Jahr werden wir davon nur etwa die Hälfte benötigen. Den Rest sollten wir darum sinnvoll anlegen. Was schlägst du vor, Ruth?«
»Am Geldmarkt gibt’s vier Prozent im Moment.«
Jules musste lächeln.
»Vier Prozent? Das ist eindeutig zu wenig. Lass bitte die englischen Pfund in Schweizer Franken umtauschen. Und dann kaufst du Put Optionen auf einige große SMI Titel aus der Finanzbranche, also von Banken und Versicherungen. Was du kaufen willst, überlasse ich dir. Die Optionen sollten aber mindestens bis Ende 2003 laufen und sie sollten bereits ein wenig im Geld stehen.«
Ruth sah ihn fragend an.
»In den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten wird die Wirtschaft mit Sicherheit abkühlen, denn die Nationalbanken werden irgendwann einmal mit der Inflationsbekämpfung beginnen müssen und darum ihre Zinssätze erhöhen. Darunter wird die Börse und vorrangig die Finanzwerte leiden und da sollten wir unbedingt dabei sein.«
»Okay, das habe ich soweit verstanden. Und wann verkaufen wir wieder?«
»Unser Gewinnziel legen wir erst in einem Jahr fest. So lange halten wir die Optionen auf jeden Fall.«
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