Noch zögerte der Kaufmann, schien in sich hinein zu horchen. Und so sah sich Zheng He genötigt, nachzudoppeln.
»Selbstverständlich wäre ein solches Vorgehen kaum im Sinne unseres himmlischen Kaisers. Unsere Vereinbarung dürfte ihm selbstverständlich nicht zu Ohren kommen. Es müsste wie ein Angriff der Piraten auf die Flotte aussehen.«
Er sah den Kaufmann nun seinerseits abschätzend an. War der Mann nun endlich bereit, den unsicheren Pfad eines Bestechungsversuchs zu gehen?
»Ja, ehrenwerter Zheng He, ein solches Abkommen müsste tatsächlich vertraulich behandelt werden«, antwortete ihm Hsia Yuan-chi vorsichtig abwägend, »doch wäre es überhaupt durchführbar? So viel ich gehört habe, werden die Truppen der Schatzflotte von Zhu Zhen und Wang Heng geführt, zwei hervorragende und als äußert besonnen geltende Männer.«
»Ja, das stimmt. Und sie sind zudem absolut unbestechlich. Doch auf See bin ich der oberste Kommandant und selbst die beiden militärischen Kommissare Zhu und Wang unterstehen meinem Befehl. Nur bei Landoperationen können sie mich gemäß kaiserlichem Befehl überstimmen.«
Damit war alles gesagt und es lag nun an Hsia Yuan-chi, den entscheidenden Schritt zu unternehmen. Falls der Kaiser jemals vom Bestechungsversuch seines Chef-Eunuchen erfahren sollte, wären der Kaufmann und seine gesamte Familie verloren. Der Händler dachte deshalb weiterhin angestrengt darüber nach, ob er es wirklich wagen durfte. Doch dann entschloss er sich plötzlich das Risiko einzugehen. Der zusätzliche Gewinn auf den Importgütern ohne die Piraten in Palembang war selbst für den überaus reichen Kaufmann kaum vorstellbar, so riesig musste er ausfallen. Dafür lohnte sich jedes Risiko.
Hsia Yuan-chi leckte sich über die trocken gewordenen Lippen und fragte dann heiser geworden: »Wie viel würde Ihre Unterstützung, ehrenwerter Zheng He, denn kosten?«
Die Frage stand im Raum. Zheng He ließ sie dort erst einmal stehen, widmete sich der kleinen Porzellantasse mit dem warmen Reiswein, der köstlich nach Aprikosen und Mandeln duftete. Er nippte genüsslich davon und stellte die Tasse danach vorsichtig auf das Tellerchen zurück. Dann wandte er sein Gesicht wieder dem Kaufmann zu und lächelte zufrieden.
»Wie viel wäre Ihnen, ehrenwerter Hsia Yuan-chi, die Beseitigung von Chen Zuyi denn Wert?«
Seine Gegenfrage kam ihm leicht über die Lippen, so als wenn sie sich über die kommende Reisernte unterhalten würden und nicht einen Hochverrat am Kaiser planten.
»Fünfhunderttausend Taels Silber jetzt und noch einmal fünfhunderttausend nach Ihrer Rückkehr.«
Der Kaufmann hatte sich endgültig für die Flucht nach vorne entschieden und mit seinem Angebot eine erste Marke gesetzt. Eine Million Taels in Silber war ein fantastisch hohes Bestechungsgeld. Doch Hsia Yuan-chi war sich sicher, dass er diesen Betrag ohne die Piraten im Süden in wenigen Monaten zusätzlich verdienen konnte. Falls ihm Zheng He aber bloß eine Falle gestellt hatte, so war er mit diesem offenen Bestechungsversuch bereits verloren. Die Anspannung stand dem Kaufmann darum ins Gesicht geschrieben und er begann zu schwitzen. Seine Augen flackerten unruhig, während er sich mit dem Ärmel fahrig über die Stirn fuhr und auf die Antwort des Chef-Eunuchen wartete. Denn alles hing von dessen Erwiderung ab, Leben oder Tod, riesiger Gewinn oder unendliche Schmach für ihn, seine Familie und alle seine Vorfahren. Warum antwortete ihm der verdammte Eunuch immer noch nicht? Warum hockte der Kerl einfach da und sah ihn bloß dämlich lächelnd an? Verdammt noch Mal. War er vielleicht doch in eine Falle getreten?
Zheng He ließ sich mit seiner Antwort bewusst viel Zeit, nahm nun seinerseits erst einmal eine der köstlichen Jakobsmuscheln in den Mund, kaute sie mit sichtlichem Genuss und Vergnügen, schluckte sie und nickte dem Kaufmann dann zufrieden zu.
»Lassen Sie uns, ehrenwerter Hsia Yuan-chi, verhandeln.«
*
»Ist alles für die Reise vorbereitet?«
Die Stimme des mächtigen chinesischen Kaisers Yung-Lo klang ungeduldig und Zheng He senkte seine Stirn unwillkürlich noch ein Stück tiefer zu Boden. Er kannte seinen Herrn schon seit über zwanzig Jahren, hatte ihm immer treu gedient und war von ihm mehrfach ausgezeichnet und belohnt worden. Doch als Untertan des himmlischen Kaisers musste er entsprechend der Etikette vor ihm knien und durfte ihn nicht anblicken, so wie alle anderen Untertanen.
»Ja, oh Himmlischer«, sprach er zur Marmorplatte vor seinem Gesicht, »die Schiffe sind gerüstet, die Männer ausgebildet, die Vorräte verstaut. Und wir werden Handelswaren im Werte von drei Millionen Taels an Bord nehmen.«
»Und die tausend Holzkisten?«
»Sie sind bereits auf dem Hauptschiff untergebracht und werden von fünfhundert ausgesuchten Männern bewacht. Niemand wird sich den Kisten nähern können.«
»Viel hängt davon ab, dass du Erfolg hast, Zheng He«, sprach der Kaiser väterlich und ermahnend zugleich. Er mochte den Eunuchen seit seinen ersten Tagen an seinem Prinzenhof in Beiping. Er war klug, belesen, nicht allzu religiös oder abergläubisch, jedoch energisch und absolut furchtlos, alles Eigenschaften, die Yung-Lo sehr schätzte. Wäre er immer noch Prinz, so wären er und dieser hochaufgeschossene Chef-Eunuch längst zu Freunden geworden.
»Ja, oh Himmlischer, die Verantwortung ist mir sehr bewusst, doch gleichzeitig beflügelt mich das Vertrauen seiner Göttlichkeit in meine bescheidene Person.«
»Ja, ja«, winkte der Kaiser ungeduldig ab, denn er konnte übertriebene Unterwürfigkeit nicht ausstehen, auch wenn er sie ständig und von allen Seiten hören musste, »mich interessiert vielmehr, wie viel Hsia Yuan-chi letztendlich ausgespuckt hat. Wie mir berichtet wurde, hast du dich gestern mit ihm in seinem Haus getroffen. Hast du gut verhandelt?«
Es war von Anfang an der Plan des Kaisers gewesen, seine Schatzflotte nicht durch den Staat, sondern durch jemand anderen bezahlen zu lassen. Auch er wusste von der Rivalität zwischen Hsia Yuan-chi und Chen Zuyi und auch wenn er sich als Regent normalerweise aus den kleinlichen Geschäften der Händler heraushielt, so kam ihm diese Gelegenheit, seinen Staatshaushalt zu schonen, äußerst gelegen.
»Seine Kostenbeteiligung beträgt eine Million Tales in Gold und drei Millionen Taels in Silber. Der Betrag wurde mir heute Mittag übergeben und ist bereits der kaiserlichen Schatzkammer zugeführt.«
Die Stimme von Zheng He konnte den Anflug von Triumph nicht ganz unterdrücken. Nach mehreren Stunden nervenaufreibender Verhandlung hatte er einen gewaltigen Berg an Gold und Silber aus dem Kaufmann herausgeschlagen.
Entweder hatte der Kaiser den nur mühsam unterdrückten Stolz in der Stimme von Zheng He nicht erkannt oder er war ihm egal, denn nun begannen seine Augen unternehmungslustig und gleichzeitig gierig zu funkeln.
»So viel konnte der Kerl bezahlen? Meine Güte. Unsere Steuern scheinen wohl immer noch nicht hoch genug zu sein, wenn ein einfacher Händler so viel Reichtum anhäufen kann. Aber gut. Du hast meine Erwartungen erfüllt, Zheng He.«
Der Chef-Eunuch wusste, dass dies eine starke Untertreibung war. Der Bau der gesamten Flotte hatte einiges weniger als das Bestechungsgeld des Kaufmanns gekostet und selbst wenn man die Ausgaben für die siebentausend Mann Besatzung, für die über zwanzigtausend Soldaten und die tausenden von Tonnen an Lebensmitteln für die lange Reise hinzuaddierte, so würde das Geld des Kaufmanns immer noch sämtliche Kosten für die Fahrt nach Indien decken. Doch von seinem Kaiser sollte man nicht allzu viel Dankbarkeit erwarten. Auch das war dem Eunuchen bewusst.
»Dann wünsche ich dir und der Flotte viel Erfolg in Calicut. Ich bin mir sicher, dass du mich auch weiterhin nicht enttäuschen wirst.«
Die Worte des Kaisers beendeten ihre Unterredung. Zheng He neigte seine Stirn noch einmal bis auf den Marmor, dann kroch er auf Knien und Händen gestützt rückwärts zur Tür des privaten Besprechungszimmers. Erst dort stand er auf, öffnete sie, trat hinaus und schloss sie leise hinter sich. Allein der Umstand, dass ihn sein Kaiser unter vier Augen und ohne Wachsoldaten empfangen hatte, zeigte das unerschütterliche Vertrauen, das dieser seinem großen Direktor entgegenbrachte.
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