Gerhard Nattler
Tod eines Ruderers
Kommissar Berendtsen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Gerhard Nattler Tod eines Ruderers Kommissar Berendtsen Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel – Montag, 9. September
2. Kapitel – Dienstag, 10. September
3. Kapitel
4. Kapitel – Mittwoch, 11. September
5. Kapitel
6. Kapitel – Donnerstag, 12. September
7. Kapitel
8. Kapitel – Freitag, 13. September
9. Kapitel – Samstag, 14. September
10. Kapitel – Montag, 16. September
11. Kapitel
12. Kapitel – Dienstag, 17. September
13. Kapitel – Mittwoch, 18. September
14. Kapitel
15. Kapitel – Donnerstag, 19. September
16. Kapitel
17. Kapitel – Freitag, 20. September
18. Kapitel
19. Kapitel – Samstag, 21. September
20. Kapitel – Sonntag, 22. September
21. Kapitel – Montag, 23. September
22. Kapitel
23. Kapitel – Dienstag, 24. September
24. Kapitel
25. Kapitel – Mittwoch, 25. September
26. Kapitel – Donnerstag, 26. September
27. Kapitel – Freitag, 27. September
28. Kapitel – Montag, den 30. September
29. Kapitel – Dienstag, den 1. Oktober
30. Kapitel
31. Kapitel
Impressum neobooks
1. Kapitel – Montag, 9. September
Dr. Klara Kötter war nicht mehr die Schnellste, auch nicht die Jüngste, aber sie war rüstig und fit und fühlte sich noch lange nicht zum alten Eisen gehörig. Die Hüftoperation hatte sie gut überstanden. Seit einigen Tagen lebte sie wieder in ihren eigenen vier Wänden. Sie hatte einen ersten kurzen Spaziergang unternommen, um den Gang mit ihren neuen Gehstöcken zu testen. Auf einer Bank auf dem Deich unweit der Hervester Brücke hatte sie eine kleine Pause eingelegt und träumte in der warmen Sonne des Spätsommers vor sich hin. Sie stellte fest, dass der Kirchturm der Agathakirche durch den Neubau einer Fabrik mit einem Hochhaus und hoch aufragenden Rohren im Gewerbegebiet von hier aus nicht zu sehen war. Sie hatte noch nie auf dieser Bank Platz genommen. Wenn sie mit ihrem Mann einen Spaziergang machte, wurden es größere Distanzen, wenn sie nicht gerade in die andere Richtung gingen.
Ihr Haus befand sich an der Blumenstraße auf einem großen, weitläufigen Grundstück, das an die nördlich der Lippe gelegenen Wiesen grenzte. Im Vorgarten grünte und blühte es von Februar bis in den Oktober. Ganz wie es der Name der Straße erforderte. Hinter dem Haus, nach Süden gelegen, verfügte das Anwesen über einen großen, teils der Natur überlassenen Garten. Von der Terrasse aus hatte man freie Sicht über die Lippeauen bis zum Kirchturm der Agathakirche, dessen Turmspitze über den Deich und die ersten Dächer der Stadt hinausragte. Der Ausblick war ihr sehr vertraut, denn sie hatte schon als Kind in diesem Haus gewohnt, das sie nach dem Tod ihrer Eltern behalten hatte, obwohl ihr so mancher Verwandte davon abgeraten hatte. Inzwischen hatte sich der Turm zweimal verändert. Nach dem Krieg stand er lange Zeit ohne Spitze da, aber heute strahlte diese in der Sonne mit ihrer glänzenden Patina. Das Haus war aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts und sie stellte die vierte Generation, an der es lag, das alte Gutshaus zu erhalten. Sie würde es ihren beiden Kindern vererben, bei denen sie die Tradition des Anwesens gut verwahrt glaubte. Sie dachte an ihre Kinder. Benedikt und Annalena mochten das Haus. Beide waren fleißig und nicht dumm, hatten ihr Abitur ohne eine Ehrenrunde gemacht und befanden sich im Studium. Zurzeit verfeinerte Benedikt seine Kenntnisse auf dem Gebiet des Ruderleistungszentrums in Dortmund. Seine Schwester war leidenschaftliche Radsportlerin und erweiterte ihren Horizont im Zentrum für Radsport an der Universität in Halle an der Saale.
Das Rattern eines Motorrades riss sie aus ihren Träumen. Das gleißende Sonnenlicht blendete sie einen Moment. Sie zog die Sonnenbrille, die sie wie einen Haarreif in ihrer Frisur stecken hatte, vor die Augen und erschrak bis ins Mark. Unter der Brücke trieb ein Kanu kieloben und dahinter rang ein Mensch um sein Leben. Er versuchte, sich mit letzter Kraft an seinem Boot festzuklammern, aber er schaffte es nicht. Es war glatt und bot keine Angriffsfläche. Er trieb mit dem Strom. Das Kanu gewann Abstand.
Eine Person mit einem Motorradhelm knatterte mit einer Vespa auf dem Leinpfad von der Brücke in ihre Richtung. Sie blickte zu ihr hoch, fuhr vorüber. Ein Gesicht war unter dem dunklen Visier nicht zu erkennen.
Die Person im Fluss war ein Mann. Als er an ihr vorübertrieb, erkannte sie Blut und ahnte als erfahrene Ärztin, dass er es nicht schaffen würde. Sie suchte instinktiv nach ihrem Handy, das sie jedoch nicht bei sich trug, weil sie wegen der Gehhilfen auf ihre Handtasche verzichtet hatte. Sie hastete so gut es ging nach Hause. Trotz aller Anstrengungen brauchte sie zwanzig Minuten. Sie hatte Mühe, auf ihren Krücken stehend die Terrassentür aufzuschieben. Theo hatte sie vollständig zugezogen.
»Polizei! Theo, wir müssen die Polizei anrufen!«, hustete sie außer Atem. Draußen kämpft jemand um sein Leben! Er treibt in der Lippe.«
Theo hatte von all dem nichts mitbekommen. Er telefonierte mit der Uni. Sie bedeutete ihrem Mann, den Hörer aufzulegen, aber er winkte ab, zeigte mit verkniffenen Augen an, dass er Mühe hatte, das Gespräch zu verfolgen. Daher griff sie in das Seitenfach der kleinen braunen Handtasche, die auf der Garderobe lag und fischte ihr Handy heraus. Sie drückte auf Notruf und regte sich über die Frage des Telefons auf: »Soll der Notruf gewählt werden?« Sie bestätigte.
»Notruf der Polizei. Mein Name ist Rosemarie Günther«, meldete sich eine Frauenstimme.
»Hier spricht Dr. Klara Kötter aus Dorsten«, begann sie mit ihrer Ausführung, gab ihre Adresse durch und beschrieb ihre Beobachtung.
Sie solle sich beruhigen und zur Verfügung halten, mahnte die Stimme. »Ich werde sofort zwei Kollegen zu Ihnen schicken! « Sie wiederholte noch einmal die Adresse. Klara Kötter stimmte zu.
****
Es vergingen zwanzig Minuten bis zwei Leute der Wasserschutzpolizei eintrafen.
Sie schellten an. Es öffnete eine gepflegte Dame in einer Jeans, grünem Poloshirt und einer dunkelgrauen, ärmellosen Strickweste. Die mit weißen Strähnen durchwachsenen üppigen Haare waren locker zu einem Dutt zusammengebunden und mit einer Sonnenbrille geschmückt. Auf Gehstöcken aus Aluminium gestützt, begrüße sie mit sorgenvoller Miene ihren Besuch.
»Guten Tag, meine Herren. Sie sind von der Kripo?«
»Wehling, mein Kollege Tracke.« Sie zeigten ihre Ausweise. »Wir sind von der Wasserschutzpolizei.«
»Klara Kötter.«
Sie führte die Herren durch den Flur, das Wohnzimmer, über die Terrasse durch den Garten. Bis endlich die Natursteintreppe erklommen war, dauerte es eine Weile. Klara merkte ihre Hüfte. Sie wollte nur einen kleinen Spaziergang versuchen und nun war die ganze Angelegenheit zu einem Ereignis ausgeartet. Leicht außer Atem durch die mangelnde Bewegung während des Krankenhausaufenthaltes entschuldigte sie sich:
»Es tut mir leid, meine Herren. Ich bin im Augenblick nicht gut zu Fuß. Bin mit einer neuen Hüfte unterwegs. Die Reha wird mich wieder in Schwung bringen.«
Wehling sah sich um. »Nun erzählen Sie uns bitte, was sie beobachtet haben.«
»Ich habe mir etwas Bewegung verschaffen wollen und bin hier auf dem Deich bis dort hinten zur Bank, ungefähr auf halbem Weg von hier bis zur Brücke. Dort habe ich mich ein wenig in die Sonne setzen wollen, um dann wieder umzukehren. Leider bin ich etwas eingenickt, bis mich dieser Vespafahrer mit seinem Geknatter aufgeweckt hat. Ich erschrak über den blutenden Mann in der Lippe neben seinem Kanu, der sich verzweifelt bemühte, sich an seinem Kanu festzuhalten, aber er schaffte es nicht. Es war schier nicht möglich. Wenn er schon nicht ans Ufer gelangen konnte, hätte er unter das Boot tauchen sollen. Dort hätte er Gelegenheit gehabt, sich festzuhalten. Und Luft hätte er auch gehabt, bis das Kanu irgendwo zu Stillstand kommt. Aber das hat er anscheinend nicht bedacht. Oder er hatte nicht die Kraft dazu. Deshalb denke ich, dass er verletzt war. Warum konnte er sich nicht ans Ufer retten? Wir sind als Kinder schon durch den Fluss geschwommen. Es gab sogar weiter in Richtung Stadt eine Badeanstalt.«
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