Gerhard Nattler
Brillant ist nur der Tod
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Inhaltsverzeichnis
Titel Gerhard Nattler Brillant ist nur der Tod Dieses ebook wurde erstellt bei
Meran, den 15. August
Am selben Tag
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Sonntag, der 15. August
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Impressum neobooks
Octavio Altani hätte zufrieden sein können mit seinen Eisdielen. Das Wetter war wunderbar warm heute am 15. August, dem Feiertag Mariä Himmelfahrt, der in diesem Jahr auf einen Sonntag fiel. Heute war für die meisten Italiener der Beginn des Urlaubs. Die Sonne gab ihr Bestes. Die Promenade in Meran war gut besucht, um nicht von Überfüllung zu sprechen. Die Einheimischen hatten sich nach dem Kirchgang in St. Nikolaus unter die Touristen gemischt und den ganzen Tag lang strebte alles in die Lokale, Cafés und Eisdielen um sich zu erfrischen, sei es mit einem Glas Prosecco, einem Viertele oder einfach einem Eis im Hörnchen. Jedoch kümmerte es ihn wenig. Er lag eingerollt in einer festen Plastikfolie im Kofferraum seines BMW X5 und war tot.
So dachten jedenfalls die Fahrer.
Wie lange er bewusstlos gewesen war, wusste er nicht. Sein Kopf dröhnte, schien zu platzen. Bei jedem Kanaldeckel hätte er am liebsten laut aufgeschrien, aber mit Rücksicht auf die Unterhaltung der Männer auf den Vordersitzen zog er es vor, die Zähne zusammenzubeißen und ruhig zu bleiben. Er ging davon aus, dass Fahrer und Beifahrer die gleichen Leute waren, die ihm in seiner Apfelplantage mit einem Betonstab eins übergezogen hatten. Seine Sinne arbeiteten fieberhaft. Tatsache war: er war in einer überaus misslichen Lage. Die Chance, hier noch einmal davonzukommen, war gleich null. Allerdings war es nicht das erste Mal, dass er den Tod vor Augen hatte. Das Wichtigste war zunächst, absolute Ruhe zu bewahren und seine Widersacher im Glauben zu lassen, er sei tatsächlich tot.
Octavio versuchte, sich zu erinnern:
Er war gegen drei Uhr am Nachmittag in die Plantage gefahren. Die Zeit wusste er genau. Er hatte ein Telefongespräch geführt. Jemand hatte ihn angerufen, um ihm mitzuteilen, dass der Obstbauer, der die Anbaufläche neben ihm bewirtschaftete, seinen Garten mit Insektengift einsprühen würde. Dieses war im Vinschgau streng verboten. Die Bauern hatten sich darauf geeinigt, abgestimmt und die Verordnung verkündet, dass keiner sprühen durfte, damit das Obst aus dieser Region das Prädikat »Bio« für sich beanspruchen durfte. Der Anruf war anonym gewesen. Das war logisch. Keiner würde es sich mit der Dorfgemeinschaft verderben wollen, weil er solche Nachrichten weitergab. Also hatte er sich schleunigst auf den Weg gemacht. Von einem Sünder war allerdings nichts zu sehen gewesen. Da er nun schon einmal vor Ort war, konnte er auch eben seinen Besitz kontrollieren, um wegen des vorausgesagten Gewitters keine Überraschung zu erleben. Das kam im Vinschgau immer recht heftig nieder, häufig mit dicken Hagelkörnern, wie jeder wusste, der sich hier ein wenig auskannte. Stutzig hätte er werden müssen, als er auf der Grasnarbe zwischen den Fahrspuren des Traktors frische Tritte festgestellt hatte. Zwei Personen. Außerdem war einer der beiden anscheinend auf dem feuchten Untergrund ausgerutscht und hatte sein Messer verloren. Beim Betrachten dieses schweren Messer mit Springklinge fiel ihm ein Emblem am Anfang der Klinge auf. Es handelte sich um ein stilisiertes Stiergehörn. Das Zeichen erinnerte ihn an das Zeichen für das Sternbild Stier. Darunter stand »MADE IN USA«. Er hatte das Messer in seinen Gummistiefel gesteckt und überlegt, während er die Netze kontrolliert hatte, woher er dieses Zeichen kannte. Er meinte auch jetzt, dieses Zeichen schon einmal irgendwo gesehen zu haben.
Ihm fielen die Augen zu.
»Zwei Bar, passt!« Georg war zufrieden mit dem Luftdruck. »Hast du deinen Reifendruck geprüft?«
»Gestern.«
Die beiden Freunde und Kollegen Georg und Markus befestigten ihre Mountainbikes auf dem Dach von Georgs Passat und verstauten die Rücksäcke im Kofferraum. Ein kurzer Blick nach dem Reparatur-Set. Komplett.
»Ich habe vier belegte Semmeln, Käse, eine Kaminwurzen und für jeden einen Apfel. Auf die Capes können wir bei diesem Wetter getrost verzichten, denke ich.«
Er klopfte seine Taschen ab.
»Mein Taschenmesser habe ich in der Hosentasche, Wasser insgesamt drei Liter und das, was noch in den Haltern ist. Hier sind noch zwei Schoko- und Müsli-Riegel. Das reicht. Was ist mit deinem Helm?«
Markus lief zurück und brachte den Helm.
»Hast du neue Schuhe? Shimano … Geil! Die kosten richtig Asche, oder?« Georg begutachtete sie genau.
»Gar nicht mal. Es ist ein Vorjahresmodell. Dreißig Prozent. Weißt du, nach dem Ski-Unfall im Februar habe ich mir diese Schuhe gegönnt. Man kann bei denen die Fersengröße anpassen. Weil ich seit der Achillessehnen-OP die kleine Narbe habe, drücken hinten die alten Treter bei längerer Fahrt. Das ist nervig. Diese habe ich perfekt auf die jeweilige Hacke eingestellt. Solltest du auch probieren. Ich habe sie in der Reha bereits beim Spinning benutzt und inzwischen drei kleine Fahrten damit gemacht. Ich muss sagen, sie gefallen mir sehr gut. Vor allen Dingen konnte ich die Pedalplatten der alten Schuhe übernehmen.«
»Die sind verdammt leicht.«
»750 Gramm komplett mit Cleats.«
»Sauber!«
Die kurvenreiche Straße mit Kehren und Tunneln endete auf einem großen Parkplatz in 1200 Metern Höhe, direkt beim Gasthaus Thurner. Er war noch kaum zu einem Drittel gefüllt. Er parkte seinen Wagen so, dass er bei seiner Rückkehr am späten Nachmittag im Schatten stehen würde. Marie war gerade dabei, die Tische für die erwarteten Gäste zu decken und winkte ihnen zu.
»Na, Markus, wie geht’s immer mit dem Bein?«
»Soweit bin ich zufrieden. Heute kommt der erste größere Test. Bin gespannt.«
Er warf ihr einen Handkuss zu, den sie nur zu gerne erwiderte. Sie wäre gerne auch einmal mit ihm zusammen gefahren oder noch lieber einmal gewandert. Mit dem Mountainbike zu fahren, war nicht ihr Ding. Beim Après Ski einen Tag vor seinem Unfall hatten sie beide sich in den Holzschober zurückgezogen und er hatte sie intensiv geküsst. Sie hatte an dem Abend die Hoffnung gehabt, dass Markus diese Küsse ebenso genossen hatte wie sie. Leider hatte er am nächsten Tag den Sturz gebaut, vielleicht wäre sonst mehr daraus geworden. Ein stiller Seufzer hob ihr Dirndl an. »Ich wünsche euch viel Spaß. Übernimm dich nicht, Markus«, rief sie noch hinterher. »Und lasst euch mal wieder sehen.«
Er winkte kurz.
Der Sessellift stand still. »Wartungsarbeiten«, las Georg auf einem Hinweisschild. »Dann bekommen wir wahrscheinlich beim Prandler-Wirt auch noch einen Platz auf der Terrasse«, freute sich Georg.
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