Joana Redfeather war die Tochter des Hoch-Admirals und ebenfalls eine Sioux von reiner Abstammung. Eigentlich war sie stolz auf ihre schwarzen Haare, doch für diese Mission hatte sie deren Länge auf drei bis vier Millimeter reduzieren müssen. Eine Notwendigkeit, wenn man den Sensorhelm eines Kampfanzuges tragen wollte. Derzeit trug keiner der männlichen oder weiblichen Trooper mehr als das Unterzeug, denn es war viel zu warm an Bord. Doch Waffen und Kampfanzüge wurden mitgeführt, auch wenn es bislang keine Anzeichen dafür gab, sie jemals zu benötigen.
Bislang verlief der Flug ohne besondere Ereignisse und zugleich überaus erfreulich, denn der neue Taster schien ausgezeichnet zu funktionieren. Derzeit bewegte man sich in einem Sektor, der schon lange vermessen und kartiert worden war. Eine ideale Voraussetzung, um die Zuverlässigkeit des Prototypen zu testen.
Joana Redfeather befehligte ein Bataillon der fünften Raumkavallerie, welches aus den Troops A, B und C bestand. Eigentlich war ihr Rang zu hoch, um die Eskorte dieser Mission zu befehligen, doch Colonel Carruthers, der Befehlshaber des Regiments, hatte sie hierzu abgeordnet.
„Wahrscheinlich werden Sie sich bei diesem Flug zu Tode langweilen, Major“, hatte Carruthers lächelnd gesagt, „doch dieser Hiromata-Taster ist brandneu und streng geheim. Er könnte sich als entscheidende Waffe im Kampf gegen die Piraten erweisen und so wird die Sky-Cav alles tun, um die wertvollen Prototypen zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie auch geheim bleiben. Offiziell hat Second-Lieutenant Blenheim den Befehl über die Eskorte. Ihre Sorge gilt dem Taster. Ein gelegentlicher Blick auf Blenheim kann aber nicht schaden. Er ist ganz ohne praktische Erfahrung.“
Joana kam dieser Befehl durchaus gelegen. Auch wenn sie die Tochter des Oberbefehlshabers war, so war sie jedoch keineswegs sein Protegé und hatte sich ihren Rang durch Mut und Kampferfahrung erworben. Das schützte sie jedoch nicht vor der Routine, der die Kavalleristen nun einmal unterworfen waren. Ein Ausflug in den Raum erschien ihr allemal verlockender als Fortbildungen, Drill und Verwaltungsarbeit, mit denen sie momentan die meiste Zeit auf der Arcturus-Basis verbringen musste.
Colonel Carruthers hatte ihre freie Hand bei der Auswahl der Trooper gelassen, die zur Eskorte gehören sollten. Joana hatte diese „carte blanche“ voll ausgeschöpft und die erfahrensten und härtesten Angehörigen aus ihrem Bataillon gewählt.
Sergeant-Major Mario Basari war Regimentsfeldwebel der fünften Sky-Cavalry. Er war stolz auf seine italienischen Wurzeln. Seine Haare waren inzwischen grau geworden. Er war groß, hager und durchtrainiert. Er hatte einst als Sergeant unter Hoch-Admiral Redfeather gedient und dem damaligen Lieutenant geholfen, ein so hervorragender Offizier zu werden. Basari war mehrmals angeboten worden, selbst die Offizierslaufbahn einzuschlagen, doch dies lehnte er immer mit der Begründung ab, dass sich ja auch jemand um die „Jungs und Mädels“ kümmern müsse. Keiner zweifelte daran, dass Basari zu den Besten gehörte. Die Troopers respektierten und liebten ihn, wohl auch, weil er den Mist, der gelegentlich in der Truppe auftrat, meist persönlich regelte, bevor der Gestank die oberen Ränge erreichte.
Sergeant June Galley war ausgesprochen hübsch, scharfzüngig und gefährlich, denn sie gehörte zu den Kanonieren unter den Troopern. Im Kampf führte sie eine der tragbaren Gatling-Kanonen mit tödlicher Präzision. Sie war klug, gelegentlich allerdings auch ein wenig heißblütig. Sie und Sergeant Dan Riordan waren nahezu unzertrennlich. Riordan nahm ihre spöttischen Bemerkungen mit Gelassenheit. Er war der Medo-Tech der kleinen Truppe und hatte sich im Verlauf der zahlreichen Einsätze ein umfassendes Wissen angeeignet. Er war mit seinem Medo-Set ebenso geschickt wie mit seinem Karabiner M73-E.
Corporal Holger „Bear“ Bremer war ein Hüne. Was Körperkraft und Ausdauer betraf, gab es immer wieder die Behauptung, Bremer benötige keinen Kampfanzug mit bionischer Verstärkung, er sei Kampfanzug genug. Er war ein gutmütiger Riese und immer die erste Wahl, wenn es darum ging, einen anderen Trooper aus einer Gefahr herauszuhauen oder Auseinandersetzungen mit einer gewissen Nachdrücklichkeit zu schlichten.
Die Troopers Wellton und Zerdeck waren so erfahren, wie man es von Raumkavalleristen erwarten konnte. Joana hatte sie auf Basaris Rat hin mitgenommen, weil beide ausgesprochen gutmütig waren, was sich unter den beengten Verhältnissen in der Looking Glass als hilfreich erwies.
Lieutenant Carl Blenheim besaß offiziell das Kommando über die Eskorte. Der kleine und schmächtige Offizier kam frisch von der Akademie des Mars. Er war vollgestopft mit theoretischem Wissen und bar jeglicher praktischer Erfahrung. Basari war allerdings schon nach wenigen Tagen der Überzeugung, dass Blenheim das richtige Maß an Neugierde und Eifer an den Tag legte und das Zeug zu einem guten Offizier aufwies.
Über die Flug-Besatzung des Bootes hatte sich Joana Redfeather noch kein genaues Bild machen können. Captain Mireille Delonge, Co-Pilot Lieutenant Dan Meiker und Tech-Sergeant Lem Petzold machten einen fähigen Eindruck, doch das war von Navy-Personal auch nicht anders zu erwarten. Gleiches galt für Tech-Lieutenant Jennifer Hartmann. Die hübsche Rothaarige war Offizier der Sky-Navy, gehörte jedoch zum technischen Stab der Hoch-Koordinatorin Candice Bergner. Hartmann hatte die Installation des Prototypen überwacht und bediente ihn während dieser Mission.
Joana war nach vorne ins Cockpit des FLV gegangen, wo derzeit Captain Delonge am Steuer saß. Lieutenant Blenheim hatte Co-Pilot Petzold abgelöst, der nun in einer der Kojen lag. Trooper Zerdeck saß am Platz des Tech-Spezialisten. Da die Flugmannschaft im Augenblick auf drei Personen reduziert war, hatte man mit Bedacht Trooper ausgewählt, die Kenntnisse in der Handhabung eines FLV besaßen. Joana hatte nie gelernt, ein Landungsboot zu steuern und gab unumwunden zu, dass sich Second-Lieutenant Blenheim bislang überraschend gut bewährte.
Joana klappte den Notsitz aus der Rückwand des Cockpits und saß nun dicht hinter Delonge und Blenheim. In ihrem Unterzeug wirkte sie wie ein Fremdkörper, da die anderen den Bordoverall mit seinen sensorischen Anschlüssen trugen, und Pilot und Co-Pilot zudem die Virtual-Reality-Helme aufgesetzt hatten. „Hallo, Captain“, grüßte sie freundlich. „Etwas Neues hier vorne?“
Mireille Delonge, eine stämmige Frau mit mädchenhaften Gesichtszügen, wandte den Kopf. Unter dem Helm, der nur die Kinnpartie frei ließ, war nichts von ihrem Gesichtsausdruck zu erkennen, aber der leichte Spott in ihrer Stimme war unverkennbar. „Langeweile, Major?“
„Kann man so sagen“, gab Joana zu.
„Ich würde jetzt gerne feststellen, wie überlastet das Navy-Personal an Bord ist“, meinte die Kommandantin des FLV, „aber leider müsste ich lügen. Was allerdings auch der Mitarbeit Ihrer Truppe zu danken ist, Major.“ Die Pilotin blickte wieder nach vorne, obwohl dies kaum erforderlich war, da der Helm ihr ein perfektes Abbild des umgebenden Raums ermöglichte und zudem eine Reihe von Informationen vermittelte. „Ehrlich gesagt, Major, man hätte für diese Testflüge besser ein paar Kreuzer abgestellt. Wir sind bis zur Dachkante mit tetronischem Zeugs vollgestellt und als sei das nicht genug, schiebt man uns Ihre Truppe ins Boot. Ich war schon versucht, an alle Öl auszugeben, damit man sich auch in unsere Sardinenbüchse hineinquetschen kann.“
„Sardinenbüchse?“ Joana runzelte die Stirn.
Delonge lachte. „Ein winziger Fisch auf der alten Erde, den man mit mehreren Exemplaren in kleine Blechbehälter quetschte. War zum Verzehr gedacht. Sie essen Fisch, Major?“
„Gelegentlich. Ich stehe eher auf ein saftiges Steak.“
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