Der Erste des Ersten schien zu nicken. „Darauf werde ich später zurückkommen. Erster des Sechsten, wie viele Schiffe werden in nächster Zeit fertiggestellt?“
„Fünf, Herr. Allesamt schwere Kreuzer.“
„An Zahl der Schiffe sind wir der Sky-Navy des Feindes somit zumindest gleichwertig, wenn man von zwei Dingen absieht: seinen gefährlichen Railguns, die unserer Bewaffnung deutlich überlegen sind, und der Anzahl seiner Trägerschlachtschiffe. Fighteneral Woronzev, welche Aussichten sehen Sie bei einer offenen Schlacht?“
„Nun, wenn man die Träger des Feindes nicht einbezieht, haben wir gute Chancen, die Flotte des Feindes zu vernichten.“
Die Schattengestalt lachte leise. „Ich halte das für eine sehr optimistische Einschätzung, Fighteneral. Nein, wir können eine offene Konfrontation nicht riskieren. Unsere Chance liegt vielmehr darin, den Feind in einen Hinterhalt zu locken. Die eroberte Königsgrätz kann dabei eine entscheidende Rolle spielen. Für die Vernichtung des Feindes habe ich einen dreistufigen Plan ausgearbeitet. Für Stufe Eins werden wir einen abgelegenen Kolonialplaneten des Direktorats wählen. Wir werden seine Kommunikation stören und an Stelle der dortigen Kolonialverwaltung einen Notruf an das Direktorat senden. Irgendeine planetare Katastrophe, die den Einsatz der Trägerschlachtschiffe als Rettungsschiffe erfordert. Die damalige Katastrophe auf Neijmark zeigt, dass wir damit drei oder sogar vier der Träger des Feindes binden können. Natürlich wird die Täuschung nicht lange vorhalten. Der Feind benötigt acht Stunden, um die angeblich in Not befindliche Kolonie zu erreichen, allerdings auch weitere acht Stunden, bis er die Hiromata-Antriebe wieder für einen erneuten Nullzeit-Sturz geladen hat. Das ergibt ein Zeitfenster von mindestens sechzehn Stunden, in denen ihm diese Träger nicht zur Verfügung stehen. Dieses enge Zeitfenster gilt es, für Stufe Zwei zu nutzen. Hierzu brauchen wir ein Sonnensystem mit einem dichten Asteroidenfeld und die eroberte Königsgrätz . Wir müssen einen Weg finden, dass der Feind zufällig den vermissten Träger in diesem Asteroidenfeld entdeckt. Natürlich wird er das kostbare Schiff bergen wollen und einen Teil seiner Streitkräfte dafür abstellen. Wir werden jedoch unsere eigenen Einheiten zwischen den Asteroiden verborgen halten und damit die Falle zuschnappen lassen. Wenn Stufe Drei des Plans gelingt, dürften wir den Feind zwar noch nicht vernichten, ihm aber deutliche Verluste zufügen können. Erster des Zweiten, wann wird die Königsgrätz einsatzbereit sein?“
„Nach dem Stand der Dinge in einer knappen Woche solarer Standard-Zeit.“
„Gut, das gibt uns Zeit für die erforderlichen Vorbereitungen. Fighteneral Woronzev wird die taktische Ausarbeitung der drei Stufen meines Planes vornehmen. Die anderen Kreise halten ihre Einheiten bereit. Und nun erwarte ich Ihre Vorschläge zu dem Plan.“
Zunächst herrschte Schweigen, da wohl niemand den Anfang machen wollte. Schließlich räusperte sich Jean Baptiste Lisenne. „Ich schlage die Gruppe der Verenesta-Asteroiden vor. Dort gibt es starke natürliche Strahlungsfelder, welche jeden Scanner empfindlich stören.“
„Schwierig, dort zu navigieren“, wandte der Erste des vierten Kreises ein. „Das gefährdet unsere Schiffe.“
„Erschwert aber auch die Zielerfassung des Feindes“, verteidigte Lisenne seinen Vorschlag. „Die Schwierigkeit der Navigation ist nebensächlich. Unsere Schiffe haben Zeit, sich in Position zu bringen und eine optische Navigation vorzubereiten. Diese Zeit hat der Feind nicht, wenn wir ihn überraschend angreifen.“
„Dem stimme ich zu“, meinte Woronzev zu Lisennes Überraschung. „Ich bin ebenfalls für die Verenesta-Gruppe. Allerdings stellt sich mir die Frage, wie wir den Feind zur Königsgrätz locken sollen. Wir können ja keinen Notruf des Schiffes simulieren.“
„Prospektoren“, meldete sich der Erste des siebten Kreises zu Wort. „Prospektoren streunen doch überall herum und suchen nach Hiromata und anderen Ressourcen. Ein kleines Prospektorenschiff könnte die Königsgrätz zufällig gefunden haben und das der Sky-Navy melden.“
„Ein guter Vorschlag, Erster des Siebten. Erster des Sechsten, arbeiten Sie einen entsprechenden Plan aus und besprechen Sie das mit dem Fighteneral.“
Eine erregte Diskussion entspann sich, bei der sich der Erste des ersten Kreises weitgehend zurückhielt. Er lauschte dem Gespräch und den jeweiligen Argumenten. Allmählich kristallisierten sich immer mehr Details eines Planes heraus, der endlich zur Vernichtung der Sky-Navy und damit der Macht des Direktorats führen sollte.
FLV-Patrouillenboot D.S. Looking Glass, Registernummer FLV-PB-209.
Die D.S. Looking Glass , Registernummer FLV-PB-209 , war fünfzig Meter lang, fünfzehn breit und acht Meter hoch. Ihre Form war massig, auf Zweckmäßigkeit ausgelegt und ließ jede Eleganz vermissen. Der Rumpf trug nicht mehr die graugrüne Tarnfarbe der Sky-Cavalry, sondern war im Hellgrau der Navy lackiert. Über die sanft gerundete Bauchseite zogen sich die dunkelgrauen Hitzekacheln. Es gab keine Tragflächen, aber ein V-förmiges Leitwerk auf dem Heck, welches bei Bedarf abgesenkt oder ausgefahren werden konnte. An den Flanken und der Oberseite befanden sich die ausladenden Schächte der vier Staustrahltriebwerke. Ihre Ansaugöffnungen waren mit Tri-Stahl-Gittern versehen. Das Heck wurde durch eine breite ausfahrbare Rampe verschlossen, der Zugang erfolgte über eine kleine Mannschleuse an der Backbordseite. Die voll verglaste Kanzel am Bug war ein wenig nach links versetzt, neben ihr befand sich die tonnenartige Schutzhülle einer schweren Gatling-Revolverkanone. Das „Fast Landing Vehicle“, kurz FLV, war einst eines der Landungsboote des Trägerschlachtschiffes D.C.S. Agincourt gewesen. Trotz der inzwischen vorgenommenen Umrüstung konnte es seine Herkunft nicht ganz verleugnen, auch wenn der einfahrbare Raketenwerfer auf der Oberseite durch die Kuppel eines leistungsstarken Langstrecken-Scanners ersetzt worden war.
Inzwischen diente die Looking Glass als Langstrecken-Patrouillenboot der Sky-Navy und ersetzte hierdurch einen der modernen APS-Kreuzer. Ein Landungsboot wurde von einer dreiköpfigen Crew geflogen, als Patrouillenboot dienten auf ihm neun Mannschaftsmitglieder, damit sie sich in Schichten ablösen konnten. Der einstige Laderaum, für einen schweren Kampfpanzer oder eine Kompanie von hundert Sky-Troopern vorgesehen, war für den neuen Aufgabenbereich umgebaut worden. Energieerzeuger, leistungsstarke Tetroniken und Arbeitsplätze ließen nicht viel Platz für die Bequemlichkeit der Männer und Frauen an Bord. Es gab drei winzige Kammern mit dreistöckigen Schlafstellen, eine Bordküche und einen Gemeinschaftsraum, der so beengt war, dass man sich lieber am Arbeitsplatz aufhielt. Die Hygiene war auf eine Toilette und eine Dusche beschränkt. Zudem mussten auch Ersatzteile, Vorräte und Wasser untergebracht werden. Wer an Bord eines solchen Bootes flog, war froh, wenn die Patrouille ihr Ende fand.
Auf diesem Flug ging es sogar noch beengter zu. Hoch-Admiral John Redfeather hatte entschieden, dass die D.S. Looking Glass zu jenen drei Einheiten gehörte, mit denen die Prototypen des Hiromata-Tasters getestet werden sollten. Nur drei der neun Besatzungsmitglieder waren an Bord und anstelle der sechs fehlenden zwängte sich ein zehnköpfiges Kommando der Sky-Troopers unter Major Joana Redfeather sowie der Tech-Lieutenant Jennifer Hartmann in das Boot.
Inzwischen war man seit einer Woche im Raum unterwegs und die kleine Lufterneuerungsanlage an den Grenzen ihrer Kapazität angelangt. Es roch nach menschlichen Ausdünstungen und erhitzter Isolation, denn die Vielzahl der Geräte und laufenden Energieerzeuger führte auch die Klimaregulierung an die Grenze ihrer Möglichkeiten. Solange man mit Arbeit beschäftigt war, ließ es sich noch aushalten, doch jene, die Freischicht hatten, spürten die Enge und fehlende Privatsphäre immer deutlicher.
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