Nicht sehr weit, in den Borkenbergen, hatten englische Soldaten ihr Lager. Westfalen war damals von den Engländern besetzt. Für mich war das immer so gewesen. Und außerdem waren die alle nett zu uns. Kam eine neue Kompanie an, dann marschierten sie im Gleichschritt vom Bahnhof durch die Stadt und später bei uns vorbei. Voraus eine Musikkapelle mit dem Tambur-Major vorneweg, der mit seinem Stock alles Mögliche machte. Mal warf er ihn in die Luft, ließ ihn kreisen oder bewegte ihn im Takt. Einmal kam eine Schotten-Kapelle vorbei marschiert. Wie waren wir erstaunt, all die Männer in bunten Röcken zu sehen! Hoffentlich musste ich ab jetzt nicht auch welche anziehen! Noch mehr erstaunten uns die Dudelsäcke und deren nasale Musik. Mein Bruder hatte sich gerade einen Stock geschnitzt, mit Verzierungen in der Rinde. Als die letzten Soldaten vorbeimarschierten, liefen wir auf die Straße und marschierten hinterher. Mein Bruder fuchtelte mit dem Stock, wir liefen im Stechschritt und sangen aus vollem Halse: „Parademarsch, Parademarsch, der Hauptmann hat ‘nen Pinn im Arsch!“ Wie wir von anderen Kindern gehört hatten. Unser Vater drohte uns mit der Hand. Alles, was wir machten, war verboten! Wir zogen es vor, lieber nicht gleich nach Hause zurück zu gehen.
Vielleicht hatten die Soldaten auch gesehen, was hier alles im Trinkwasser schwamm und tranken deshalb lieber Bier. Und da sie nicht oft Ausgang hatten, tranken sie wohl auf Vorrat. Dann zogen sie nachts grölend an unserem Haus vorbei zurück ins Lager. Das mochte Asta, unser Schäferhund, aber gar nicht! Einmal zerriss sie sogar ihre Kette. Da zeigten die Soldaten, was sie gelernt hatten: sie ‚standen still‘ und waren still. Keiner rührte sich, nur einer sagte „gute Dogge, gute Dogge!“ Bis dann der Vater den Hund einsperrte, da ‚rührten‘ sie sich, aber wie! „Dabei ist das keine Dogge, sondern ein Schäferhund!“ stellte meine Mutter richtig.
Doch so glimpflich gingen deren Ausflüge nicht immer aus. Manchmal gingen sie noch in der Nähe, am ‚Schwalbenschwänzchen‘, baden. Dabei ertrank bisweilen einer. „So betrunken geht man auch nicht baden! Kein Wunder, dass sie dabei ertrinken!“ sagte meine Mutter. Mir schwirrte der Kopf. Trinken, betrinken, ertrinken… Was ist da der Unterschied? Auf jeden Fall kam dann wieder die ‚Wasserschutz‘ mit ihrer blauen Barkasse, warf an Leinen Schlepphaken aus und kämmte das Gebiet ab. Wir standen alle am Ufer und schauten zu. Wenn dann eine Leine straff wurde, schickte man uns ins Haus. Doch wir liefen um das ganze Haus herum, um vom anderen Eck aus zu sehen, was jetzt folgen würde. Der Ertrunkene wurde nach seinen Papieren durchsucht, auf eine Bahre gelegt und mit dem Leichenwagen abtransportiert. Einmal waren die mit dem Leichenwagen noch nicht da, und man nahm eine Plane von meinem Zelt und deckte ihn damit zu. Meine Mutter legte eine Rose darauf. Bestimmt dachte sie an die Mutter, die ihren Sohn verloren hatte. Später verbrannte mein Vater die Plane. „Wegen dem Leichengift“, sagte die Mutter. War der Tote vergiftet worden? Hatte er beim Ertrinken zu viel von dem schmutzigen Seewasser getrunken?
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