Wolfgang Bendick
Wintermärchen
Einmal Kabul und zurück
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Wolfgang Bendick Wintermärchen Einmal Kabul und zurück Dieses ebook wurde erstellt bei
WINTERMÄRCHEN WINTERMÄRCHEN * Wolfgang Bendick Erste Erscheinung, März 2017 Umschlagfotos: Feuer an der Schneegrenze, Alfi und Lothar Bilder: © Wolfgang Bendick © Copyright 2017 Wolfgang Bendick All rights reserved for all countries Legal deposit: March 2017
Widmung Widmung Wir waren Landreisende. Wir werden immer mehr zu Zeitreisenden * Meinen Gefährten von damals gewidmet, vor allem meinem Freund Lothar, der mir geholfen hat, manche Erinnerung wieder lebendig zu machen…
Zusammenfassung Zusammenfassung Da die Grenze zu ist, bleibt uns nur der Weg über die verschneiten Berge, um die Freiheit zu bewahren. Unsere Richtung ist Osten, das Ziel Irgendwo. Als wir in Südtirol ankommen, sollte unserer Reise nichts mehr im Wege stehen. Aber es kommt immer anders, als man denkt. Wenige sind um diese Zeit unterwegs. Doch umso intensiver sind die Begegnungen. Wir tauschen unsere Erlebnisse, wir teilen unser Schicksal. Für ein paar Tage, ein paar tausend Kilometer schließt man sich gewollt oder ungewollt zusammen. Leider erweist sich ein Gefährte nicht immer auch als Freund. Dieses Buch ist, wie alle meine anderen Werke, in der Umgangssprache, ‚der Sprache des Volkes‘, geschrieben. Nur diese kann Geschehenes so wiedergeben, wie es wirklich war.
Joseph
Hiesel
Florl
Kukili
Greg
Barbara
Jeanette
Guillaume
Dave
Zicke
Sylvester
Weitere Werke von Wolfgang Bendick:
Impressum neobooks
*
Wolfgang Bendick
Erste Erscheinung, März 2017
Umschlagfotos: Feuer an der Schneegrenze, Alfi und Lothar
Bilder: © Wolfgang Bendick
© Copyright 2017 Wolfgang Bendick
All rights reserved for all countries
Legal deposit: March 2017
Wir waren Landreisende.
Wir werden immer mehr zu Zeitreisenden
*
Meinen Gefährten von damals gewidmet,
vor allem meinem Freund Lothar,
der mir geholfen hat,
manche Erinnerung wieder lebendig zu machen…
Da die Grenze zu ist, bleibt uns nur der Weg über die verschneiten Berge, um die Freiheit zu bewahren. Unsere Richtung ist Osten, das Ziel Irgendwo. Als wir in Südtirol ankommen, sollte unserer Reise nichts mehr im Wege stehen. Aber es kommt immer anders, als man denkt.
Wenige sind um diese Zeit unterwegs. Doch umso intensiver sind die Begegnungen. Wir tauschen unsere Erlebnisse, wir teilen unser Schicksal. Für ein paar Tage, ein paar tausend Kilometer schließt man sich gewollt oder ungewollt zusammen. Leider erweist sich ein Gefährte nicht immer auch als Freund.
Dieses Buch ist, wie alle meine anderen Werke, in der Umgangssprache, ‚der Sprache des Volkes‘, geschrieben. Nur diese kann Geschehenes so wiedergeben, wie es wirklich war.
Die Tür fiel ins Schloss. Sie hatte einen Anderen! Ich stand auf der Straße. Allein. Das ist noch lange nicht das Ende des Lebens, versuchte ich mir zu sagen. Es geht immer irgendwie weiter. Das Schicksal hatte es bisher immer gut mit mir gemeint! Das werde ich bestimmt in ein paar Jahren, zurückschauend, feststellen können!
Als Kind hatte ich öfters einen Traum. Immer denselben. Ich ging durch eine ockerfarbene Ebene. Ich folgte einer schnurgeraden, schwarzen Linie. Besser gesagt, ich war diese Linie. Dann, plötzlich, verwickelte sich diese Linie zu einem wirren Durcheinander. Ich ging trotzdem weiter, folgte den Verwindungen. Das gab mir ein eigenartiges Gefühl unter der Haut, wie Schmirgelpapier. Und einen üblen Geschmack im Mund. Dann, endlich, nach ein paar letzten Windungen, ging es wieder geradeaus weiter. Gefühl und Geschmack verschwanden, mich durchströmte so etwas wie Glück, ich atmete auf. Ich folgte der geraden Linie, die bis zum Horizont zu gehen schien, oder noch weiter, denn nie sah ich ihr Ende.
So fühle ich in diesem Augenblick. Ich folgte der Straße und fand mich vor der Tür von Ludwig, eines Freundes wieder. „Was, du? Du bist zurück?“ „Hast du Lust auf einen Spaziergang? Ins Altwasser?“ „Da bin ich immer dabei!“ Wir gingen durchs Dorf, bald durch die Wiesen, dann setzten wir uns ans Ufer. Er rauchte eine Gitane Mais, ein von den üblen Dingern, die selbst einen toten Hund aufwecken. Ich stopfte meine Meerschaumpfeife mit etwas Tabak und einer Prise ‚Oh Mann‘ von den Freunden aus Österreich. Wir pafften und erzählten uns, was in den letzten 1 ½ Jahren vorgefallen war. Nach einer Weile schnüffelt er in der Luft. „Wie riecht das denn hier?“ meint er plötzlich. „Wie soll das denn hier riechen?“ „Nach Gras! Du Saubär rauchst da einfach was! Schick mal rüber!“
Also hat sich im Dorf doch was getan! Der Großteil der Dorfjugend ist inzwischen auch angetörnt, wie der Rest der Welt. Durch die GIs ist das Marihuana in die Neue Welt gekommen und über die Hippiebewegung zur Droge gegen den Krieg geworden. Bis ins tiefste Bayern ist es vorgedrungen. Überall grünt es, der Joint ist zu einem Ritual geworden, wie damals die Friedenspfeife bei den Indianern. Immer mehr Jungens verweigern den Wehrdienst. „Wo soll das noch hinführen?“ jammern die Alten. Obwohl dieselben noch vor wenigen Jahren gesagt hatten „Nie wieder eine Armee, nie wieder Krieg!“ Wir sitzen da, rauchen und reden über alte Zeiten. „Hast du ein Taschenmesser?“ frage ich ihn, „gib mal her!“ Ich taste nach dem Treue-Bändel, das Marion mir vor 1 ½ Jahren hier um den Hals gebunden hatte. Zögere kurz, vertreibe letzte Erinnerungen, und mit einem kurzen Schnitt ist es ab. Ich werfe es weit ins Altwasser. Jetzt endlich bin ich frei!
Nach zwei Tagen finde ich Arbeit bei einem Vermessungstrupp, in der Nähe von Lindau am Bodensee. Dort wird die zukünftige Autobahntrasse von Memmingen nach Bregenz vermessen und, trotz heftigen Widerstandes, die von Kempten nach Lindau und die Bodenseeumgehung. Mit zwei anderen vom Trupp wohne ich in Biesings in einer Pension. Nur an Wochenenden bin ich manchmal daheim. Meist komme ich bei Freunden unter, in Kommunen in der Stadt oder auf dem Land. Auch hier wird der neue Lebensstil geübt. Auch hier hört man Rock und psychedelische Musik. Da klinkt mein Vater wenigstens nicht aus. Aus den Augen- aus dem Sinn!
Ludwig meint, er wolle bald nach Istanbul und weiter. Da kann ihm der Barras wenigstens nichts anhaben. „Hast du denn schon die Impfungen?“ „Welche Impfungen?“ „Cholera, Pocken und was weiß ich. Sonst kannst du da nicht rein!“ Auch ich hatte mich entschlossen, so bald wie möglich wieder abzuhauen, jedenfalls, wenn ich genügend Geld hätte. Wir gehen zusammen zum Gesundheitsamt, um uns die Impfungen verpassen zu lassen. Er beantragt auch einen Pass. Denn mit einem Personalausweis kommt man nicht weit aus Deutschland raus. „Was wollt ihr denn nur alle in Indien?“ will der Amtsarzt wissen, „auch verrecken wie der Rami?“ Dieser, ein Bekannter aus der Szene, war kurz zuvor in Goa aus der Welt geschieden. Overdose. Der ‚Goldene Schuss‘. Muss ja nicht immer eine Kugel sein und in Vietnam…
Ein anderer Zwischenfall hatte sich ereignet: Gerd, der mir 300 Mark vorgeschossen hatte, als er mit mir durch die USA getrampt war, wohnte auch zu Hause. 200 Mark hatte ich ihm schon zurückgezahlt. Sein Vater wollte Wohngeld von ihm. Gerd meinte, der sei reich genug und hätte sich nie um ihn gekümmert. Dem werde er dafür gerade noch was zahlen! Dummerweise hatte dieser wohl mitbekommen, dass er mir das Geld geliehen hatte. Und dummerweise arbeitet der auch für eine Versicherung wie mein Vater, aber bei der verhassten Konkurrenz. Selber Beruf, selbes Verhaltensmuster! Er setzt sich also in sein Auto und besucht meinen Vater, um sich von dem das Geld zu holen, das sein Sohn ihm nicht zahlen will. Doch da gerät er an den falschen! Fast hätte es Mord oder Totschlag gegeben, wie meine Mutter mir später mitgeteilt hat. Das war der lang erwartete Auslöser. Mein Vater rastet aus. „Man leiht sich kein Geld, man verdient es sich! Und man wählt sich seinen Umgang aus! Mit solchem Pack verkehrt man nicht!“ Was folgt, ist wieder der totale Rausschmiss mit Hausverbot. Das ist mir völlig schnuppe. Nur, dass meine Mutter am Ende die Leidtragende ist.
Читать дальше