Dáire verzog das Gesicht, als verstünde er nicht, was jetzt anders war. Layni klärte ihn nicht auf. Er würde es sicher schon in den nächsten Tagen bemerken.
Die Nacht war eisig kalt und so brachen sie früher auf, als sie es vorgehabt hatten. Der Wind hatte nicht nachgelassen und ihnen nicht erlaubt ein Feuer zu machen. Jetzt ritten sie gegen einen kleinen Sturm an und kamen dadurch langsamer voran.
„Wir brauchen eine Bleibe“, rief Dáire gegen den Wind, doch Layni hörte ihn, denn sie ritt wie angekündigt hinter ihm. Sie würde ihn den Weg bestimmen lassen und war gespannt, welchen er wählte. Bis zum Silas gab es nur einen, nämlich ihren bisherigen. Nur ein kleiner Umweg war drin gewesen, als sie Heldas Nomadenstamm aufgesucht hatten. Hinter dem Silas würde es mehrere Wege geben. Layni hätte natürlich den gerade durch gewählt, doch ihr Herr und Meister vor ihr, war bequemer und verwöhnter. Er würde Schlangenlinien reiten, nur um in jedem Dorf haltzumachen.
Sie trieb ihr Pferd zu seinem und zog ihre Karte aus der Satteltasche. Wortlos reichte sie ihm das Papier und ließ sich wieder eine halbe Pferdelänge zurückfallen. Sein Blick war grimmig, weil er ihre Abneigung spüren musste, doch es war ihr egal. Er studierte die Karte und schien ein Ziel gefunden zu haben. Sie folgte ihm und erkannte den Weg sofort. Nicht der, den sie gewählt hätte, aber auch kein schlechter. Sie landeten in einem Hain, der am Ostufer des Silas lag. Hier machte der Fluss einen Bogen und die Strömung war nicht allzu schnell.
„Hier können wir rüber“, meinte Dáire und musterte das aufgewühlte Wasser. Sein Blick flog über die kleinen Wellen, die an verschiedenen Steinen im Fluss brachen. „Was denkst du?“
Layni hob die Schultern. „Was immer du sagst.“
Also stiegen sie ab und begannen, die Pferde durch das weniger tiefe Wasser zu führen. Hier und da war die Strömung jedoch stärker als erwartet und so passierte es beiden, dass sie fielen und auch ihre Pferde rutschten des Öfteren aus.
Am Ende kam die ganze Gruppe heil, aber bis auf die Haut durchnässt, am anderen Ufer an. Der kalte Wind ließ ihre Zähne klappern, doch Layni verkniff sich einen Spruch. Sie hätte die Nacht abgewartet und geschaut, wie das Wetter am nächsten Tag war. Sicher wären sie dann weniger nass geworden.
Dáire schien ihre Gedanken gelesen zu haben, denn er warf ihr nur einen Blick zu, band sein Pferd am nächsten Baum fest und verschwand wortlos im Wald. Layni nutzte seine Abwesenheit und schaffte es, ein Feuer zu machen. Zwar tobte der Wind hier ebenfalls, doch auf dieser Seite des Flusses gab es Steine, aus denen man einen guten Windschutz um die Flammen bauen konnte.
Bevor sie ihr Lager bereitete, wechselte sie ihre nassen Sachen gegen relativ trockene und hängte die nassen ans Feuer. Ihr Magen knurrte, also schnappte sie ihren Bogen und lief ein paar Schritte in den Wald, um nach Beute zu suchen. Bis auf den Wind in den Bäumen konnte sie jedoch nichts hören. Dann blieb sie doch abrupt stehen und lauschte, als eine Stimme zu ihr wehte. Leise schlich Layni weiter und folgte ihr. Sie erkannte Dáire und ihr klappte der Mund auf, als sie ihn fand.
9
Dáire
Mit Wut im Bauch schritt Dáire durch das dichte Unterholz und blieb unnötig oft an Zweigen und Geäst hängen. Er fluchte laut und stieß unschöne Verwünschungen aus. Layni machte ihn wahnsinnig. Natürlich wusste er, dass er in der Schlucht einen Fehler gemacht hatte, er hatte es ja auch zugegeben, aber egal, wie oft er sich entschuldigte, sie ritt immer wieder darauf herum.
Er stieß die Luft in einem tzz aus, weil sie sicher auch jetzt wieder einen Spruch auf seine Gedanken gebracht hätte. Von wegen: „Wenn ich mein Pferd noch hätte, würde ich sicher noch mehr drauf rumreiten.“
Dieses Mädchen brachte ihn ziemlich oft an den Rand eines Ausrasters. Dank seiner guten Kinderstube konnte er es ihr gegenüber aber gut verbergen. Ihre Erziehung hingegen war der reinste Albtraum. Man spürte deutlich, dass der weibliche Einfluss gänzlich fehlte. Wüsste Dáire es nicht besser, würde er behaupten, sie wäre Delians leibliche Tochter. Ihr Benehmen hatte sie sich jedenfalls komplett bei ihm abgeschaut. Sah man sie, sah man tatsächlich eine Lady. Hörte man sie dann reden, war es vorbei.
Nach längerem Suchen fand Dáire endlich, was er brauchte und kniete sich vor den kleinen abgebrochenen Baumstamm. In seiner Mitte war er hohl und Wasser hatte sich darin gesammelt. Er konzentrierte sich und wirkte den einzigen Zauber, den er konnte. Es dauerte lange, bis Königin Sháiné seinen Ruf hörte.
„Meine Königin“, grüßte er sie und neigte ergeben den Kopf.
„Botschafter Dáire. Es ist spät. Warum ruft Ihr um diese Zeit nach mir? Ist etwas geschehen?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, Majestät. Ich bitte um Verzeihung. Ich wollte nicht stören. Ich dachte nur, da meine letzte Meldung so lange her ist, nutze ich diese Gelegenheit. Es bot sich bisher nicht wieder an und ich fürchtete, es könnte erneut so sein, wenn ich es jetzt nicht wage.“
„Wie dem auch sei. Berichtet rasch“, forderte Sháiné und wedelte mit der Hand. Er hatte schon zweimal mit der Königin über Layni gesprochen und auch sie schien zu ahnen, was die Söldnerin sein konnte. Allerdings sagte sie nichts zu dem Thema und verbarg es gut, falls sie Hoffnung hatte.
„Wir haben den Silas überquert. Die Reise geht gut voran“, erklärte Dáire also neutral. „Es gab ein paar kleinere Vorfälle, die aber harmlos waren und geklärt werden konnten. Wenn alles gut geht, sind wir in einem Monat in Tau. Vermutlich sogar früher.“
„Sehr gut. Habt Ihr sie schon über die Rekrutierung in Kenntnis gesetzt? Was sagt sie?“
„Ich fand noch keine Gelegenheit, Majestät.“
„Bitte?! Ihr reist seit Wochen miteinander!“
„Ich weiß. Es ist diesmal nicht ganz so leicht. Lady Layni ist anders, als alle bisher. Sie ist sehr ... charakterstark.“ Er wählte dieses Wort, weil besserwisserisch, zickig und hochnäsig zu lang geworden wäre.
„Ich wünsche, dass Ihr das erledigt, Botschafter. Wenn Ihr hier eintrefft, sollte sie informiert sein. Wenn sie nicht Die ist, sollte sie alsbald entscheiden, welchem Kreis sie beitreten will, damit wir ihre Aufnahme planen können. Und sollte sie doch die Eine sein, müssen wir erst recht viel besprechen. Es würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen, sie erst noch über alles in Kenntnis zu setzen. Das ist Eure Aufgabe, Botschafter. Erklärt ihr, warum Ihr sie nach Tau bringt. Ihr wisst natürlich, was ich meine.“
„Ich weiß. Ich werde mich bemühen.“
„Bemüht Euch schneller.“
„Ja, Majestät. Ich werde ...“ Ein Knarzen ließ ihn innehalten und Laynis Stimme brach seine Konzentration. Der Zauber verging und Sháinés Gestalt im Wasserspiegel verschwand.
10
Layni
Dáire kniete vor einem Baumstamm und sprach etwas vor sich hin. Ohne zu wissen, was er sagte, erkannte Layni, dass er Magie wirkte. Er war ein Magier? Ein verfluchter Magier?!
Sie konnte es nicht glauben! Das war es also gewesen, was sie an ihm störte.
Mit Wut im Bauch hob sie den Bogen, legte einen Pfeil an und trat aus ihrem Versteck. „Du mieser, kleiner Bastard“, knurrte sie und zog die Sehne zurück.
Dáire verstummte und wandte sich in der Hocke zu ihr. Seine Augen weiteten sich und er hob die Hände zum Zeichen des Friedens, als er ihre Waffe auf sich gerichtet sah. Langsam stand er auf, öffnete und schloss den Mund, doch kein Ton kam ihm über die Lippen.
„Ein Magier? Ehrlich? Du bist so ein Hurensohn von Magier?! Ich war so blind!“ Sie spannte die Sehne noch ein Stück und war bereit, dem Unheil vor ihr einen Pfeil ins Herz zu jagen. Vor ihrem inneren Auge ließ sie schon los und sah das Geschoss fliegen. Auf die kurze Distanz würde sie ohne jeden Zweifel treffen und es wäre kaum verwunderlich, wenn der Pfeil Dáires Brustkorb glatt durchschlug.
Читать дальше