„Hattest du ein Pferd?“
„Ja!“
„Ist es noch das dort?“
„Ja!“
„Dann sei froh, dass es so ist. Noch mal wird es das nicht überstehen.“
„Ich sagte doch, es tut mir leid! Was willst du denn? Dass ich auf die Knie sinke und um Vergebung bettle?!“
„Hör auf, mich anzufahren, verdammt! Du warst der Dickschädel! Es hätte dein Pferd treffen sollen!“
„Hat es aber nicht!“
„Du dämlicher Arsch!“ Layni erhob sich. „Ich hab keine Ahnung, warum ich überhaupt zugesagt hab!“ Sie holte ihren Geldbeutel aus der Satteltasche, zählte die Hälfte ab und warf ihm den Rest samt Säckchen vor die Füße. „Ich brauche ein neues Pferd“, erklärte sie und steckte das abgezählte Geld weg. „Such dir einen anderen Blödmann, der deine Starrköpfigkeit mitmacht.“ Sie schulterte ihr Bündel und wollte zurück durch den Pass und nach Hause laufen, doch Dáire hielt sie auf.
6
Dáire versperrte Layni den Weg und sah erschrocken aus. „Nein, bitte. Begleite mich.“ Er klang, als wäre sie dabei, ihm etwas wegzunehmen, ohne das er nicht leben konnte. „Bitte bleib. Es tut mir wirklich leid. Du hast recht, ich war stur. Ich hab wirklich nicht gedacht, dass so was passieren kann. Ich wollte nur den schnellsten Weg nehmen. Ich ersetze dir das Pferd natürlich und es wird auch ein Besseres werden. Du kannst es dir auch aussuchen. Bis dahin nimm meins. Bitte geh nicht.“
Seine Augen flehten sie regelrecht an, ihm zu verzeihen, und seine Haltung wirkte fast unterwürfig. Sie verengte argwöhnisch die Augen und wollte an ihm vorbeigehen, doch er ließ sie nicht.
„Bitte, Lady Layni. Ich verspreche, ab jetzt auf deinen Rat zu hören. Deine Heimat. Du kennst dich hier aus. Ich werde dir folgen. Bitte bleib und komm mit in den Westen.“
„Was willst du von mir?“, fragte sie und hielt seinen Blick fest. „Warum ich? Es gibt unzählige andere, aber du bettelst, dass ich dich begleite.“
„Ich ...“ Er verstummte. „Es ist ...“, stotterte er weiter. „Mein Auftrag. Meine Herrin erwartet, dass ich ihn erfülle.“
„Und dazu bin ausgerechnet ich notwendig?“
„Ja. Der Auftrag ist wichtig. Nicht nur für sie, auch für mich.“
„Warum?“
„Mein Lohn ist eine Lehrerstelle. Eine, die ich schon immer haben wollte. Nur wenn ich diesen Auftrag erfülle, bekomme ich sie. Er ist so was wie meine Bewährungsprobe. Ich muss erfolgreich sein und nur du kannst mir dabei helfen.“
„Ich verstehe noch immer nicht, warum ausgerechnet ich allein dazu in der Lage sein soll.“
„Weil du eben du bist.“
„Aber es gibt unzählige Söldner oder Leibwachen.“
„Aber keine zweite Lady Layni.“
Sie seufzte und senkte den Blick. „Du kannst dein Pferd behalten.“ Dáire wollte gerade Einwände erheben, als sie ihn mit einer Geste davon abhielt. „Das Packpferd ist robuster und besser geeignet, sollte es zu einem Angriff kommen.“ Sie setzte es in Anführungszeichen, weil sie nicht glaubte, dass es passierte. „Es ist zwar auch verletzt, aber das kann ich behandeln. Wir werden die nächsten beiden Tage trotzdem laufen müssen. Mindestens.“
Dáire atmete erleichtert aus. „Danke. Du hast keine Ahnung, wie sehr du mir hilfst.“
„Wir brauchen trotzdem ein drittes Pferd.“
„Natürlich. Du kannst dir eines aussuchen, wenn du das da nicht mehr reiten willst. Egal, was für eins.“
„Wir werden sehen.“ Layni wandte sich wieder um und ging zum Feuer zurück. Dáire folgte ihr und hob das Säckchen mit dem Geld auf, das sie ihm vor die Füße geworfen hatte. Sie nahm es ihm wortlos ab. „Essen gibt’s trotzdem nicht. Ich bin zu müde. Wie sieht’s bei dir aus?“
„Es geht. Schlaf du zuerst.“
Sie nickte, ließ sich nieder und schloss die Augen.
Die zwei Tage vergingen schleppend, nicht nur, weil sie laufen mussten. Layni war noch immer nicht gut auf Dáire zu sprechen und so schwiegen sie die meiste Zeit. Am dritten Tag versuchte sie es mit reiten und endlich ging es wieder schneller voran. Ihr Ziel war eine Nomadenfamilie, die derzeit günstigerweise auf ihrem Weg lagerte. Layni wusste, dass ihre Mitglieder sich immer in einem gewissen Umkreis aufhielten. Ihnen gehörte das Land hier und sie nutzten es zur Viehzucht. Unter anderem auch für Pferde. Sie hoffte, ein brauchbares zu bekommen.
Schon von Weitem sah sie eine große Herde Rinder grasen, die von mehreren Hütehunden umkreist wurde. „Können wir hier haltmachen?“ Layni wandte sich zu Dáire um. Er ritt schon geraume Zeit hinter ihr und schien in Gedanken versunken zu sein. „Botschafter!“, rief sie und holte ihn aus seiner Grübelei.
„Ja, Lady Layni?“
„Können wir hier haltmachen? Diese Nomaden züchten Pferde, vielleicht ist was dabei.“
„Natürlich. Reite voran, ich folge dir.“
Sie erreichten eine Gruppe von Zelten und wurden von zwei Frauen und mehreren Kindern empfangen. Die Kleinen sprangen um ihre Pferde herum und lachten, weil sie Layni erkannten.
„Layni“, begrüßte Helda sie. Die Frau war die Gattin des Oberhauptes der Nomaden und hatte Layni schon öfter Obdach gewährt.
„Hallo, Helda. Wie geht es euch?“, fragte sie und saß ab.
„Zurzeit sehr gut. Wir haben viel Nachwuchs auf der Weide und unter uns.“ Sie strich sachte über ihren Bauch, der eine eindeutige Wölbung zeigte.
„Herzlichen Glückwunsch zu beidem“, grinste Layni.
„Was verschafft uns die Ehre?“, wollte nun Helda wissen und warf Dáire einen Blick zu.
„Geleitschutz für den da“, erklärte Layni knapp und deutete mit dem Daumen auf ihre Begleitung. „Es geht in den Westen ans Meer.“
„Oh, so weit? Ein ganz schöner Weg.“
„Stimmt. Deshalb besuche ich euch auch. Ich brauche ein Pferd.“
Helda presste die Lippen aufeinander und Layni wusste warum. Es war nicht das erste Tier, das sie hier kaufte, und es waren zu viele in zu kurzer Zeit gewesen.
„Mein Mann wird das nicht gern hören“, sagte die Nomadenfrau, ohne zu fragen, was mit dem letzten Pferd passiert war. „Wir haben gute Tiere und er verkauft auch nur an gute Halter. Das Letzte hast du nur noch bekommen, weil du eine Freundin bist.“
„Ich weiß. Ich ...“
„Es war meine Schuld“, unterbrach Dáire sie. „Sie hat es meinetwegen verloren. Ich kaufe das Neue.“ Er war herangetreten und stand jetzt neben Layni. „Dáire“, stellte er sich vor und hob die Hand für Helda.
Sie nahm sie argwöhnisch. „Ich bin auf die Geschichte gespannt. Bitte bleibt zum Essen“, lud sie beide ein. Layni warf Dáire einen fragenden Blick zu und er nickte.
Die beiden halfen bei der Zubereitung und saßen bei Sonnenuntergang um das Feuer herum. Layni hatte die Geschichte mit dem Pferd erzählt und Dáire dabei in Schutz genommen. Sie wollte nicht, dass Helda dachte, ihre Tiere gingen in ungeeignete Hände über. Die Nomadenfrau war immer noch nicht begeistert, doch sie versprach, mit ihrem Mann zu reden. Der würde allerdings erst am Morgen von der Herde zurückkehren und so entschieden Layni und ihr Begleiter, auch die Nacht hier zu verbringen.
Dáire war eindeutig nicht für ausdauernde Reisen gemacht, überlegte Layni, als sie den todmüden Mann gegenüber beobachtete. Er versuchte sichtlich, nicht wegzunicken, doch die Augen fielen ihm immer wieder zu. Sie warf ein Stöckchen nach ihm, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.
Er schaute mit vor Müdigkeit kleinen Augen auf. „Mhm?“
„Geh schlafen. Ich kann’s nicht gebrauchen, wenn mein wehrloser Schutzbefohlener auch noch müde und unaufmerksam ist.“
„Ich bin nicht müde.“
„Nein, gar nicht.“ Sie hielt seinen Blick fest und sagte dann sanfter: „Leg dich hin. Ernsthaft.“
„Du musst auch schlafen. Du hast seit gestern Mittag kein Auge zugemacht.“
Читать дальше