„Ich bin es aber gewohnt. Du nicht. Bitte, leg dich hin.“
Er hob die Hand und stand auf. Etwas abseits hatten sie ihr Lager aufgeschlagen, wo er sich nun in seine Decken vergrub, tief durchatmete und vermutlich sofort einschlief.
„Er ist niedlich“, meinte Helda und schubste Layni seitlich an. „Und er hat sicher das richtige Alter. Wäre er nicht was für dich?“
„Nein. Er ist mein Auftraggeber.“
„Jetzt. Aber später nicht mehr.“
„Mhh“, brumme Layni.
Die Nomadenfrau riss die Augen auf und stieß ein ha aus. „Du magst ihn!“
„Nein. Ich mag ihn nicht. Er ist seltsam. Irgendwas stimmt nicht mit ihm.“
„Aber trotzdem findest du ihn süß. Irgendwie. Gib’s zu.“
Laynis Blick blieb bei dem kleinen Berg Decken, unter dem Dáire verborgen lag. „Ich kenne ihn nicht mal. Er ist komisch.“ Dennoch musste sie zugeben, dass er ihr in gewisser Weise zusagte.
„Aber er sieht gut aus und hat offensichtlich Geld.“
„Geld ist nicht wichtig.“ Doch dass er gut aussah, konnte Layni nicht leugnen. Schon bei ihrem ersten Treffen waren ihr die sturmgrauen Augen, das freche Grinsen und die verwegene, dunkle Kurzhaarfrisur, die immer perfekt zu legen schien, aufgefallen. Als sie ihn berührt hatte, hatte sie fühlen können, dass er mindestens auf seinen Körper achtete. Auch wenn er sicherlich kein Kämpfer war, hatte er eine durchaus trainierte Gestalt, die auf irgendeine Art Körpertraining hinwies.
Er achtete auf sich und sein Äußeres, ohne aufzutragen. Auch das gefiel ihr. Es zeigte, dass er um seine Ausstrahlung wusste, ohne diese zusätzlich hervorheben zu müssen. Er zog sicherlich die Blicke auf sich, jedoch nicht absichtlich. Seine Kleidung war immer tadellos, doch kein bisschen schnöselig. Er trug dunkle Sachen, keine auffälligen und knalligen Farben, wie es das reichere Volk für gewöhnlich tat. Er trug bis auf eine Halskette und einen Ring auch keinen Schmuck, um seinen Reichtum zur Schau zu stellen.
Sein Pferd war definitiv eines der besseren Zucht, doch auch dessen Ausstattung war schlicht. Genau wie Dáires sonstige Ausrüstung. Wo andere Botschafter einen Karren mit sich führten, hatte er nur ein paar Bündel mit Kleidung und Ausrüstung sowie zwei Satteltaschen für den Rest. Er war offensichtlich bescheiden, wusste aber ebenso, wann es notwendig war, Geld auszugeben. Allerdings verzichtete er mit Sicherheit auch nicht auf Wohlstand, nur weil er sparen wollte.
Wäre er nicht Laynis Auftraggeber und wäre da nicht dieses ungute Gefühl, hätte sie auch mehr Interesse zeigen können. Die Situation war aber nun mal, wie sie war, und vielleicht war es genau so richtig.
„Wie alt ist er denn genau?“, fragte Helda in Laynis Gedanken hinein.
„Keine Ahnung.“
„Ach ja, dein ich frage nichts, was ich nicht wissen muss - Ding“, seufzte die Frau. „So findest du keinen Mann.“
„Er ist mein Auftraggeber“, wiederholte Layni. „Keine Verhältnisse mit den Geldgebern.“
„Noch ist er es.“
„Helda, lass gut sein.“ Sie erhob sich. „Ich leg mich hin. Weckt mich, wenn Wachablösung ist“, bat sie und Helda nickte. Sie ging zu ihrem Lager, unweit dem von Dáire, ließ sich nieder und zog die Decke bis über die Nase.
„Sechsundzwanzig“, kam es leise aus dem Haufen Decken von Dáires Lager.
Unwillkürlich legte sich ein Grinsen auf ihre Züge und Layni schloss die Augen.
Heldas Mann weigerte sich strikt, Layni oder Dáire ein Pferd zu verkaufen. Die Tiere seien zu gut für so schlechte Halter, meinte er und machte Layni damit mehr als wütend. Natürlich verstand sie seine Einstellung, aber sie würden immerhin gut für das Pferd bezahlen und die Haltung war nie schlecht gewesen. Nur eben die Umstände und die bedauerte Layni ebenso. Doch Delt ließ nicht mit sich reden, also zogen die beiden ohne neues Reittier weiter.
„In der nächsten Stadt finden wir sicher einen Händler“, versuchte Dáire, Layni milde zu stimmen. „Die Abmachung steht ja noch.“
Sie nickte nur und trieb das Packpferd an, das sie nun wohl oder übel weiterreiten musste. Es war ja nicht unbedingt schlecht, aber eben auch kein Pferd für schnelle Manöver. Würde es zum Verteidigungsfall kommen, konnte sie also nicht von seinem Rücken aus agieren.
Hoffen wir einfach, dass es nicht dazu kommt , dachte Layni. Denn Gegnern mit Pferd war sie dann unterlegen.
7
Dáire
Tiefe Atemzüge waren nötig, damit Dáire ruhig blieb. Lady Layni von Thalsee war anstrengend. So viele Jungelfen hatte er schon nach Tau gebracht, doch nicht eine war wie sie gewesen. Obwohl keine von ihnen gewusst hatte, warum genau er sie einlud, das Volk der Elfen zu besuchen, war nicht eine so miesepetrig dahergekommen.
Layni war die Erste, die er sicher nie im Leben ohne diesen Auftrag dazu hätte bringen können, ihm zu folgen. Wo die anderen sofort und ohne viel Überredungskunst Feuer und Flamme gewesen waren, das Elfenvolk besuchen zu dürfen, machte dieses Mädchen hier abwehrend zwei Schritte zurück.
Allerdings glaubte Dáire auch deswegen daran, dass sie es sein konnte. Sie konnte die Eine sein. Sie war so anders als alle vor ihr. Auch von dem, was er von den anderen Botschaftern erfahren hatte, glich sie keiner anderen Jungelfe. Allein schon, weil sie keine Ahnung hatte, dass sie überhaupt eine Elfe war.
Bisher wusste Dáire von keiner, die nicht über ihre Wurzeln Kenntnis hatte. Aber niemand hatte Layni, laut Delians Aussage, je gesagt, dass ein Zauber auf ihr lag. Sie hasste Magier sogar, obwohl sie selbst einem magischen Volk angehörte. Alle vor ihr wussten um ihre Abstammung und teils hatten einige sogar schon mit dem Gedanken gespielt, nach Tau zu reisen. Auch, wenn längst nicht alle es geplant hatten. Lady Layni war nicht mal ansatzweise so weit gewesen und wäre sicher auch nie auf den Gedanken gekommen.
Sie konnte also wirklich die Herrin der Wächter sein. Eben, weil keine vor ihr war wie sie. Sie konnte es sein, das Elfenmädchen aus der Prophezeiung der Königin. Und sie selbst hatte nicht den blassesten Schimmer.
Dáire hätte es ihr sagen können. Oder zumindest, Hinweise geben. Er hätte offen mit ihr reden können, was die Elfen anging und warum er sie wirklich nach Tau bringen wollte. Jedenfalls was den Auftrag der Rekrutierung anging. Über die Prophezeiung-Sache durfte ja nach wie vor niemand sprechen. Also durfte auch Dáire Layni gegenüber nichts davon erwähnen.
Vermutlich wäre sie aber sowieso sofort umgedreht. Allein, wenn er Andeutungen machte, dass er sie zu den Elfen bringen wollte, hätte sie ihm vermutlich eine reingehauen und ihn dann im Dreck liegen lassen, während sie abritt.
Wie recht Delian doch gehabt hatte. Wie gut er sie kannte. Dáire blieb nichts anderes übrig, als bei seinem bisherigen Vorgehen zu bleiben. Layni unter dem Vorwand eines Auftrages nach Tau bringen. Was dann geschah, machte ihm ein wenig Bauchschmerzen.
Sie würde von seiner Verschleierung erfahren. Und sie würde wütend werden. Sehr sogar. Er mochte die Söldnerin aber und wollte nicht, dass sie sauer auf ihn wurde. So zickig und stur sie war, so grob und ungehobelt, Dáire mochte sie. Eben weil sie einfach sie selbst war und sich nicht kümmerte, was andere von ihr hielten.
Gerade unter den Elfen war dies gewöhnlich eine Seltenheit. Die waren alle so von sich eingenommen und hochnäsig. Alle reinen Elfen hatten eine gewisse Arroganz inne. Selbst viele der Halbelfen schauten sich diese Eigenschaft ab. Layni hingegen war ganz anders. Sie verhielt sich wie ein Mensch. Sie war ehrlich und direkt. Wenn auch nicht offen, was ihre Person anging. Sie wog ab und entschied für sich, ohne sich von anderen beeinflussen zu lassen. Sie war nicht neidisch und nahm ihr Gegenüber, wie er oder sie eben war. Würde sie auch Dáire nehmen, wie er war. Als das, was er war?
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