1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 Wie erwartet, schlug Dáire den unwegsamen Pass vor. „Wir wären noch heute Abend auf der anderen Seite des Gebirges.“
„Wären wir nicht. Du vergisst, dass wir Pferde haben. Oder willst du sie hier lassen und drüben Neue kaufen?“
„Ehm, wir können sie doch mitnehmen?“
„Nein. Der Pass ist nicht für Pferde gedacht. Sie würden sich die Beine brechen.“
„Ich wähle diesen Pass“, sagte er entschlossen und fügte an: „Er ist es nicht so schlimm, wie du meinst.“
Sie neigte den Kopf. „Du bist der Geldgeber, du entscheidest. Aber bevor wir dort einreiten, schau ihn dir an.“
„Ich kenne ihn.“ Der Botschafter wirkte genervt, was wiederum Layni nervte. Der Pass war nicht zum Reiten gedacht und sicher hatte sich seit ihrem letztem Besuch dort nichts daran geändert. Er wird es sehen.
Sie erreichten ihn am späten Nachmittag. Layni saß ab und bedeutete Dáire, ihr zu folgen. Sie banden die Pferde fest und liefen ein Stück auf dem schmalen Weg, der durch das Nordgebirge führte. Er war durch Menschenhand freigeräumt worden, von und für eben jene, die es eilig hatten und den Hauptpass nicht nehmen wollten. Und er war noch immer ausschließlich für Fußgänger.
„So schlimm ist es nicht“, hielt Dáire fest, während er den kleineren Felsen auswich, die aus dem Boden ragten. „Wenn wir die Pferde führen, kommen wir hier doch durch.“
„Du sagst, du kennst ihn? Dann weißt du, drinnen wird es enger und steiniger. Wenn wir sie führen, brauchen wir ebenso lange, als würden wir den Hauptpass morgen früh nehmen.“
„Dann reiten wir eben langsam.“
„Und gewinnen eine Stunde, vielleicht zwei.“
„Du siehst das zu schwarz“, versuchte er, schönzureden, wo es nichts schönzureden gab.
„Ehrlich. Der Hauptpass wäre besser“, beharrte Layni.
„Wir nehmen den hier“, blieb er dabei. „Heute Abend sind wir drüben und haben Zeit gutgemacht.“
„Wenn es um den Sold geht, der Hauptpass ist kein Umweg. Ich berechne dir deshalb nichts extra.“
„Wir nehmen den!“, wurde er brummiger und sie nickte, bevor er noch schlechte Laune bekam. Sie liefen zurück, um die Pferde zu holen.
Layni sollte natürlich recht behalten. Sie ritten den ersten Abschnitt und kamen schon hier viel zu langsam voran. Als Dáires Packpferd über einen Stein stolperte und anfing zu lahmen, bestand Layni darauf, die Tiere zu führen. Der Pass wurde enger, steiniger und unbequemer, je weiter sie hineingingen. Auf halbem Weg kam ihnen eine Gruppe Reisender entgegen, die sie nur kopfschüttelnd ansahen. Layni kam sich dermaßen blöd vor. Ihr war bewusst, wie dumm ihr Tun war, doch Dáire schien es immer noch nicht zu bemerken.
Durch die hohen Felswände wurde es schneller dunkel und bald hatten sie nur noch das Licht zweier Laternen. Auch das erschwerte ihren Weg. Es musste gegen Mitternacht sein, als das Unausweichliche geschah. Laynis Pferd rutschte von einem Felsen, über den sie es hatte führen wollen. Die Steinplatte war schräg und lag über den ganzen schmalen Weg. Der Hinterhuf des Tieres rutschte bis an den Rand, verkeilte sich dort in einer Spalte und blieb stecken.
Vor Schreck wollte das Pferd jedoch loslaufen und verdrehte sich den Huf, sodass das Brechen des Knochens durch den gesamten Pass zu hallen schien. Das Pferd schrie vor Schmerz und Layni verlor kurz die Zügel, weil es stieg und zog, um sich zu befreien. Es dauerte einen langen Moment, bis sie das Tier beruhigt hatte und ihm dann helfen konnte, den Huf zu befreien.
Im Licht ihrer Laterne sah sie sofort, dass es keine Rettung für ihr Pferd gab. „Verfluchte Scheiße!“, stieß sie aus und funkelte Dáire bitterböse an. „Da hast du es! Du Hornochse!“, zischte sie leise, um ihr Pferd nicht wieder in Rage zu versetzen. „Ich hab’s dir gesagt, verflucht! Aber warum solltest du auf mich hören?! Es ist ja nur meine Heimat, die ich kenne und bei der ich weiß, welche Wege die richtigen sind. So ein verdammter Dreck!“ Sie sah ihn blass werden, als er das Bein ihres Pferdes sah.
Sein Blick flog zu ihrem und er schluckte, ohne ein Wort herauszubringen.
„Dir ist bewusst, dass wir es mindestens aus dem Pass schaffen müssen? Ich kann es nicht hier erlösen, weil es den Weg versperren würde. Du hast mich um mein Pferd gebracht und obendrein muss es jetzt noch stundenlang leiden!“ Sie wandte den Blick ab. Es gab nicht mal eine Möglichkeit, dem Pferd Erleichterung zu verschaffen. Hier gab es keine schmerzstillenden Pflanzen oder Äste, um den Bruch zu schienen. Das Tier würde bis hinaus Schmerzen leiden, was Layni die Tränen in die Augen trieb. „Nicht mal ein Gefecht!“, brummte sie vor sich hin. „Einfache Dummheit eines sturköpfigen Holzkopfes“, knurrte sie missmutig. „Los, weiter!“, giftete Layni und packte die Zügel ihres Pferdes. „Wir rasten nicht, bis wir hier durch sind.“
Dáire nickte betroffen und schweigend bewältigten sie den Rest des Weges. Am frühen Morgen erreichten sie den Ausgang. Layni führte ihr Pferd an den Rand des Bergausläufers. Sie sattelte es ab und suchte im Wald nach ein paar Kräutern, die beruhigend und schmerzstillend wirkten. Das Pferd nahm sie dankend an und während es fraß, lehnte sie ihre Stirn an seinen Hals.
„Es tut mir leid, mein Freund. So war das nicht geplant. Aber ich kann dir nicht helfen und andere Hilfe ist zu weit entfernt. Bitte verzeih mir“, bat sie ihren Gefährten. Sie hatte es noch nicht allzu lang gehabt, doch es war ein äußerst umgängliches Tier gewesen und hätte ein gutes Söldnerpferd werden können. Es drehte den Kopf zu ihr und fuhr mit dem Maul durch ihr Haar.
Sie lächelte traurig. „Bis wir uns wiedersehen“, sagte sie leise und stach ihren Dolch direkt ins Herz des Tieres. Es war nicht das erste Mal, dass sie ein Pferd erlösen musste, also wusste sie, wie und wo sie zustechen musste, damit es schnell ging. Durch die Kräuter war das Tier relativ ruhig und spürte den Stich kaum. Auch hatte sie die Diamantstahlklinge genommen, zu deren Eigenschaften es zählte, dass man Schnitte und Hiebe kaum bis gar nicht bemerkte. Fast sofort knickte das Tier ein und sank zu Boden. Layni ging mit ihm in die Knie und begleitete seine letzten Sekunden.
Als es vorbei war, erhob sie sich und machte sich daran, Holz und Zunder zu suchen. Das Tier konnte nicht so liegen bleiben. Wortlos beteiligte Dáire sich und wenig später bedeckte ein Haufen Gehölz das tote Pferd. Layni entfachte es, dann ging sie auf Abstand. Einen Moment lang gedachte sie ihrem kurzweiligen Begleiter, dann ging sie, um ein Lager zu bauen.
„Ich habe dort hinten Füchse gesehen“, meinte Dáire, als sie beide an einem kleinen Feuer saßen. „Und?“
„Gibt es heute nichts zu essen?“
„Ich habe keinen Hunger.“ Sie deutete auf ihren Bogen. „Fühl dich frei, dir was zu schießen. Aber wenn du ihn zerbrichst, denk an den Ersatz.“ Ihre Worte trieften vor Bitterkeit.
„Ich kann nicht jagen.“
„Dann wirst du hungern müssen.“
„Lady Layni. Es tut mir leid, was passiert ist, aber ...“
„Ach, halts Maul! Deinetwegen habe ich mein Pferd verloren.“ Sie deutete auf den noch immer vor sich hin brennenden Leib an der Felswand. „Wir haben nicht mal einen Bruchteil des Weges geschafft“, brummte sie. „Wenn das so weitergeht, drehe ich um und du kannst zusehen, wie du heil ans Meer kommst.“
„Was? Nein! Du hast den Auftrag angenommen!“
„Ich kann ihn auch wieder abgeben! Nichts bindet mich!“
„Ich habe dich schon bezahlt!“
„Ich habe auch bezahlt!“ Abermals deutete sie auf das tote Tier. „Noch sind wir im Norden! Meine Heimat! Ich kenne mich hier aus! Nicht ohne Grund habe ich gesagt, der Weg ist nicht geeignet!“
„Ich habe ihn auf dem Hinweg auch genommen!“, fuhr Dáire jetzt auf.
Читать дальше