»Selbstverständlich, mein Freund. Doch ich hätte noch zwei weitere Bitten an dich.«
»Ja?«
»Könnte ich ein paar Tage bei dir unterkriechen?«
»Sicher. Das ist kein Problem.«
»Und kannst du mich in einen Mexikaner verwandeln?«
*
Spielleidenschaft ist etwas Großartiges, vor allem, wenn sie in der Hauptstadt des Gamblings, in Las Vegas ausgelebt wird. Dorthin hatte es nämlich Toni Scapia mittlerweile verschlagen.
Er hatte eine Suite im Bellagio bezogen, spielte jeden Abend für ein paar tausend Dollar Blackjack, verlor sie stets brav, war darum gern gesehen und wohnte deshalb auch vom dritten Tag an umsonst. Denn ein Casino-Hotel gab einen finanzkräftigen, glücklosen Spieler nicht so leicht aus seinen Fingern frei. Toni gab die Vorstellung eines reichen Müßiggängers, der mit seiner freien Zeit und dem vielen Geld nichts Sinnvolles anzustellen wusste.
Noch bevor er nach Las Vegas abgereist war, hatte er drei verschiedene Privatdetekteien auf die drei leitenden Mitarbeiter von Hecksmith & Born angesetzt. Den Name dieser Anwaltskanzlei hatte er von Jules erfahren. Sie schien auf Firmengründungen spezialisiert zu sein und verwaltete zwei der wegen möglichen Geldwäscherei-Vergehen verdächtigten Briefkastenfirmen. Die Privatdetektive sollten ihm nach zwei Wochen einen ersten Überblick über den Tagesablauf der drei Zielpersonen geben. An diesem Morgen bekam er zum Frühstück die ersten Berichte zugestellt.
Thomas Martin, der Leiter der Kundenbuchhaltung, pflegte enge Kontakte zu drei verschiedenen Edelnutten der Stadt, schien jede von ihnen einmal die Woche über den Mittag zu besuchen. Er lebte mit seiner Frau und den beiden Kindern in einer großzügigen Villa in einem der Neubaugebiete im Norden der immer weiter in die Wüste vordringenden Stadt. Dort hatte er alle Abende und Nächte verbracht, ging mit seiner Frau wohl eher selten aus. Thomas Martin verdiente bestimmt genug, um sich die kleinen Laster mit den Dirnen leisten zu können. Er bot Toni Scapia kaum genügend Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Erpressung.
Der zweite Kandidat war weit vielversprechender.
Alberto Valandera war erst vor zwei Jahren aus New York in die Wüstenmetropole umgezogen. Den Junggesellen ohne feste Freundin sah man fast jede Nacht für ein paar Stunden im MGM, wo er sich die Zeit mit No-Limit Texas Hold’em vertrieb, bei Big Blinds von zweihundert Dollar.
Toni setzte sich noch am selben Abend, als er von dessen Gewohnheit erfuhr, an den Tisch von Valandera. Während den nächsten drei Stunden wurde zwischen den Spielern nette Konversation betrieben und auch viele Chips ausgetauscht. Toni Scapia gab sich dabei alle Mühe, eine möglichst redselige Stimmung aufrechtzuhalten. Bewusst verlor er an diesem Abend ein paar tausend Dollar an seine Tischnachbarn, foldete immer wieder seine Gewinnhände vorzeitig oder bluffte unsinnig. Verlierer sind an Pokertischen nun einmal ganz besonders gerne gesehen, vor allem, wenn sie hartnäckig an der Sache dranbleiben und an eine künftige Glückssträhne glauben. Die sieben Männer und die beiden Frauen verabredeten sich auch für den nächsten Abend auf acht Uhr. Der Kick-Off zum Projekt Alberto Valandera war erfolgt.
Am wenigsten Greifbares ergab die Überwachung der dritten Person. Caspar Jakes war der General Manager der Anwaltskanzlei. Die Aufzeichnungen der Detektei über ihn zeigten vor allem auf, dass er in der letzten beiden Wochen je einmal nach Los Angeles und zweimal nach San Francisco geflogen war. Dorthin konnten ihm die Mitarbeiter der Detektei nicht folgen, denn das vereinbarte Spesenbudget gab die Zusatzkosten für die Flugtickets nicht her.
Toni fand die Flüge allerdings genügend verdächtig. Immerhin lebte die Anwaltskanzlei nicht von normalen Mandanten und trat kaum einmal vor einem Gericht auf, sondern lebte von der Gründung und Betreuung hunderter von Briefkastenfirmen. Und Leute, die hinter solchen Scheinfirmen saßen, trafen sich üblicherweise nicht persönlich mit ihren Anwälten und Treuhändern. Jules Tipp mit dieser Kanzlei schien Toni bereits zu diesem Zeitpunkt goldrichtig zu sein.
Bei der Auftragsvergabe hatte Scapia der betreffenden Detektei mitgeteilt, er sei Vertreter einer Gruppe von Anlegern, die durch Caspar Jakes vor Jahren ein paar Millionen Dollar verloren hätten. Vor Gericht konnte man ihm damals die ungetreue Geschäftsführung und den Betrug nicht nachweisen. Doch die Geschädigten hätten noch nicht aufgegeben, versprachen sich viel von einer lückenlosen Überwachung, um auf diese Weise mehr über ihn und sein neues Umfeld zu erfahren.
Toni erhöhte das Spesenbudget der Detektei auf unbestimmte Höhe. In Zukunft sollte die Agentur diesen Jakes notfalls auch auf eine Weltreise begleiten können oder an den Zielorten des überwachten Subjekts andere Detekteien einschalten. Damit war die Basis gelegt, die Tagesabläufe des General-Managers lückenlos aufzeichnen zu können.
Scapia kehrte an jedem der folgenden Abenden an die Spieltische im MGM zurück. Meist war auch Alberto Valandera dabei. Geschickt lenkte Toni das Gespräch immer wieder auf Themen wie Arbeit oder Privatleben, gab sich dabei als millionenschwerer Sohn eines reichen Industriellen zu erkennen, der er in Wahrheit ja auch war.
Valandera begann, sich für den Sonnyboy aus Florida stärker zu interessieren. Er lud ihn sogar zu sich nach Hause ein, für eine private Runde Poker mit einigen engen Freunden. So lernte Toni auch Thomas Martin persönlich kennen, sein drittes Zielsubjekt, das sich so gerne und regelmäßig mit drei Huren der Stadt abwechselnd vergnügte und der in den Augen von Toni nicht genügend Angriffsfläche für Korruption oder Erpressung bot.
Vor allem einer Erpressung gab Toni von Anfang an geringe Chancen, um an Informationen über die Klienten der Kanzlei zu gelangen. Denn erpresste Menschen taten oft verrückte Dinge, begingen Selbstmord oder versuchten gar, ihren Peiniger umzubringen. Sie waren viel zu unzuverlässig, um mit ihnen ernsthafte Geschäfte einzugehen. Und bei Korruption bestand immer die Gefahr eines Verrats, um sich selbst ab einem bestimmten Punkt zu schützen.
Über das stundenlange Beisammensein beim Spielen, dem Reden und Scherzen, begann dafür Alberto Valandera immer mehr Vertrauen zu Scapia zu fassen. Und als sie an einem der Abende nach dem Pokerspiel im MGM noch für einen Schlummertrunk an einer der Bars saßen, begann der Anwalt mit einer Art Lebensbeichte.
»Weißt du, Toni, ich bin im Grunde genommen ein ganz armes Schwein«, die Zunge von Alberto lag ihm bereits etwas schwer im Mund, zeigte den erhöhten Alkoholpegel nach dem dritten Scotch an, »ich hab mich mit Anteilen an den verdammten Madoff Fonds völlig verzockt. Mein ganzes Vermögen ist dabei draufgegangen. Und noch viel mehr.«
Scapia klopfte sanft auf die Schulter seiner Zielperson, zeigte ihm so seine Anteilnahme.
»Ja, Madoff hat viele Menschen übers Ohr gehauen. Auch ich habe mehr als zweihunderttausend Dollar verloren. Wie schlimm ist es denn bei dir?«
»Grässlich. Ich sag’s dir ganz ehrlich, Toni. Im Grunde genommen bin ich längst bankrott und schlag mich bloß noch von Monat zu Monat mehr schlecht als recht durch.«
»Und trotzdem pokerst du weiter?«
»Ach, die paar Kröten jeden Abend spielen längst keine Rolle mehr. Mir sitzen ein paar Kredithaie aus Vegas im Nacken. Wenn ich nicht bald eine größere Summe herüberschiebe, bin ich fällig.«
»Wie viel brauchst du denn?«
»Sofort? Achthunderttausend. Das würde mich das nächste Vierteljahr über Wasser halten.«
»Und insgesamt?«
Alberto Valandera stierte sinnend auf das zu einem Drittel gefüllte vierte Glas mit bestem schottischem Whiskey.
»Noch einmal zwei Millionen«, gestand er seinem Drink.
Toni legte mitfühlend den Arm um die Schultern seines Opfers.
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