„Da lang!“ befahl der Fahrer, schob den anderen in die angegebene Richtung und beide erreichten sehr schnell wieder hohe Laufgeschwindigkeit.
Er spürte es. Walker war nicht weit entfernt.
Also rannte Michael die Straße weiter hinunter, in der Hoffnung, irgendwo eine Bewegung zu erhaschen, die ihm sagte, dass er auf dem richtigen Weg war.
Eine Sekunde später schossen die beiden Entführer am Ende der Straße quer über die Kreuzung hinweg nach links in eine andere Straße.
Er stoppte abrupt ab, erkannte aber sehr schnell, dass sie ihn nicht gesehen hatten, weil er im Halbdunkel stand.
Das war seine Chance.
Offensichtlich hatten sie Scott und Walker noch nicht gefunden.
Es gab also noch Hoffnung.
„Nun machen sie aber mal, Mann!“ raunte Scott seinen Nebenmann rüde an, als er sah, dass Walker erneut schlapp machen wollte.
„Ich kann nicht mehr!“ Walker bremste endgültig ab, hatte arge Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten, musste seine Arme auf die Oberschenkel stützen und schnaufte, wie ein altes Dampfross.
„Sagen sie das unseren Verfolgern!“
„Herrgott, Mister, ich hasse Sport. Ich bin nicht so durchtrainiert, wie sie. Ich kann nicht mehr. Wenn sie mir wirklich helfen wollen, dann lassen sie sich etwas anderes einfallen! Sonst sterbe ich hier gleich einen einfachen Herztod!“ Walker starrte Scott direkt in die Augen.
„Mist, verdammter!“ Scott drehte sich von ihm weg, verschnaufte selbst und nutzte die Zeit, um ihre Situation neu zu überdenken.
Natürlich konnte er nicht ständig mit ihm rumrennen, wobei er sich auch eingestehen musste, dass er nicht gerade die leiseste Ahnung hatte, wo sie eigentlich hinrannten.
Also musste er sich etwas anderes ausdenken.
„Scott?“ kam es plötzlich aus seinem Head-Set und er erkannte sofort Michaels Stimme.
„Verdammt, Michael, endlich. Wo zum Teufel hast du gesteckt? Und wo ist Gina?“
„Gina wurde angeschossen!“
„Was?“ Scott drehte sich zu Walker, schaute ihn entsetzt an. „Wie geht es ihr?“
„Schulterschuss. Aber sie wird wieder. Du weißt ja: Sehr blutig, aber nicht lebensgefährlich. Ein Krankenwagen ist auch schon bei ihr!“
„Verdammt, Michael, das gerät hier alles langsam aus den Fugen!“
„Du machst Witze, Scott. Das läuft schon lange nicht mehr normal ab!“ Michael musste einige Male Luft holen. „Hast du Walker?“
„Ja, ich hab den kleinen Lustmolch!“
„Was?“ Walker hob entsetzt seinen Kopf.
„Was?“ fragte auch Michael.
„Ach, der Kerl hat Tortellinis Tochter gebumst. Deshalb sind die alle wie wild hinter ihm her!“
„Aha...!“
„Hab ich gar nicht, verdammt. Was bilden sie sich eigentlich ein?“ Walker wurde sauer.
Scott musterte ihn einmal scharf, sagte aber nichts.
„...und was machen wir jetzt?“ Michael hatte nun ebenfalls abgestoppt und verschnaufte kurz.
„Wir müssen uns treffen. Der blöde Sack hier kann nicht mehr!“ Scott drehte sich von Walker weg.
„Wo bist du?“
Scott drehte sich um seine Achse und erkannte ein Straßenschild. „Marvin-Street!“
„Wo ist das?“
„Am Arsch der Welt!“
„Wo? Verdammt Scott, das ist deine Stadt. Ich hab nicht die leiseste Ahnung, wo ich bin!“
Scott war einen Moment still, schaute noch einmal auf das Straßenschild, das auch noch einen Richtungsweiser besaß. „Central Park!“ sagte er dann nur kurz.
„So blöd bin ich nun auch wieder nicht, dass ich nicht weiß, dass ich da nicht bin!“
„Nein, wir treffen uns da!“
Michael schaute sich nun ebenfalls um, erkannte ein Straßenschild vor sich und rannte darauf zu. Auch hier war der Central Park ausgeschildert. „Okay! Wo?“
Scott überlegte. Sie würden von der Ostseite kommen. „Metropolitan Museum!“
„Alles klar! Und beeil dich!“
„Michael?“
„Ja?“
„Dein kleiner Freund hier nervt tierisch!“
„Sei trotzdem lieb zu ihm! Und wenn doch, hau ihn K.O!“
„Das ist aber nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, oder?“
„Ich weiß nicht. Er ist so süß!“
„Sollte er zu sehr nerven, geb ich ihm einen Schmatzer auf die Wange von dir, okay? Und dann hau ich ihn um!“ Scott prustete einmal belustigt aus.
„Aber ja nicht unterhalb der Gürtellinie. Fummeln macht keinen Spaß mit dicken Eiern!“
„Sag du noch einmal, ich bin doof!“ Scott schüttelte den Kopf und musste breit grinsen.
„Wir sehen uns am Museum!“
Scott drehte sich zu Walker. „Sie haben es gehört. Ihre Zukunft liegt in den Händen eines durch geknallten Schwulen und mir!“ Er grinste Walker verächtlich an, der säuerlich zurück schaute. „Tja, manchmal kann einen das Leben schon arg beuteln, was?“ Und damit lief er los.
Sie hatten sie die ganze Zeit über beobachten können.
Wie zunächst Walker völlig außer Atem stoppen musste und dann sein Begleiter auf ihn einredete.
Als der Fahrer das Head-Set an Scotts Kopf erkannte, wusste er, dass der andere nicht nur mit Walker redete, sondern auch Kontakt zu seinen Partnern hatte.
Während all der Zeit postierten sie sich geschickt im Halbdunkel an der Straßenecke, die Waffen im Anschlag. Sie schossen Scott nicht nieder, weil der Fahrer befürchtete, dass dann Walker wie von der Tarantel gestochen abhauen und sie ihn wieder verlieren würden.
Nein, so war es besser.
Dann war da wieder Bewegung bei den beiden Männern und sie hatten verdammtes Glück. Sie liefen in ihre Richtung.
Das war ihre Chance. Geduldig warteten sie, bis Scott um die Ecke bog, dann ließ der Fahrer ruckartig sein linkes Bein hervorschnellen, erwischte seinen Gegner hart im unteren Bauchbereich, der dadurch schmerzhaft aufschrie, bevor er unkontrolliert mit dem Gesicht voran zu Boden schlug.
In diesem Moment war der andere bereits neben Walker getreten und beförderte ihn mit einem derben Schlag seiner Waffe gegen den Kopf ins Reich der Träume.
Walker sackte augenblicklich zusammen.
Scott stöhnte schmerzvoll auf, doch war er bereits wieder dabei, sich aufzurappeln.
„Keine Chance!“ raunte sein Widersacher jedoch, starrte ihn ausdruckslos an und trat ihm erneut in den Unterleib.
Scott schrie auf, drehte seinen Kopf in seine Richtung, erkannte gerade noch, dass sich sein Gegner zu ihm herab gebeugt hatte, dann explodierten zwei gewaltige Abwärtshaken kurz hintereinander auf seinem linken Wangenknochen.
Blut spritzte, Speichel flog. Scott schlug erneut zu Boden.
Während er so die Schmerzen ertragen musste, zückte der Kerl über ihm sein Handy, wählte geschickt mit einer Hand eine Nummer. „ Am Central Park, in der Nähe des Museums. Ich brauche Verstärkung!“ Er kappte die Verbindung, steckte das Gerät wieder ein und schaute Scott an. „ Du hättest dich nicht einmischen sollen!“ Sein Gegner packte ihn und riss ihn auf die Füße. Ihre Augen trafen sich für eine Sekunde. Dann ließ der andere seinen Kopf nach vorn schnellen, traf Scott hart im Gesicht, wirbelte eine wuchtige Linke gegen sein Kinn, zwei kurze Rechte auf seinen Brustkorb, bevor er sich blitzschnell um seine eigene Achse drehte und seinen rechten Fuß brutal gegen seinen Kopf schleuderte.
Scott hatte nicht die geringste Chance, konnte sich nicht dagegen wehren, musste jeden der hammerharten Schläge hilflos ertragen.
Mit dem Gesicht am Boden versuchte er zu verschnaufen, keuchte schwer, rang böse nach Atem, kämpfte gegen den Schmerz und die Ohnmacht an.
Dann drehte er sich auf die Seite, schaute hinauf zu seinem Widersacher, der mit einem widerlichen Grinsen auf den Lippen vor ihm stand.
Da wusste Scott, dass er verloren hatte und gab sein Vorhaben, seine zweite Waffe am Unterschenkel zu ziehen, wieder auf.
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