„Bin mir nicht sicher“, kam eine müde klingende Erwiderung. „Sind Sie das, Cap?“
„Verdammt, ja. Tech?“
„Ja“, bestätigte der Techniker. „Ich glaube, ich bin noch in einem Stück. Was… ist mit den anderen?“
„Ich sehe nach ihnen. Jelly ist tot.“
„Grundgütiger, wir sind abgeschmiert?“
„Was sonst. Okay, Tech, versuchen Sie die Systemkontrolle zu aktivieren und überprüfen Sie die Lebenserhaltung und den Zustand des Schiffes. Ich sehe nach Nav und den anderen.“
Billings löste den Griff von der Lehne und spürte, dass sie vor Schwäche kaum stehen konnte. Ihr Verstand begann sich vom ersten Schock zu erholen und ihre Gedanken ordneten sich. Eher unbewusst registrierte sie, dass das Schiff leichte Schräglage nach Steuerbord aufwies. Nicht viel… Vielleicht fünf oder sechs Grad. Ein Wunder, dass es überhaupt noch stand.
Der Techniker schien unverletzt. Er schnallte sich los und begann seine Konsole zu untersuchen. Billings ging zum benachbarten Sitz, wo Nav reglos in den Polstern saß. Billings befürchtete bereits, dass die junge Frau ebenfalls ums Leben gekommen sei, doch dann spürte sie zu ihrer Erleichterung das sanfte Pulsieren der Halsschlagader.
„Nav scheint okay“, meldete sie dem Techniker und wandte sich zur anderen Seite, wo der Platz des Funkers und der des Ingenieurs lagen.
Sanftes Glimmen ging unvermittelt von den Lichtbändern aus, die sich in den Fußleisten befanden. Es war nicht viel Licht, aber es reichte aus, um sich nun besser orientieren zu können.
Billings hätte lieber darauf verzichtet. Der Ingenieur war ebenfalls tot, erschlagen von einem Konsolenteil, welches sich beim Aufsetzen des Schiffes gelöst haben musste. Funker Wesley hatte überlebt, konnte jedoch nicht sprechen, da er sich die Zungenspitze abgebissen hatte. Er saß in keuchend in seinem Sitz und blickte nur kurz auf, sah den Captain schmerzerfüllt an und hob dann, aller Pein zum Trotz, den Daumen, um zu signalisieren, dass er alleine klar komme.
„Fifff“, war das Einzige, was er von sich gab.
Wesley hatte recht, das Schiff ging vor, denn ohne Schiff hatten sie keine Überlebenschance.
„Ja!“ Der kurze Aufschrei von Tech klang triumphierend. „Ich habe Notstrom, Cap. Selbstanalyse gestartet. Ein paar Minuten, Cap, und wir haben die Ergebnisse der Schadenskontrolle. Oh… Wenigstens ein paar Ergebnisse. Hier funktioniert nicht mehr alles.“
„Hätte mich sonst auch gewundert“, seufzte der Captain.
Sie warf einen Blick auf die große Panoramaverglasung, die der Rundung der Brücke folgte. An einer Stelle schien ein spinnennetzartiges Gespinst über den Klarstahl zu laufen. Billings war sich jedoch sicher, dass es kein durchgehender Riss war, sonst wäre die Brücke längst der Außenatmosphäre und deren Druck ausgesetzt worden. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass die Scheibe wohl auch noch länger halten werde, da sie bis jetzt nicht nachgegeben hatte.
Funker Wesley packte ihre Hand und hielt sie zurück. Er deutete auf seine eigene Konsole. Dort glommen nun ebenfalls ein paar Anzeigen auf. Viel war es nicht, aber der Funker tippte auf den Bereich der bordinternen Kommunikation.
Billings nickte. Da er nicht sprechen konnte, aktivierte sie das entsprechende Feld. „Hier… Hier spricht der Captain. Geben Sie Meldung an die Brücke.“
Sie war erleichtert, als der Lautsprecher kurzes Stimmengewirr übertrug. Dann war die Stimme des Professors zu hören, der die anderen zur Ruhe aufforderte. „Hier Jen-Do. Zum Teufel, Billings, was ist passiert?“
„Wir haben aufgesetzt“, antwortete sie sarkastisch. „Ich habe zwei Tote auf der Brücke und das Schiff scheint übel mitgenommen zu sein. Wie sieht es bei Ihnen aus, Professor?“
Der schwieg einen kurzen Moment, bevor er antwortete. „Doktor Carlssen, Leroy und Larissa haben es überlebt. Außer mir, natürlich. Die anderen… Die anderen nicht.“
„Verdammt.“ Billings schloss kurz die Augen. „Brauchen Sie Hilfe? Ich meine, gibt es Verletzungen oder kommen Sie vorerst alleine zurecht?“
„Die Messe ist ein verdammtes Scheiß-Chaos!“, kam der Ruf von Leroy. „Hier ist alles durch die Gegend geflogen und zu Bruch gegangen!“
„Verstehe“, versicherte sie. Natürlich, Tische und Stühle in der Messe waren nicht so fest am Boden verankert, wie die Einrichtung der Brücke. „Hören Sie, bewahren Sie Ruhe. Wir sind noch dabei, hier die Schäden festzustellen und außer mir ist hier auch Wesley verletzt. Daher nochmals meine Frage… Benötigen Sie unmittelbare Hilfe?“
Diesmal meldete sich Larissa zu Wort. Ihre Stimme klang unerwartet gefasst. „Ich habe eine Ausbildung als Medo-Tech, Captain, und wir haben hier einen Erste-Hilfe-Kasten. Vorerst kommen wir hier klar. Kümmern Sie sich um Ihr Schiff.“
„Unser Schiff“, korrigierte Billings mechanisch. „Okay, ich lasse die Verbindung stehen, für den Fall, dass sich etwas ereignet.“ Sie klopfte Wesley aufmunternd auf die Schulter. „Ich hole den Medo-Kasten, aber ich muss erst wissen, wie es um uns steht.“
Erneut zeigte der Funker seinen Daumen und rang Billings damit sogar ein knappes Lächeln ab.
„Wie sieht es aus, Tech?“
„Beschissen ist noch geprahlt.“ Er deutete auf die Anzeigen. Sie waren unvollständig und das Bild flimmerte gelegentlich. Ab und zu wechselte es, von der gewohnten dreidimensionalen Ansicht des Schiffes, in ein zweidimensionales Abbild. „Die Hauptenergie ist definitiv ausgefallen. Keine Ahnung, woran das liegt. Vielleicht ist ja nur die sprichwörtliche Sicherung herausgeflogen.“
„Vermutlich nicht. Wir haben mit der Unterschale sehr heftig aufgesetzt und die Hauptmaschinen befinden sich in der Unterschale.“
„Danke, Cap, das verschönert mir jetzt echt den Tag“, seufzte der Schiffsingenieur. „Ohne Hauptenergie werden wir nämlich nicht weit kommen. Na ja, werden wir ohnehin nicht, da der Antrieb ebenfalls zum Teufel ist. Wir haben aber noch einen der Notstromerzeuger und der reicht aus, um die komplette Lebenserhaltung am Laufen zu halten. Wir haben Luft, Wärme, Licht und Wasseraufbereitung, und die Notrationen haben es sicherlich auch überstanden.“
„Immerhin ein Lichtblick. Damit können wir überleben, bis wir gerettet werden.“
„Sofern wir einen Notruf absetzen können.“
„Ich werde mich gleich darum kümmern. Verdammt, die To-do-Liste wird immer länger. Schön, Eins nach dem Anderen. Wie sieht es mit dem Rumpf aus? Was machen die anderen Sektionen? Sind wir dicht?“
„Das obere Deck und die Oberschale scheinen weitestgehend intakt, Cap, aber unten sieht es wüst aus. Zu den dortigen Sensoren sind die meisten Verbindungen abgebrochen und die Tetronik kann keine Überprüfung der Schäden vornehmen. Eines ist aber sicher… Eine unserer Landestützen ist so hart aufgekommen, dass sie sich von unten durch beide Decks nach oben gerammt hat und wohl oben aus der Hülle ragt.“
„Damit sind zumindest ein paar Räume nicht mehr ohne Raumanzug begehbar.“
„So sieht es aus.“
„Wie steht es mit der Medizinischen?“
„Kann ich von der Konsole aus nicht feststellen. Keine Verbindung. Da sie sich aber im Oberdeck befindet und nicht in der Nähe der zerstörten Landestütze, hoffe ich mal, dass sie in einem Stück geblieben ist. Denke, wir können sie gut gebrauchen.“
„Nur zu wahr, Tech, nur zu wahr.“ Sie tastete nach der Platzwunde. Sie hatte aufgehört zu bluten und zwischen den Haaren bildete sich Schorf. „Ich sehe jetzt noch mal nach Nav und dann versorge ich Wesley.“
„Klar, Cap. Ich sehe zu, ob ich noch ein paar Informationen aus der Schadenskontrolle herauskitzeln kann.“
Die Navigatorin und Ortungstechnikerin war zu sich gekommen und sah Billings entgegen. Sie schien die Situation erfasst zu haben. „Wir stecken ganz schön im Dung, was, Cap?“
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