„Man kann es doch färben“, wandte Wilma ein.
„Hast du das gemacht?“
„Ja, in hellblau. Sieht gut aus.“
„Und wie oft hast du es seitdem getragen?“
„Einmal“, gab sie zu, „erst war ich immerzu schwanger und dann hatten wir nie Gelegenheit, auf Bälle zu gehen.“
„Eben. Ein umgefärbtes Ballkleid kann ich auch nicht brauchen. Wieso kann ich das Kostüm von der standesamtlichen Trauung nicht auch in der Kirche tragen?“
„Schatz, das gehört sich nicht. Ein graues Kostüm! Alle werden denken, etwas stimmt nicht.“
„Grau? Wieso grau?“ Entsetztes Keuchen bei den Schwiegereltern.
„Weil graue Wildseide ein Schweinegeld kostet und ich die Farbe noch gut bei wichtigeren Meetings tragen kann. Ich hab´s mit Elfenbein probiert, aber es sieht eben wie ein Brautkostüm aus, da grinsen doch alle, Guck, die trägt ihre Hochzeitsklamotten auf. Das kann ich mir nicht leisten.“
„Nimmst du deine Arbeit nicht etwas zu wichtig?“, fragte Wilma pikiert. „Du beurteilst alles danach, ob du es ins Büro anziehen kannst!“
„Wonach denn sonst?“, fragte ich ehrlich erstaunt.
„Du bist kaltschnäuzig!“, warf sie mir vor.
„Weiß ich“, grinste ich, „aber ich bin nun mal ein unromantischer Mensch.“
„Lohnt es sich denn noch, wenn du dich so in deine Arbeit reinkniest?“, fragte Werners Vater. Ich sah ihn verblüfft an, und er versuchte, seine Frage zu erläutern. „Ich meine, ihr kriegt doch sicher bald Kinder, und dann hörst du doch ohnehin auf zu arbeiten.“
„Das hat ja wohl noch Zeit, und scharf bin ich auf Kinder nicht.“
„Vielleicht in zwei, drei Jahren“, fügte Werner hinzu und ich blinzelte überrascht. Das hatten wir so präzise nicht ausgemacht! Na, vielleicht wollte er mir nur ein bisschen helfen.
Ich beendete die Debatte, indem ich Werners Mutter beim Abräumen zur Hand ging. So entkam ich wenigstens den voll gestopften, aber deshalb leider kein bisschen müden Kindern, die sofort wieder begannen, im Wohnzimmer herumzutoben, bis Wilma eine Fernsehsendung entdeckte, mit der man sie ruhig stellen konnte. Wir plauderten halblaut über neutrale Themen, das Wetter, Urlaubspläne, Sonderangebote, nur nicht über diese furchtbare Hochzeit, während wir einträchtig die Spülmaschine einräumten und die Arbeitsplatten abwischten. Was würden sie erst sagen, wenn sie hörten, dass ich vorhatte, meinen Namen zu behalten? Das wusste ja noch nicht einmal Werner!
Untermalt vom Gekreisch eines japanischen Comics, brüteten Werner und sein Vater über einer langen Liste und stritten sich halblaut. Ich setzte mich neugierig dazu und guckte. Lauter Namen, Tante dies und Onkel das. Dann dämmerte mir die furchtbare Wahrheit. „Himmel noch mal, sollen die etwa alle zur Hochzeit kommen?“
„Ja, natürlich. Eine Hochzeit ist doch ein Familienfest!“, antwortete Werner erstaunt. Ich nahm ihm den Zettel weg und las ihn mir gründlich durch.
Werner Leni
Eltern Yannick (Trauzeuge?)
Wilma & Helmut
Jonas, Lara, Benedikt
Tante Emma & Onkel Karl
Susanne, Sybille, Sandra
Onkel Joachim mit Freundin
Dr. Winkelmann & Frau
Helga & Heinz
Nathalie, Tristan, Joy
Reinhard (Trauzeuge) & Katja
Kevin, Dennis, Janine
Michael & Tina
Paul, Anna, Teresa
Tante Toni & Tante Anni
Onkel Josef und Tante Zenzi
Sebastian & Carolin
Ehepaar Untermeier
Ehepaar Vinzberger
Ehepaar Ähler
„Die meisten kenne ich überhaupt nicht.“, stellte ich ärgerlich fest. „Darf ich eigentlich auch jemanden einladen?“
„Was ist das denn für eine Frage? Dein Bruder kommt, und sonst hast du doch keine Familie, oder?“
„Stimmt. Allerdings hat mein Bruder auch eine Frau und zwei Kinder, und die
hast du nicht auf die Liste geschrieben. Was ist mit Freundinnen?“
„Wenn du das unbedingt möchtest, natürlich. An wen hast du denn gedacht?“
„Sonja“, sagte ich schnell, nicht weil sie meine beste Freundin gewesen wäre, sondern weil ich sie gestern erst getroffen hatte und weil ich wusste, dass Werner sie nicht leiden konnte, was ja auf Gegenseitigkeit beruhte.
„Muss das sein? Diese Zimtzicke. Ich wusste gar nicht, dass du zu der noch Kontakt hast.“
„Doch. Und Veronique und die Kinder möchte ich auch bei der Hochzeit haben.“
„Sprechen die überhaupt deutsch?“, fragte Wilma grämlich.
„Ein bisschen. Na und? Die meisten können doch notfalls auch Englisch oder Französisch, oder?“
„Das sollte eigentlich ein schöner Tag werden, nicht einer, an dem man sich mit Leuten rumärgern muss, die man gar nicht kennt“, maulte Wilma. Ich riss Werner die Liste weg und strich meinen Bruder energisch durch. „Ohne seine Familie kommt er ohnehin nicht, dann können wir´s doch gleich lassen. Schließlich kann es mir ja egal sein, Hauptsache, für Wilma wird es ein schöner Tag.“
„Bist du jetzt sauer?“, fragte Werner erstaunt.
„Natürlich nicht! Warum sollte ich sauer sein, wenn nur Leute von deiner Seite kommen dürfen? Was das alles kostet! Und wer sind diese Ehepaare? Nie gehört!“
„Unsere Nachbarn“, erklärte Werners Vater, „das gehört sich so.“
„Und was ist mit unseren Nachbarn?“, fragte ich Werner, der die Achseln zuckte. „Die kennen wir doch kaum.“
„Ich schon. Na gut, ich sage allen, dass ich auf die Gästeliste keinen Einfluss hatte. Und mit Yannick und Véro kann ich ja mal alleine essen gehen, nicht? Gott, bin ich froh, wenn diese zwei Horrortage vorbei sind!“ Wilma schnaufte. „Du bist herzlos!“
„Wenn schon! Sag doch mal ehrlich! Ich verkleide mich aufs Albernste, gebe ein Schweinegeld für ein Fest aus, auf dem ich fast niemanden kenne, muss einen auf gerührt machen und in der Kirche so tun, als legte ich auf den Segen irgendwelchen Wert. Ist doch furchtbar. Ach Werner, warum können wir nicht einfach in der Mittagspause aufs Standesamt gehen?“
„Die anderen erwarten doch von uns eine richtige Hochzeit, das können wir nicht machen.“
„Wo wollt ihr denn feiern?“, fragte Helmut. „Bei so vielen Leuten wird das echt nicht billig.“
„Keine Ahnung“, murrte ich. Gut, ich hatte ein paar tausend Euro für dieses lächerliche Fest beiseite gelegt, aber darüber hinaus würde ich keinen müden Euro opfern, alleine zahlte ich das nicht, egal, wie oft Wilma auf dem Brauchtum herumritt.
„Wie ich Leni kenne, bei MacDonald´s“, stänkerte Wilma. Die Kinder kreischten sofort begeistert auf und waren stinksauer, als sie endlich verstanden hatten, dass wir absolut nicht vorhatten, auf der Stelle mit ihnen dorthin zu fahren.
„Hast du eigentlich eine Mitgift?“, fragte Wilma schließlich.
Ich blinzelte verblüfft. „Eine was? Wilma, was liest du eigentlich so? Ach, bevor ich es vergesse – Werner, wir brauchen noch einen Notartermin vor der Hochzeit.“
„Wozu?“ Jetzt sah er ratlos drein. „Für den Ehevertrag, was dachtest du denn?“
„Muss das sein?“ Vater Reitz verzog das Gesicht.
„Ja, das muss sein!“ Scheißegal, wie die Hochzeit verlief, aber ohne Ehevertrag würde sie überhaupt nicht stattfinden, das war mal klar! „Du denkst ja jetzt schon an die Scheidung, wenn du so was willst“, kritisierte Wilma. Das war mir zu blöde, um überhaupt darauf zu antworten. „Welche Form sollen wir nehmen?“, fragte Werner halblaut.
„Gütertrennung“, tuschelte ich zurück, „das ist doch am einfachsten, oder?“
Er nickte langsam. „Gut. Und wegen der Kinder lassen wir uns vom Notar beraten.“
Welche Kinder? Na gut, das hatte ich ja schließlich selbst in der Hand. Glücklicherweise schien niemand das mit der Gütertrennung gehört zu haben. Andererseits hatte die Familie Reitz nicht so wenig Geld, also waren sie vielleicht ganz froh, wenn ich da nicht rankam. Dass ich auch nicht arm war, wussten sie vielleicht nicht. Besser so!
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