„Das Klappern war der Auspufftopf. Kostet leider einen Hunderter, einen neuen einzubauen, sagt der Meister. Soll ich mit deinem nicht auch mal zur Inspektion fahren?“
„Danke“, antwortete ich und stellte Salz und Pfeffer auf den Tisch, „ich war doch grade erst, dem fehlt gar nichts. Er ist ja auch erst ein Jahr alt.“
„Du warst selbst bei der Inspektion?“
„Mach ich doch immer“, sagte ich abgelenkt – hatte ich tatsächlich nur eine Gabel mitgebracht oder war mir eben die andere runtergefallen? Nein, unter dem Tisch lag sie nicht, eher draußen in der Küche. „Ich nehme dir das gerne ab.“
„Danke, aber mir macht das Spaß. Wenn du willst, kannst du mir beim nächsten Mal das Tischdecken abnehmen.“
Werner brummte. „Ich weiß doch nie, wo was hingehört und wo du das ganze Zeug aufbewahrst.“
„So viele Möglichkeiten gibt´s da auch nicht“, erwiderte ich freundlich, „du findest den Kram schon. Essen ist gleich fertig!“
Ich goss die Nudeln ab und kippte sie in die Schüssel, füllte das heiße Gulasch in die andere und trug alles zum Esstisch. Als ich auch noch den Salat geholt hatte, saß Werner schon zufrieden schnuppernd am Tisch; die Fußballvorschau lief nun wenigstens ohne Ton. Na, wenn ihm das Spaß machte... Er aß mit gutem Appetit und kratzte zu guter Letzt die Schüsseln noch aus, damit ja nichts umkam. „Hast du Forsythienzweige geholt?“, fragte ich schließlich.
„Was?“ Die Gabel stoppte auf halbem Weg.
„Für den Osterstrauß“, erklärte ich freundlich, „du wolltest doch einen haben.“
„Ach so, ja. Nein. Ich war nach der Werkstatt noch im Medienmarkt. Tolle Spiele hatten die da, ich hab ein bisschen rumgedaddelt. Na, und Blumenläden gibt´s in der Gegend ja nicht.“
Das stimmte leider. „Dann gehe ich noch mal schnell, der Blumenladen muss noch offen haben, glaube ich“, verkündete ich und schob meinen Stuhl zurück. Forsythien waren aus, als ich im La Fleur stand, aber es gab noch Kirsch- und Haselzweige, auch nett. Ich ließ mir zehn Stück zusammenstellen und dachte im Geiste über die passende Vase nach, dann trabte ich mit dem papierumhüllten Strauß wieder nach Hause.
In der Küche entschied ich mich schließlich für die weiße Kugelvase, schnitt die Zweige zurecht, stellte sie ins Wasser und arrangierte sie gleichmäßig. Die Küche machte einen recht ordentlichen Eindruck – Werner hatte doch wohl nicht abgedeckt und die Spülmaschine eingeräumt? Das war ja noch nie dagewesen!
Nein, hatte er nicht. Das hätte mich auch ziemlich erstaunt. Der Esstisch sah so aus, wie wir ihn verlassen hatten, Werner war verschwunden. Die Vase landete auf dem Sideboard zwischen den beiden Fenstern, wo sie recht nett aussah. Ich fand ja dieses Schmückmanie, in die das ganze Land zu passenden Zeitpunkten verfiel, eher albern, aber Werner war mit Osterstrauß aufgewachsen, warum sollte er jetzt keinen mehr haben? Schnell räumte ich den Tisch ab und die Spülmaschine ein; während sie rumpelnd vor sich hin arbeitete, verteilte ich die bemalten Eier aus Holz und Kunststoff gefällig an den Zweigen und klemmte schließlich noch eins der sinnlosen bestickten Deckchen von Werners Großmutter unter die Vase, damit das polierte Holz keinen Rand bekam. Nett, ja – wenn man auf solchen Kram stand.
In der Küche füllte ich das große Pappei mit Ostergras und der La Bohème -CD, dann kochte ich zehn frische Eier hart und stellte die Näpfchen mit den Färbetabletten auf – rot, lila, blau, grün, gelb. Der große Rattankorb, den wir sonst nie benutzten, kriegte eine große Osterserviette und eine sorgfältig auseinander gezupfte Handvoll Ostergras, dann fischte ich die harten Eier aus dem Kochwasser und legte je zwei in eins der Farbnäpfchen, wo ich sie dann die vorgeschriebenen zehn Minuten lang hin und her drehte. Stumpfsinnig... Aber harte Eier aß ich selbst ganz gerne, und das Frühstück morgen sollte doch einigermaßen festlich sein, mit Pinza, Schinken, Krabbensalat und eben Ostereiern. Wenigstens war Werner so weit erwachsen, dass ich die Schokoladeneier nicht mehr verstecken musste.
Die fertigen, abgetrockneten und mit Öl dünn eingeriebenen Eier glänzten schon in ihrem Nest, als ich in einem zweiten Korb ein Nest aus Schokoeiern und Häschen arrangiert hatte. So, fertig! Ich leerte die Farbbrühen aus, spülte die Näpfe ab, räumte die Spülmaschine aus und wischte die Küche oben und unten schnell auf. Das war´s!
Zufrieden zog ich mich mit einem neuen Buch, Neue Methoden des Controllings , in mein winziges Arbeitszimmer zurück und las. Aus dem Wohnzimmer ertönte mittlerweile wieder Pfeifen, Jubeln und die aufgeregte Stimme eines Moderators, Werner war also angenehm beschäftigt, so dass ich die Neuen Methoden in Ruhe studieren konnte. Vielleicht ließen sich auf diese Weise einige Arbeitsschritte einsparen? Schließlich öffnete sich meine Tür.
„Hast du nicht auch Lust auf einen Kaffee?“
Mich packte ein Teufelchen. „Au ja, gute Idee! Für mich bitte schwarz.“
Werner sah mich ratlos an. „Was? Ich dachte - na gut.“
Kaffee kochen konnte er, das wusste ich. Ich lauschte auf das Geklapper in der Küche, hörte, wie etwas klirrend zu Boden fiel, zuckte zusammen, bemühte mich, nicht helfend einzugreifen, und schlenderte erst fünf Minuten später in die Küche.
Die Kaffeemaschine blubberte und ließ verdächtig helles Gebräu durchlaufen, auf dem Boden lagen die Scherben einer Tasse und einige Häufchen Kaffeepulver.
Ich reichte Werner, der mir kläglich entgegensah, einen feuchten Lappen und deutete stumm auf das Kaffeepulver. Ungeschickt bückte er sich und wischte herum, bis das Pulver unter den Unterschränken verschwunden war. Klasse! Ich hob währenddessen die Scherben auf und schmetterte sie in den Mülleimer. „Kann man das nicht mehr kleben?“, fragte Werner und warf den braun verschmierten Lappen auf die saubere Arbeitsfläche.
„Nein. Außerdem ist das lächerlich, wer soll denn aus einer geklebten Tasse trinken?“
„Dann ist das Service ja nicht mehr komplett!“
„Ich weiß“, fauchte ich, „aber ich hab die Tasse ja nicht runtergeschmissen, oder? Ich hab die Absicht schon verstanden.“
„Welche Absicht? Glaubst du, ich habe die Tasse mit Absicht kaputt gemacht? Leni, wie kommst du mir vor?“
„Ach nein? Soll das alles – kaputte Tasse, schmutziger Lumpen, schmutziger Boden – nicht heißen Das passiert eben, wenn du mich zwingst, die Küche zu betreten ?“
„Leni, ich versteh dich nicht. Ich hab den Kaffee doch aufgewischt!“
„Hast du nicht, du hast ihn unter die Unterschränke gefegt, wo er jetzt so lange vor sich hingammeln wird, bis ich mich erbarme und ihn da wieder rauskratze.“
„Du kannst das eben besser, Leni!“
Sehr einfach! Und er sollte nicht immer Leni sagen, das klang so nach Bauerntrampel. Ich hieß Hélène und legte auch Wert darauf, aber das hatte Werner schon seit sechs Jahren ignoriert. Jetzt war daran auch nichts mehr zu ändern. „Was soll ich denn tun?“ Gott, wie er jetzt dreinschaute! Irgendwie war er ja doch süß, wenn er sich auch im Haushalt immer absichtlich dumm stellte.
„Spül den Lappen gründlich aus, ja, so, bis kein Kaffee mehr rauskommt. Und dann fährst du mit einem flachen Lappenzipfel unter den Schrank, bis du den Kaffee eingefangen hast. Und beim nächsten Mal nimmst du pro Tasse bitte einen ganzen Löffel Kaffeepulver, ja?“
Er wischte und schaute demütig zu mir auf. So war es Recht, aber ich wusste leider genau, dass diese unterwürfige Pose nicht anhalten würde – bei der nächsten Gelegenheit würde er sich wieder mit Hingabe als Tölpel präsentieren. Es ging wirklich alles doppelt so schnell, wenn ich es selbst machte, und mein erzieherischer Eifer erlahmte immer wieder nach einem Versuch. Schließlich stand er auf, spülte den Lappen, nachdem ich ihn wieder darauf hingewiesen hatte, aus und trank einen Schluck von seinem Kaffee, bevor er die Tasse angewidert ins Spülbecken leerte und sie irgendwo abstellte. Ich gab es auf, allerdings kapitulierte ich nicht so weit, dass ich anständigen Kaffee gekocht hätte.
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