Ich zuckte mit den Schultern. „Kommt darauf an, wie gut sie sind. Stümper bekommt man für ein paar Taler. Wer einen Golddukaten ausgibt, kann ziemlich sicher sein, dass das Opfer bald tot ist.“
„Man könnte also mit einem Barren mehrere gefährliche Attentäter bezahlen. Einzelgänger aus anderen Provinzen, die man hier in der Stadt nicht kennt und die nach vollbrachter Tat ebenso unbemerkt verschwinden, wie sie gekommen sind. Ich fürchte, mehr als einer ist auf Sie angesetzt. Das zumindest berichten mir Zuträger aus der Königsburg. Deshalb sagte ich, ich sei froh, dass Sie unversehrt hierher gelangt sind.“
„Das hört sich ernster an, als ich bisher vermutet hatte. Wieso sind Sie auf Informanten aus der Burg angewiesen? Bekommen Sie keine offiziellen Nachrichten mehr von dort?“
„Der Grund dafür ist so geheim, dass ihn nur wenige Menschen in Dongarth kennen. Also behalten Sie ihn bitte für sich.“ Er sah mich für einen Moment starr an, bevor er fortfuhr: „Die Königin-Witwe ist erkrankt. Schwer erkrankt. Wir beten täglich für sie, aber ob der Eine Gott Gnade walten lässt, erscheint zunehmend zweifelhaft.“
„Sie meinen, sie könnte sterben?“ Da er nicht antwortete, fragte ich weiter: „Was geschieht in diesem Fall? Prinz Joha ist Thronfolger, aber noch ein Kind.“
„Er bekommt einen Vormund.“
„Und wer ernennt den?“ Ich ahnte die Antwort, bevor er sie aussprach.
„Der Rat der königlichen Verwalter unter dem Vorsitz des kurrethischen Rats Geshkan.“
„Das bedeutet, die Kurrether würden die Macht übernehmen, bis der Prinz volljährig ist. Das wäre eine Katastrophe für die Ringlande. Sie könnten tun und lassen, was sie wollen.“
„Das können sie jetzt schon. Solange die Königin-Witwe die Geschäfte nicht führen kann, erledigen das die königlichen Verwalter.“
Mir kam ein weiterer ungeheuerlicher Gedanke. „Was ist, wenn auch der Prinz stirbt? Durch eine Krankheit oder einen Unfall?“
„Dann endet die bisherige Königslinie. Der Rat der Fürsten unter Leitung von Fürst Borran wird einen neuen König krönen. Der kann aus dem Kreis der sieben Provinzfürsten stammen, aber es gibt kein Gesetz, das dies vorschreibt.“
„Es könnte also auch ein Kurrether König der Ringlande werden?“
„Wenn vier der Fürsten so abstimmen, dann ja.“
Ich wusste, dass der Regent meiner Heimatprovinz Krayhan eng mit den Fremden zusammenarbeitete. Er würde Geshkan unterstützen. Borran war genauso eindeutig dagegen, ebenso der Fürst von Arbaran, den ich persönlich kannte. Aber bei den Herrschern der anderen Provinzen war ich mir nicht sicher. „Wie viele sind für und wie viele gegen die Kurrether eingestellt?“
„Nur zwei werden in so einer Situation ohne Zweifel für sie stimmen. Aber mit ausreichend Gold könnten sie weitere Stimmen kaufen. Doch lassen wir diese Gedankenspiele, noch lebt die Königin-Witwe.“
„Seliim sagte, hier im Tempel sei ich sicher. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mir erlauben, mich dauerhaft hier zu verstecken. Oder haben Sie Pläne, bei deren Umsetzung Sie meine Hilfe gebrauchen können?“
„Pläne habe ich viele, aber auch Probleme. Einige möchte ich Ihnen schildern, damit Sie besser informiert sind. Natürlich dürfen Sie nicht für immer hier im Tempel bleiben - außer Sie entschließen sich, dem weltlichen Leben zu entsagen und das Gelübde abzulegen.“
Er sah mich tatsächlich so überlegend an, als habe er diesen Vorschlag mit vollem Ernst gemacht.
Ich schüttelte nur den Kopf.
„Das dachte ich mir. Sie müssen raus aus Dongarth, in eine Gegend, in der Sie nicht so gefährdet sind. Pregge wäre so ein Ort, die Hauptstadt der Provinz Kirringa.“
Er sprach den Namen der Stadt aus wie „Preksch“, weshalb ich zunächst nicht verstand, was er meinte.
„So sprechen es die Einheimischen aus“, belehrte er mich. „Das sind Menschen, die in vielem seltsam sind, aber durchaus auch die Gastfreundschaft hochhalten.“
„Auf dem Weg hierher bin ich sechs Männern begegnet, die von dort stammen“, sagte ich und berichtete ihm davon.
Zum ersten Mal, seit ich hier war, verzog sich das Gesicht des Hohepriesters kurz zu einem Lächeln. „Angehörige des Bergvolkes von Kirringa“, sagte er. „Ein eigenwilliges Völkchen. Ihre Sagen behaupten, sie stammten zum Teil von Zwergen ab - obwohl noch nie jemand in den Ringlanden einen dieser sagenhaften Zwerge gesehen hat. Nichtsdestotrotz gilt eine kleine Körpergröße bei ihnen als vorteilhaft und sie geben sich ganz so, wie man es aus Märchen kennt. Aber Sie wissen ja, dass unsere Vorfahren auf einem anderen Weg hierher gelangt sind und diese Zwergengeschichte nicht stimmen kann.“
Ich nickte. Wir alle stammten von einem kriegerischen Volk ab, das vor vielen Jahrhunderten nördlich des fernen Landes Ostraia lebte. Als es den Ostraianern und ihren Verbündeten gelang, unsere Vorfahren zu besiegen, siedelten sie diese um in die Ringlande. Hier können dank der magischen Wirkung des Berges Zeuth keine Kriege stattfinden. Jedenfalls keine mit mehr als einem Dutzend Kämpfern auf jeder Seite. Auf diese Weise hatte man einst unser Volk gegen seinen Willen befriedet. Seitdem - seit wie vielen Generationen wusste niemand - litten wir unter der Passivität, die zu den Nachteilen der Wirkung des Zeuth gehörte. Deshalb war es den Kurrethern gelungen, sich nach und nach in unserer Heimat auszubreiten und an vielen Stellen führende Funktionen zu übernehmen.
„Nun zu den neuen Problemen“, fuhr Echterion fort. „Es geht zunächst um Geld.“
Enttäuscht lehnte ich mich zurück. Ich hatte erwartet, von einer Gefahr zu hören, die dem Tempel und den Priestern drohte. Einer tödlichen Gefahr, die existenzbedrohend war.
Echterion bemerkte meine Reaktion und schüttelte den Kopf. „Es ist ernst“, betonte er. „Das Königshaus hat die Tempel des Landes erstmalig der Zahlung von Steuern unterworfen. Bisher waren wir davon befreit. Und diese Steuern sind so hoch, dass ich erste Anfragen von Priestern aus kleinen Städten vorliegen habe, die wissen wollen, ob wir sie finanziell unterstützen können. Sonst müssen sie die Tempel schließen.“
„Das wird die Bevölkerung nicht zulassen. Schon, weil die Menschen die Rache der Götter fürchten, falls das geschieht.“
„Die Steuerbehörde hat das vorausgesehen und ein wirksames Gegenmittel gefunden“, belehrte mich Echterion. „Sollten die Bürger einer Stadt der Ansicht sein, dass ihr Tempel steuerfrei bleiben muss, wird man die dadurch entgangenen Einnahmen auf alle Stadtbewohner umlegen. Die Steuern würden sich für jeden spürbar erhöhen.“
Ich stieß einen Pfiff aus. „Das löst einen Aufstand aus!“
„In den Ringlanden? Wohl kaum. Der befriedende Einfluss des Zeuth verhindert das. Aber jedermann wird an seine eigene Geldbörse denken und zu der Überzeugung gelangen, dass die Tempel das geforderte Geld leichter aufbringen können, als er.“
„Was will Geshkan mit den Steuereinnahmen machen?“ Ich unterstellte damit, dass der Kurrether hinter dieser Idee steckte, was der Hohepriester bestätigte.
„Die Macht der Priester deutlich einschränken und seine eigene Beliebtheit beim Volk steigern. Mit dem zusätzlichen Geld sollen Zuschüsse an bedürftige Bürger gezahlt werden, um ihnen das Leben zu erleichtern. Man wird mehr Wachen beschäftigen und sie besser bezahlen, von den Stadtwachen wie hier in Dongarth bis zu den Dorfbütteln auf dem Land. Das soll ein neues Gefühl von Sicherheit vermitteln. Die Straßen zwischen der Hauptstadt und den Provinzen sollen ausgebaut werden und natürlich verfolgt Geshkan seinen Plan weiter, die widerspenstige Provinz Arbaran zu verändern. Er will das Ödland in grüne Weiden verwandeln und dabei die Klöster, Konvente und vor allem die Ruinenstadt Kabh loswerden.“
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