„Brendan und Arianna sind hier?“, fragte Granger erstaunt.
„So heißen sie“, bestätigte der Arzt. „Woher wissen Sie, dass es sich gerade um diese beiden handelt?“
„Magie!“, behauptete Granger und wedelte vielsagend mit der Hand. Brendan und Ari waren die einzigen magisch begabten Menschen, die er kannte - aber das würde er dem Arzt nicht sagen.
Der war gebührend beeindruckt. Er informierte seinen Patienten noch über die Formalitäten, die vor dem Verlassen der Klinik zu erledigen waren. Eine halbe Stunde später war Granger in einem Gleiter unterwegs zum Raumhafen von Xundai.
„Den Koppler?“, fragte Granger. An dieses Gerät hatte er nicht mehr gedacht. „Ich glaube, der ist in Rosies Büro geblieben, mit dem ganzen anderen Kram, den ich an Bord der Fregatte hatte, die damals beim Anflug ...“
„Wir werden danach suchen“, unterbrach ihn ein Offizier der Raumflotte von Xundai.
Die Bevölkerung dieses Planeten war eher locker eingestellt und hatte etwas gegen Bürokratie und Gehorsam. Aber es gab überall ein paar Menschen, denen genau diese Dinge besonders lagen, und die machte man hier zu Militärs. Da waren sie glücklich und sie belästigten die übrigen Bürger nicht übermäßig mit ihrem Spleen.
Nun allerdings bekamen diese Uniformträger ein besonderes Gewicht. Zum einen war die Bedrohung durch die Scarabs real geworden, und zum anderen waren aus der Perseus-Kolonie unzählige Kampfschiffe eingetroffen. Seitdem benahmen sich die Offiziere so, als würden sie den Planeten regieren. Das mochte auch daran liegen, dass Rosie Burringer tot war und es noch keinen neuen Präsidenten gab.
Brendan Hollister, der neben Granger saß, nickte. „Gut. Das Gerät ist ja von Gorrr für Menschen angepasst worden. Wir sind vielleicht in der Lage, gemeinsam ein Gespräch auf magischer Ebene mit der intelligenten Ökosphäre dieses Planeten zu führen - du mit dem Koppler, Ari und ich mit Hilfe unserer magischen Fähigkeiten.“
„Wo ist Ari eigentlich?“, fragte Granger.
„An Bord des Schlachtschiffs im Orbit. Sie arbeitet an der Justierung der Praan-Waffe. Ich glaube, wir haben die optimale Wirkung immer noch nicht erreicht. Die Spuren von Achat-Seele, die für die Funktion notwendig sind, lassen sich nur schwer gezielt umformen. Ari ist darin aber inzwischen weit besser als ich. Sie hat mehr Erfahrung.“
Sie saßen in einem Café am Rand des Raumhafens mit Blick auf die riesige, fast leere Fläche. Ab und zu startete ein Shuttle in den Himmel, um Container zu den Frachtschiffen in der Umlaufbahn zu bringen. Aber mehr war hier nicht los. Wie auf allen unabhängigen Kolonialplaneten war die Anlage überdimensioniert. Vermutlich hatte man große Hoffnungen gehabt, als man ihn einst anlegte - oder die damals Regierenden wollten sich ein unübersehbares Denkmal setzen.
Eine Weile drehte sich das Gespräch um die Anwendungsmöglichkeiten dieser Waffe, mit der man den Gegner nicht vernichten, aber sowohl anlocken als auch vertreiben konnte. Wie und warum sie funktionierte, verstand niemand. Immerhin kannte man den Aufbau nun gut genug, um sie in größerer Zahl nachzubauen. Die notwendige Menge Achat-Seele stammte von uralten Relikten, die die Prospektoren immer mal wieder fanden und für teures Geld an die Regierung auf Gaia verkauften.
Eine halbe Stunde später kam ein weiterer Militär, überreichte Granger ein Päckchen, salutierte und ging wieder. Dieses Päckchen enthielt den Koppler, aber so aufwendig verpackt, dass Granger mit einem Knäuel Papier und mehreren ineinander gesteckten Plastikbehältern dasaß, als er ihn schließlich in der Hand hielt.
„Und jetzt?“, fragte er.
„Gehen wir in die Klinik, in der du schon warst“, sagte Brendan.
„Nein!“, stöhnte Granger.
„Doch! Schließlich ist die Nutzung des Kopplers für dich mit einem gewissen Risiko verbunden. Du wärst beinahe einmal daran gestorben, als du gleichzeitig Verbindung mit einem Planeten und mit mir hattest. Also los, ich bin sicher, der Major hat einen Gleiter flugbereit draußen stehen.“
Kurz darauf lag Granger wieder auf einem Krankenbett, diesmal umgeben nicht nur von Ärzten, sondern auch von Militärs.
Brendan saß mit geschlossenen Augen neben dem Bett. Er versuchte bereits, Xundai telepathisch zu erreichen, während die Ärzte noch dabei waren, Granger an Kontrollinstrumente anzuschließen.
Dann versank auch Granger in den seltsamen Zustand, in dem er auf magischem Wege Kontakt mit anderen Lebewesen aufnehmen konnte.
„Ihr habt euch Zeit gelassen“, war das Erste, das er verstand.
Es war diesmal eine dunkle Männerstimme. Hatte Xundai das Geschlecht gewechselt? Oder nahm sein Gehirn ihre Nachricht auf und tönte sie stimmlich unterschiedlich ein, je nachdem, wie er sich fühlte? Dann hörte er, wie Brendan sprach. Die gemeinsame Unterhaltung funktionierte also.
„Der Flug von Ippanari nach Xundai dauerte auch mit schnellen Schiffen fast drei Wochen“, sagte der junge Mann in entschuldigendem Tonfall. „Und wir mussten noch Vorbereitungen treffen. Außerdem war Granger einige Zeit in der Klinik.“
„Ich weiß“, antwortete die intelligente Ökosphäre. „Es ist bei der Suche nach dem Wurmloch der Yarra-chi zu einem Unfall gekommen.“
„Es gab auch einmal eine solche Verbindung zwischen dem Orion-Arm und dem Perseus-Arm der Milchstraße“, berichtete Brendan. „Ich habe damals noch nicht gelebt, aber aus den Berichten weiß ich, dass ganze Flotten einfach in die Öffnung des Wurmlochs hineinflogen und auf der anderen Seite unversehrt herauskamen. Was macht das Wurmloch im Fünf-Sonnen-System so gefährlich?“
Granger dachte unvermittelt an ein früheres Gespräch mit Xundai zurück. Damals war die Planetenintelligenz ins Schwärmen gekommen, als sie über die Yarra-chi sprachen. Als wäre diese Rasse für sie so etwas wie ein Idol. Während er der Unterhaltung zwischen ihr und Brendan zuhörte, fragte er sich, ob da nicht mehr dahinter steckte. Die Yarra-chi waren so mächtig, dass sie bewusste Wesen entweder erschaffen oder umformen konnten. So war vermutlich Uruvela entstanden. Uruvela präsentierte sich zuletzt als ein von Intelligenzen bewohnter Planet mit einer intelligenten Ökosphäre, wie Xundai also.
Aber die Lebewesen auf Uruvela waren geschaffen worden, nicht entstanden. So jedenfalls hatte Brendan das berichtet, der mit seinem Freund Koumeran auf Uruvela unterwegs gewesen war. Womöglich waren die Yarra-chi Gott gleich und konnten Leben aus dem Nichts erschaffen - vom kleinsten Bakterium bis zu intelligenten Ökosphären. Wäre es dann nicht besser, sich von ihnen fernzuhalten? Denn wer wie ein Gott Leben erschaffen konnte, der war womöglich umso leichter bereit, Leben wieder zu tilgen.
Endete also sein Versuch, das Wurmloch zu benutzen, nicht nur aufgrund eines Zufalls tödlich? Hatten die Yarra-chi das Raumschiff mit einer Handbewegung vernichtet, wie ein Mensch eine Fliege vertreibt, und kümmerten sich so wenig wie ein Mensch darum, ob das lästige Wesen starb? Dass also Rosie starb? Waren Menschen nicht mehr als Insekten, Ameisen etwa, die einem Überwesen in den Weg liefen und von ihm zertreten wurden, ohne dass der es überhaupt bemerkte?
Solche Wesen waren keine Gesprächspartner! Solchen Wesen ging man aus dem Weg, so weit man nur konnte, und hoffte, von ihnen nicht bemerkt zu werden. Das musste er Brendan sagen, bevor der unbedacht Xundai bat, Kontakt zu dieser Rasse herzustellen. Er musste es der Vizeadmiralin Vendaar sagen, damit sie den Eingang zum Wurmloch durch eine Wachflotte sichern ließ. Niemand durfte versehentlich tatsächlich hineinfliegen und die Aufmerksamkeit der Yarra-chi auf die Menschheit lenken. Nein, es war ...
Ein sanftes Lachen unterbrach die Gedanken und schrecklichen Ahnungen, die sich immer intensiver in Grangers Bewusstsein festsetzten. Er zuckte zusammen. Natürlich nur gefühlsmäßig, denn sein Körper lag bewegungslos auf dem Bett in der Klinik. Würde er je dorthin zurückkehren können oder war er dazu verurteilt, für immer als körperloser Geist zu existieren, der mit anderen körperlosen Wesen sprach und ...
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