1 ...8 9 10 12 13 14 ...22 „Aber klar werd ich das. Plus der Information, dass ich putzen gehe, um dich zu ernähren. Wenn das bis dahin noch aktuell ist“, fügte ich drohend hinzu. Heiner machte schmale Augen. „Wie meinst du das?“
„Herrgott, muss ich denn alles dreimal sagen? Wenn morgen das Geld nicht da ist, schmeiße ich übermorgen deinen Schotter vor die Tür, klar?“
„Du hast wohl einen Neuen? Was ist er? Was macht er?“
„Spinnst du? Glaubst du, ich bin so blöde? Ihr Kerle seid einfach zu teuer im Unterhalt, das kann ich mir von meinem Putzfrauenlohn nicht leisten. Zwei schon gar nicht!“
„Dann kriegst du deine Tage?“
„Na, hoffentlich“, kreischte ich, „die Alternative wäre ja wohl die volle Katastrophe, oder?“
„Ach, warum denn? Ich könnte mir das sehr nett vorstellen...“
„Ja, du schon, du ernährst das Balg nicht, kümmerst dich nicht drum und posierst einmal im Jahr als stolzer Vater, und an mir bleibt dann alles hängen. Nein, nicht mit mir!“
„Willst du denn nie Kinder haben?“ Gottchen, diese schmelzende Stimme! Glaubte er, wenn er mit der Gefühle-und-Familie-Masche ankäme, vergäße ich die Sache mit dem Geld?
„Doch, sicher – aber bestimmt nicht von dir. Du kümmerst dich ja schon nicht um Patrick und Jennifer. Was die beiden an netten Zügen haben, haben sie nur von Gisi geerbt.“ Das war ein Treffer, Heiner drehte sich um und verließ die Wohnung, ohne Jacke. Ich gab ihm zehn Minuten, dann wäre er bibbernd wieder da.
Nach sieben Minuten – ich aß gerade meinen Apfel und schaute auf die Uhr – hörte ich seinen Schlüssel. Er kam herein, warf mir einen finsteren Blick zu und den Schlüssel auf den Boden im Flur, ließ sich aufs Bett fallen und griff zur Fernbedienung. Ich sammelte seinen Schlüsselbund auf und nahm ihn mit aufs Klo, wo ich in aller Ruhe den Wohnungsschlüssel vom Ring praktizierte und ihn einsteckte. Danach fuhr ich in den Keller hinunter und kramte in meinem Lattenverschlag herum. Hatte ich es doch gewusst, da waren noch zwei Umzugskisten! Ich nahm sie mit hinauf und lehnte sie im Flur an den Küchenschrank. Wenn das kein Menetekel war!
Während Heiner sich durchs Abendprogramm zappte und halblaut seine Standardrede über die kulturelle Verblödung der Nation abspulte, fuhr ich meinen Rechner hoch und schrieb mir einige Ideen zum Kunstverein auf, danach öffnete ich eine zweite Datei und legte eine Tabelle an, in der ich vermerkte, was ich wann wo mit Putzen verdient hatte.
Als ich reif fürs Bett war, hatte Heiner gerade einen intellektuell für ihn hinreichenden Film gefunden, natürlich untertitelt, und sich festgeguckt. Ich duschte, zog einen sittsamen Schlafanzug an, der dem blöden Pascha mein Desinteresse zeigen sollte, putzte mir die Zähne und kam wieder ins Zimmer. Dort schob ich Heiner wortlos zur Seite, rollte mich neben ihm zusammen und löschte das Licht auf meiner Seite.
Die atonale Filmmusik störte mich beim Einschlafen, aber ich amüsierte mich damit, mir zuerst Heiners dummes Gesicht vorzustellen, wenn er morgen merkte, dass er keinen Schlüssel mehr hatte, und mir dann zu überlegen, warum dieser Kampmann das Haus so hatte verkommen lassen. Darüber schlief ich dann doch ein.
Geweckt wurde ich von Heiners Genörgel, weil kein Frühstück im Haus war.
„Ich hab noch kein Geld gekriegt“, antwortete ich ungnädig und rieb mir die Augen, „das läuft doch über JobTime . Und du kriegst hier ohne Cash sowieso nichts mehr zu essen. Für wie blöde hältst du mich eigentlich? Geh doch ins Café frühstücken!“ Heiner brummte herum. Himmel, der war schon angezogen! Ich musste ihn an der Wohnungstür verabschieden, damit er das mit dem Schlüssel nicht jetzt schon merkte!
Unlustig stand ich auf und bearbeitete wenigstens Gesicht und Zähne.
„Recherche oder Sitzung?“, heuchelte ich dann Interesse, während Heiner eselsohrige Zettel in seine Tasche stopfte.
„Recherche. Scheiße, der Block ist voll. Kann ich deinen nehmen?“
„Nein, ich will am Nachmittag in die Bibliothek, da brauch ich ihn selbst. Außerdem hast du letztes Mal meine Notizen zum Teil bekritzelt, zum Teil einfach weggeschmissen.“
„Ich konnte doch nicht mit diesem Museumsscheiß bei einem Avantgarde-Künstler auftauchen.“
„Eben – kauf dir selbst einen Block!“
„Keine Zeit mehr.“
„Tja, das ist ja wohl dein Problem. Schönen Tag!“ Ich stand in der Tür und hielt sie einladend auf. Heiner fauchte etwas und schoss nach draußen und die Treppen hinunter. Sehr gut!
Ich schloss die Tür hinter ihm und ging ausgiebig unter die Dusche. Herrlich – und wenn ich die Wohnung erst einmal für mich hätte, wäre das ganze Leben herrlich, jeder Tag! Putzen, Geld verdienen, promovieren und abends meine Ruhe. Und wenn ich wieder ein paar Cent in der Tasche hätte, könnte ich auch mal wieder mit Ingrid und Carla einen zwitschern gehen, ins Ratlos oder zu Fabrizio . Hier gab es so viele Kneipen, aber Heiner lehnte sie alle als kulturlos und Schickimicki ab. Als ob die dämlichen Prosecco-Stehempfänge bei diesen off-Broadway -Ausstellungen und Inszenierungen nicht auf ihre Art genauso stereotyp wären! Blöder Hund.
Ich fischte seine Schmutzwäsche vom Boden des Kleiderschranks und stopfte sie in eine Tüte, dann baute ich eine der Umzugskisten auf und warf die Tüte hinein. Um neun musste ich bei dieser Frau Rössel sein. Fuggerplatz... da gab es nie Parkplätze, also sollte ich lieber zu Fuß gehen. Etwa eine halbe Stunde... jetzt war es zehn nach acht...
Ich sperrte meinen Laptop auch noch in den verschließbaren Schrank, aß den letzten Apfel, zählte mein Geld (noch exakt siebenunddreißig Euro und fünfundachtzig Cent), zog meine Putzkluft an und machte mich auf den Weg, nachdem ich die Wohnungstür extra sorgfältig verschlossen hatte.
Frau Rössel war etwa fünfzig, allein stehend – und sie trug selbst einen Putzkittel. Dass ich keinen hatte, bemängelte sie sofort. Sobald sie sich wieder beruhigt hatte, zeigte sie mir die Toilette, wo die Kachelfugen vergilbt waren. Ich bekam eine Tube Fugenweißer und hatte alles sorgfältig nachzuziehen und dann die Kacheln auf Hochglanz zu polieren – immerhin mit einem dafür laut Werbung extrem geeigneten Mittel. „Um elf sollten Sie damit fertig sein, dann können Sie den Wasserhahn entkalken.“
Na, wenn nichts Wichtigeres anlag... Ich machte mich an die Arbeit, polierte die Kacheln, zog jede Fuge sorgfältig nach und schüttelte ab und an meinen erlahmenden rechten Arm aus. Scheißjob! Nebenan hörte ich den Staubsauger. Aha, der Putzteufel erledigte die Routine wohl selbst und hatte mich nur für Sonderaufgaben engagiert? Auch recht!
Gegen halb elf hatte ich alle Fugen, auch zwischen den Bodenkacheln, in strahlendes Weiß versetzt und die Kacheln selbst funkelten in hochglänzendem Schokoladenbraun. Sehr passend für ein Klo; leider waren die Becken nicht auch braun, dann müsste man sie nie putzen, überlegte ich missmutig und sprühte die Mischbatterie mit Entkalkerschaum ein, bevor ich den Perlator abschraubte und ihn ebenfalls einschäumte. Man sollte ja bei der Arbeit mitdenken, um einen einigermaßen intelligenten Eindruck zu machen; also polierte ich auch gleich noch den Handtuchhalter und entfernte die Fingerabdrücke vom grell weißen Lichtschalter. Der Entkalker schäumte immer noch munter vor sich hin, also wischte ich auch noch den Lampenschirm feucht ab und brachte den Klopapierhalter auf Hochglanz.
Sobald aller Schaum entfernt und der Hahn wieder zusammengesteckt war (hei, wie das Wasser jetzt strömte), rief ich voller Stolz Frau Rössel, damit sie meine Meisterleistung bewunderte.
„Ganz ordentlich“, war der Kommentar, „aber beim nächsten Mal fragen Sie mich bitte, bevor Sie einfach den Hahn entkalken oder die Armaturen polieren. Und wieso sind Sie denn um elf schon mit der ganzen Gästetoilette fertig?“
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