1 ...6 7 8 10 11 12 ...22 Ich verkniff mir jeden Kommentar und ließ mich in ein riesiges Wohnzimmer führen. Kamin, Kachelboden, drei schauerliche Polstersofas mit geschnitzten Füßen, eine eichene Schrankwand, die aussah, als fehlte ihr die zweite Hälfte, daneben ein Billy neunzig/weiß/hoch, an dem die Beschichtung schon fast abplatzte und das mit zerlesenen Krimis vollgestopft war. Und überall alte Zeitungen. In der Ecke ging es weiter ins Arbeitszimmer, das ähnlich scheußlich eingerichtet und außerdem kniehoch mit Papieren bedeckt war.
Alle Fenster waren schmierig und verdreckt.
An der anderen Seite des Wohnzimmers befand sich eine Art Esszimmer, aber darin war nur ein gigantischer dunkler Tisch zu finden – ohne Stühle. Und darauf folgte eine Küche voller leerer Flaschen und vergammelter Pizzakartons. Die Kücheneinrichtung war mal das Allerneueste gewesen, schätzungsweise 1964, aber man hätte sie mal pflegen müssen – und man hätte sie nicht über und über mit Prilblumen bekleben dürfen. Ich gestattete mir ein „Hm“ als Kommentar und sah das verantwortliche Ferkel streng an. Er schaute ausdruckslos zurück. „Gefällt es Ihnen?“
„Das tut doch nichts zur Sache“, wich ich aus, „aber ob sechs Stunden pro Woche ausreichen, das alles auf Vordermann zu bringen...“
„Keinesfalls.“
Er verließ die Küche und wandte sich der Treppe zu. Ich kletterte hinter ihm hinauf. Oben lag Teppichboden mit Blumenmuster, in allen Räumen, außer dem Bad, dass in einem etwas zu kräftigen Apricotton gekachelt war. Verschlamptes Bad, separates Klo, eher unbenutzt und verstaubt, ein unordentliches Schlafzimmer, überall lagen Klamotten herum und das Bett war schon länger nicht mehr gemacht worden. Drei weitere Zimmer, leer, eins mit eigenem kleinen Bad in Dunkelbraun, daneben ein rosa Bad ohne Armaturen, dann eine Treppe, die ins Dachgeschoss führte.
„Da oben ist nichts zu machen, vorläufig“, wurde ich beschieden. Die tiefe Stimme gefiel mir; wenn man sie hörte, konnte man sich einen ganz anderen Kerl vorstellen, elegant und verführerisch – solange man den vergammelten Besitzer nicht anschaute. „Ja, und was stellen Sie sich nun vor? Soll ich jedes Mal ein, zwei Räume gründlich machen oder immer alles eher flüchtig? Was ist am dringendsten?“
„Dringend ist wohl alles. Könnten Sie sich heute mal die Küche vorknöpfen? Aufräumen, spülen, putzen, vielleicht auch einkaufen fahren?“
„Gerne. Was noch, falls ich früher fertig bin?“
„Vielleicht mal den Flur... oder das Gästeklo...“
„Gut. Wann hat Sie Ihre letzte Putzfrau denn im Stich gelassen?“
„Vor drei Monaten, glaube ich. Ich habe keine Zeit, mich um all das zu kümmern. Und ehrlich gesagt auch keine Lust.“ Er grinste kurz, und die Fältchen vertieften sich. Blaue Augen, so blau, dass ich sofort Kontaktlinsen vermutete.
„Dann werde ich mal anfangen“, verkündete ich. „Wo steht Ihr Putzzeug? Und soll ich von etwas die Finger lassen?“
„Von meinem Arbeitszimmer. Alles andere lege ich in Ihre Hände. Wenn Sie noch Fragen haben... ich bin im Arbeitszimmer, aber stören Sie mich bitte nicht zu oft, wenn´s geht.“
„Kein Problem.“ Ich hielt schon abgelenkt eine fast leere Spülmittelflasche hoch. „Kaufen Sie, was Sie brauchen, ich bezahle es.“
„Gerne – nur müssten Sie es auslegen, ich bin so pleite, dass ich kaum noch Bargeld habe.“
Er zog einen Hunderter aus der hinteren Hosentasche. „Brot, Wurst, Käse, einen Träger Diet Coke, einen Träger Wasser, Putzkram nach Belieben, Klopapier, Müllbeutel, ein paar Fertiggerichte für die Mikrowelle, Orangensaft. Viel Spaß!“
„Werd ich haben“, meinte ich munter, „hier lohnt es sich doch wenigstens!“ Er lachte spöttisch auf und verließ die Küche. Krass, wirklich!
Ich stapelte alles herumstehende Geschirr im Spülbecken und ließ heißes Wasser und den Rest Spülmittel darüberlaufen. Eine Spülmaschine gab es hier nicht. Dann sammelte ich den herumliegenden Müll ein – ordentlich sortiert – und trug ihn nach draußen. Die Küche hatte sogar einen Hinterausgang, anscheinend hatte man beim Bau des Hauses noch mit der Existenz dienstbarer Geister gerechnet. Na, jetzt hatte er ja wieder einen!
Das Abtropfgestell war dreckverkrustet, aber mit einem fettlösergetränkten Topfschwamm versetzte ich es in fast wieder neuwertigen Zustand, so dass ich das gespülte Geschirr ohne Zögern darin zum Trocknen aufstellen konnte. Was war denn in den Schränken? Geschirrreste, Staub und tote Fliegen. Na gut, ausräumen, ausfegen, auswischen, das uralte Geschirr ebenfalls einweichen... Die Prilblumen waren grässlich, wirklich, ohne diese Dinger hätte die weiße Kunststoffküche gar nicht so furchtbar ausgesehen. Ich fand wenigstens genügend Putzmittelflaschen und stapelweise originalverpackte Wischtücher, außerdem einen riesigen Staubsauger, einen Wischmopp und einen Eimer. Alles sah noch ziemlich neu und funktionsfähig aus, wenn es auch leider ausnahmslos feuerrot war. Wohl der Geschmack meiner Vorgängerin – warum die wohl hier aufgehört hatte? So schlimm fand ich diesen Kampmann gar nicht. Eigentlich ein beeindruckendes Trumm Mannsbild. Irgendwie kernig. Hatte er sie belästigt oder beleidigt? War sie dem Kampf gegen diese verstaubte Riesenscheune nicht gewachsen gewesen? Ich putzte während dieser Überlegungen den dreckverkrusteten Herd. Anscheinend hatte er es auch mal mit Tiefkühlpizzas und –baguettes probiert, jedenfalls fand sich eine Menge herabgetropfter und verkohlter Käse auf dem Ofenboden.
Beim Herumräumen und Zusammenfalten eines Haufens von Supermarktplastiktüten entdeckte ich ein kleines Radio und schaltete es ein. Zu flotten Weisen putzte es sich doch gleich noch viel besser!
Als alle Geschirr- und Gläserschränke innen sauber und wohlgefüllt waren, der Herd so blitzte wie die Edelstahlspülbecken und die Arbeitsflächen in makellosem Weiß (leider mit diesem ekelhaften blassrosa Minikaro) glänzten, putzte ich noch das Fenster, warf den verrotteten Kräutertopf weg, weichte die fettigen Scheibengardinen in einer chemisch sicher gefährlichen Mischung aus Waschpulver und Fettlöser ein und fuhr einkaufen.
Als ich wiederkam, hatte sich die Brühe im Putzeimer schon viel versprechend bräunlich verfärbt, und ich goss sie mit Schwung ab. Ja, die Gardinen sahen jetzt wieder recht ordentlich aus! ich spülte sie durch, wrang sie gründlich aus, zupfte sie zurecht und fädelte sie wieder auf die Stangen, dann verräumte ich alle Einkäufe in eine Kühltasche und putzte erst einmal den Kühlschrank von innen. Ölflecken, Spuren alten Gemüses, etwas Undefinierbares in Alufolie. Wegwerfen? Ich wickelte es mit angehaltenem Atem aus, vielleicht war es hundert Jahre alter Käse... Nein, eine goldene Kette mit einem ebenfalls goldgefassten Smaragdanhänger. Sicher nicht billig, bei der Steingröße – wenn er denn echt war! Schnell knüllte ich die Alufolie wieder fest, schaltete auf Abtauen und verstaute den Smaragd in der frisch geputzten Besteckschublade.
Das Gästeklo stellte mich nicht gerade vor große Probleme, hier musste man nur die Becken einsprühen und abwischen, einmal kurz über die angestaubten dunkelblauen Kacheln fahren und den Boden wischen. Gut, Klopapier, Gästeseife und ein frisches blaues Handtuch konnten nicht schaden. Schön, das genügte! Ich rückte dem hässlichen Flurtischchen mit Möbelpolitur zu Leibe, bis es einigermaßen glänzte, polierte den Spiegel, saugte den Flur einmal durch und wischte ihn feucht auf. Gar nicht hässlich, wenn man sich die Möbel und die Tapeten wegdachte!
Mittlerweile konnte man im Tiefkühlfach die Eisbrocken von den Wänden brechen und den Kühlschrank selbst schon auswischen und einräumen. Mit einem heißen Lappen wurde auch das Gefrierfach wieder wie neu; ich schaltete es wieder ein und stapelte die Mikrowellenmenüs darin auf.
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