1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 Die schönsten Skigebiete der Ostalpen? Ja, da hatten wir gleich zwei Bildbände zur Auswahl. Dieser hier enthielt sogar sehr übersichtliche Karten und Tabellen... Ja, leider war es deshalb auch etwas teurer...
Lieber mit Trixi bloß auf ein Bier. Stopp, einen Cocktail. Trixi war eine Dame und trank kein Bier. Im Charlie´s vielleicht, niemand konnte behaupten, dass das keine Nobeltränke –
Studienberatung? Aber natürlich, für ein spezielles Fach? BWL, soso. Ja, da gab es eine reiche Auswahl... Ich führte den besorgten Vater an die richtige Stelle und merkte zu spät, dass der geleckt wirkende Geschäftsmann mit dem Zeitplanratgeber, den er so angelegentlich untersucht hatte, zur Tür hinaus war, ohne den lästigen Umweg über die Kasse zu nehmen. Mist!
Warum machte so einer das? Wenn er erwischt wurde, war er doch ruiniert! Und das für vierundzwanzig neunzig? Ich schrieb einen Zettel für Ferdi und reichte ihn ihm. Er zuckte philosophisch die Achseln. „Bei dem Zirkus hier kommt das vor, du kannst deine Augen ja auch nicht überall haben.“
Der stille Kunde drückte sich heute bei der Kunstgeschichte herum, wählte, als ich ihn scharf ansah, einen Führer durch den Louvre und zahlte bei Trixi, die ihn kurz anfuhr, weil er bloß einen Hunderter hatte. Dann lächelte er vage in die Runde und verzog sich. Wahrscheinlich hatte er kapiert, dass keine hübsche junge Kundin heute die Muße für einen Flirt hatte, nicht, wenn sie noch siebzehn Weihnachtsgeschenke brauchte. Apropos – Scheiße, ich hatte ja auch noch keine!
Ich sollte allmählich mal darüber nachdenken... Wie wär´s mit Kostenloser Alltag für Dorle? Wahrscheinlich rieten die, bis vierzig bei den Eltern zu wohnen und den kostenlosen Service mitzunehmen, aber Dorle fand sicher den einen oder anderen Tipp darin. Und dieses Esoteriklexikon für Maggie? Da konnte sie sich gleich einen neuen Spleen raussuchen, Pendeln oder Wiedergeburt oder was auch immer und ihr Ihr-versteht-mich-alle-nicht-ihr-unsensiblen-Trampel weiter kultivieren.
Ich legte mir die beiden Bände zurück. Papa hatte ich ja schon, aber Mama? Nö, kein Buch. Die freute sich auch, wenn man sie als sinnliches Wesen wahrnahm. Ein richtig reiches (sprich: fettiges) Ölbad zu ihrem Lieblingsparfum? Mit passendem Deo und passender Bodylotion? Sie wusste, dass das Zeug nicht billig war, außerdem war ich die einzige Tochter, die sich merken konnte, wie es hieß. Gebongt, die Parfümerie an der Ecke (nicht nobel, gut sortiert in Sonderangeboten) hatte länger auf als wir.
Und eine große Schachtel Baumkuchenspitzen, die fraß die ganze Familie wie nichts weg, die würden auf den bunten Tellern keine Viertelstunde überleben und uns allen den Appetit aufs traditionelle Fondue verderben. Sehr gut, Weihnachten war abgehakt.
Nein, andere Weihnachtskarten hatten wir leider nicht mehr, nur, was der etwas lückenhaft bestückte Ständer noch hergab. Lesezeichen bekommen Sie an der Kasse, in den verschiedensten Ausführungen.
Zehn vor vier immerhin schon, das Ende war absehbar. Nur gut, dass wir nicht bis acht aufhatten! Sonja streckte sich ächzend, Trixi wischte sich über das rechte Auge und verschmierte ihre Wimperntusche. Ich löste sie hinter der Kasse ab, damit sie den Schaden beheben konnte, und versuchte, die Kassenschlange abzubauen. Ferdi trat neben mich und tütete ein – für exakt sieben Minuten, dann schloss er die große Eingangstür ab und wünschte den letzten Kunden, die ich gerade abzufertigen versuchte, ein schönes Wochenende und besinnliche Festtage. Ich kicherte. Das Wort besinnlich hatte leider immer diese Wirkung auf mich.
Schließlich war der Laden leer, um fünf nach vier. Gute Leistung, fand ich und zahlte schnell meine Weihnachtsgeschenke. Ferdi schloss die kleine Tür ebenfalls ab und ging daran, die Endabrechnung auszudrucken. Als er zufrieden grunzte, schlug ich halblaut eine Gratifikation vor, was das Grunzen in ein Knurren verwandelte. Wahrscheinlich speiste er uns wieder mit einer Flasche Billigsekt pro Nase ab, und das auch erst an Heiligabend!
Immerhin hatte ich am Montag frei. Dafür musste Trixi am Dienstag nicht arbeiten, und Sonja hatte sich den Freitag und den Samstag nach den Feiertagen geschnappt. Trixi kam frisch bemalt von der Toilette zurück. „Ihr seid schon fertig?“ Das würdigte keine einer Antwort.
„Willst du heute echt ins Belle Époque ?“, fragte ich sie stattdessen. „Wollen wir nicht lieber gemütlich im Charlie´s einen trinken? Mit den kaputten Füßen können wir doch eh nicht tanzen. Ich würde dich auch abholen", lockte ich.
„Och... nö, ich will schon noch ein bisschen abdancen. Und im Belle Epoque sind die Cocktails besser. Abholen musst du mich eh, mein Wagen ist in der Werkstatt. Inspektion.“
„Dann werde ich aber nicht alt“, warnte ich, „von Lärm und Plattfüßen hab ich eigentlich genug.“
„Sei nicht so schlapp. Tanzen verbraucht ja auch Kalorien“, versuchte sie mich zu ködern.
Ich brummte. „Na, meinetwegen. Wann soll ich bei dir sein? Um acht?“
„Neun genügt. Vorher ist da noch keiner.“
Am liebsten hätte ich sie gefragt, wozu sie noch einen zweiten Kerl abschleppen wollte, aber ich traute mich nicht so recht. Ich nahm mir vor, gemütlich etwas Alkoholfreies zu trinken und Trixi beim Männeraufreißen zuzuschauen – erheiternd war das, keine Frage. „Und mach dich schön!“, rief sie mir nach, als ich mich endlich davonmachen konnte, um die Parfümerie nebenan zu überfallen. Im Alltag war ich wohl nicht schön, was?
Trixis Worte schienen in mir weiter zu wirken, jedenfalls kaufte ich nicht nur den Kram für Mama, sondern auch einen Lippenstift in hellem Braun mit extra Glitzer-Diamant-Effekt, der laut Werbung alle Männer zu meinen willenlosen Sklaven machen würde. Vielleicht half´s ja was.
Was sollte ich anziehen?
Ich fror an der Bushaltestelle vor mich hin und überlegte. Ganz in Schwarz, vielleicht. Das machte schlank. Und unter dem schicken schwarzen Blazer das Top aus zinnfarbenen Pailletten... Dann müsste ich mir ja auch die Nägel noch passend lackieren, stöhnte ich innerlich. Nö, da genügten farbloser Lack und eine Grundreinigung, um den Bücherstaub zu entfernen. Bequeme Schuhe, keinesfalls High Heels. Ballerinas? Wahrscheinlich rutschte ich mit denen auf dem Parkplatz vom Belle Époque aus und fiel auf die frisch lackierte Fresse. Lieber die Collegeslipper mit dem Rest von Profil!
Wo waren die eigentlich? Ich schaute aus dem Busfenster und ging im Geiste die wilden Häufchen in den Ecken meiner Wohnung durch. Wahrscheinlich unter irgendwelcher Schmutzwäsche begraben und total ungeputzt.
Bis neun hatte ich noch reichlich Zeit, ich sollte vielleicht mal waschen und aufräumen. Und wenn ich den blöden Tannenzweig nicht bald an die Wohnungstür hängte, konnte ich es für dieses Jahr auch ganz lassen.
Die Lessingstraße kam mir heute ganz besonders lang vor und ich bildete mir sogar ein, eine nie zuvor bemerkte Steigung wahrzunehmen. Blödsinn – aber ich musste wirklich sofort aufräumen und waschen, wenn ich erst einmal aufs Sofa gefallen war, käme ich wahrscheinlich nie mehr hoch.
Meine Wohnung deprimierte mich mal wieder zutiefst: Wo sollte ich denn da anfangen? Ich stellte die Tasche mit meinen Weihnachtsgeschenken beiseite, warf die Stiefel in die Ecke und die Jacke hinterher und ging daran, alle blauen Klamotten, die herumlagen, einzusammeln und mit einem ordentlichen Schuss Pulver in die Maschine zu stopfen.
Schon besser. Sobald das Geschirr ins Spülbecken gestapelt und mit heißem Wasser und ordentlich Schaum bedeckt war, sortierte ich den zweiten Haufen (weiß und hellgrau) und ging auf die Suche nach den Collegeslippern, die ich verblüffenderweise auf dem Boden des Kleiderschranks entdeckte, unter der Reisetasche – verknautscht und ungeputzt. Ich putzte sie mit reichlich Schuhcreme, um die abgeschabten Ecken zu tarnen, und zog sie auf Spanner.
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