„Das heißt heute Pferdewirt.“ Denniz hatte den Kopf geschüttelt und die Augen verdreht.
„Dann brauchen wir eben einen Pferdewirt“, hatte Memphis sich verbessert.
„Und einen süßen Stalljungen“, hatte Hayley grinsend angefügt.
„Sagst du ja?“, hatte Lilly gespielt quengelig wissen wollen.
„Meinetwegen“, war seine leicht seufzende Antwort gewesen, auch wenn er sich ein Lächeln nicht hatte verbeißen können.
Lilly hatte einen kleinen Satz in die Luft gemacht, die Distanz zwischen ihnen mit zwei schnellen Schritten überbrückt, ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt und ihm ein Danke ins Ohr gehaucht. Wobei sie selbst von einem zum anderen gegrinst hatte.
„Da muss nun erst eine Neue kommen, damit hier mal Veränderungen stattfinden“, hatte sich Hayley erneut beschwert, dabei aber gelächelt. Zwei Wochen später war der Stall grundsaniert und Lilly von Motorengeräuschen geweckt worden. In Windeseile hatte sie sich angezogen und war hinausgerannt. Vor dem Haus hatten zwei große Pferdetransporter gehalten.
Memphis war schon dabei gewesen, beim Ausladen zu helfen. Mit geübter Hand hatte er gerade ein großes Englisches Vollblut aus einem der Hänger geführt. Das Tier war von dunklen Braun und seine Augen glänzten neugierig. Ein Mann hatte Memphis die Zügel abgenommen und das Pferd auf eine der großen Rasenflächen neben der Auffahrt geführt. Dort war eine Weide entstanden. Die Fläche grenzte an die Stallungen und war früher schon zu diesem Zweck genutzt worden.
Memphis war wieder im Trailer verschwunden und hatte das zweite Pferd geholt. Ebenfalls ein Englisches Vollblut. Allerdings eine Fuchsstute. Sie war etwas kleiner als ihr Artgenosse und schien ein ruhigeres Wesen zu haben. Denniz hatte sich zu Lilly gesellt und die Arbeit der Männer mit beobachtet. Dann war der zweite Trailer geöffnet worden.
„Jetzt kommen unsere“, hatte Denniz voller Vorfreude gesagt und auch in Lilly hatte sich ein freudiges Kribbeln ausgebreitet.
Dann war Memphis mit einem großen nachtschwarzen Friesen auf sie zugekommen. Er hatte ihr die Zügel gereicht und nur gesagt: „Deiner.“ Dabei hatte er ihr, sein für sie bestimmtes Lächeln geschenkt. Das Tier war wunderschön. Sein Fell glänzte in der Sonne und sein Blick war aufmerksam und konzentriert. Er hatte den Kopf gesenkt und Lilly hatte ihm eine Hand auf die Stirn gelegt. Die Chemie zwischen ihnen hatte sofort gestimmt.
Auch Denniz hatte einen Friesen bekommen. Der war sogar noch größer als Lillys. Allerdings fand sie ihren hübscher. Denniz’ Friese war nicht schwarz, sondern dunkelbraun. Und er hatte einen Schelm in den Augen, der so gut zu Denniz passte, dass sie leise lachen musste.
Sie hatten die Tiere zur Eingewöhnung auf der Weide gelassen und Lilly hatte sie den ganzen Tag beobachtet. Am nächsten Morgen waren Hufschmied und Sattler gekommen, um für jedes Tier das passende Zubehör anzufertigen und sie ordnungsgemäß zu beschlagen. Lilly hatte es kaum erwarten können, das erste Mal auf ihrem zu reiten. Sie konnte nicht reiten, was sie schon am Abend, an dem Memphis zugestimmt hatte die Pferde anzuschaffen, gestanden hatte. Doch die drei anderen konnten es und hatten zugesagt ihr beim Lernen zu helfen.
Mittlerweile konnte sie es gut. Hawk, so hatte sie ihren Hengst getauft, hatte ihr viel geholfen. Sein sanftes Gemüt und die ausgeglichene Art, die er an den Tag legte, machten es ihr leicht. Wind streckte den Kopf über die halbhohe Holzwand, die die Boxen trennte.
Er und Hawk waren unzertrennlich geworden. In den Boxen gegenüber standen Misty und Crazy Dean. Misty gehörte zu Hayley und Crazy Dean zu Denniz. Der Name war ihm spontan eingefallen, als er den Friesen auf der Weide beobachtet hatte. Der Hengst war wie ein Irrer über die Wiese gesprungen und gerannt, hatte sich gewälzt und sich damit kräftig eingesaut. Der Stalljunge hatte mit ihm die meisten Probleme, denn Dean machte seinem Namen alle Ehre. Verrückt durch und durch. Denniz war der Einzige, der ihn bändigen konnte.
Misty war ein ruhiges Pferd und die einzige Stute. Allerdings zickig. Sie schnappte gern mal zu, wenn man ihr zu nahekam und sie schlechte Laune hatte. Wind, Lilly hatte auch ihm seinen Namen gegeben, war Memphis’ Pferd. Der Name war ebenfalls perfekt. Zum Einen wegen Memphis’ eigenem Element und zum Anderen, weil er der Schnellste der vier war.
Nun entschied Lilly, einen Ausritt zu wagen. Es dauerte wie immer eine Weile Hawk zu satteln. Er war so groß, dass sie einen Tritt brauchte. 15 Minuten später stand er aber fertig im Stall. Sie saß auf und drückte ihm die Fersen in die Flanken. Er reagierte sofort und preschte los. Die Stalltüren waren offen und so konnte sie ohne Umwege direkt auf den Wald zuhalten. Dort ließ sie ihr Pferd dann laufen. Mal folgte Hawk einem Wildpfad, mal einem Trampelpfad von Menschen. Und manchmal lief er quer durchs Dickicht. Lilly genoss die Stille.
Eine ganze Weile später, fand sie sich an einem Strand wieder. Ab und zu hatte sie Hawk gelenkt, denn dank der Ausritte, kannte sie sich nun langsam aus. Ein Kontrollblick auf ein Straßenschild verriet ihr, dass sie die Coast Road erreicht hatte. Lilly lenkte Hawk zum Wasser und sah sich um. Hier war es schön. Das Wasser der Bucht schlug sanfte Wellen auf dem Sand und die Seevögel riefen sich gegenseitig.
Diese Stelle werde ich mir merken. Da es langsam spät wurde, wendete sie und trat den Heimweg an. Der Abend war hereingebrochen, als Lilly endlich zu Hause ankam. Sie führte Hawk gerade die ausgekieste Zufahrt hoch, als Memphis aus dem Haus kam und binnen eines Wimpernschlags bei ihr war. Hawk erschrak und stieg, sodass Lilly die Zügel loslassen musste. Doch er wich nur ein paar Schritte zurück und verharrte dann, während Memphis Lilly umarmte und festhielt. Perplex stand sie einfach nur da, bis er sie losließ und von oben bis unten musterte.
„Ist alles okay?“, fragte sie argwöhnisch.
„Jetzt ja. Tu das nie wieder! Hörst du!“, wies Memphis sie zurecht.
Lilly war verwirrt. Sie ritt öfter allein aus, auch mal den ganzen Tag, und Memphis hatte nie etwas dagegen gesagt. „Was ist denn los?“ Sanft nahm sie sein Gesicht in die Hände. Sie sah Angst in seinen Augen und gleichzeitig Erleichterung. „Memphis, was ist passiert?“
„Komm erst mal rein.“ Er schnappte sich Hawks Zügel und ihre Hand, dann zog er beide Richtung Haus. Vor der Tür wartete der Stalljunge. Memphis reichte ihm die Zügel und zog Lilly weiter.
„Ich mache Hawk fertig.“ Sie tat das immer selbst.
„Nein, komm rein.“ Ohne ein weiteres Wort zog er sie weiter und erst im Esszimmer ließ er sie los. Er half ihr aus der Jacke und bedeutete ihr, sich zu setzen. Lilly tat es, ließ ihn dabei aber nicht aus den Augen. Denniz und Hayley betraten ebenfalls den Raum. Denniz schaute wie immer, als wollte er gleich sagen, er habe Hunger.
Hayley hatte einen Hauch der Angst um sich, wie Lilly es auch bei Memphis gespürt hatte. Sie und Denniz setzten sich, während Memphis am Kamin Stellung bezog. Ein Feuer brannte darin und warf eine wohlige Wärme in den Raum. Keiner sprach. Mrs Hamilton deckte den Tisch für das Abendessen und verschwand wieder. Denniz schnappte sich zwei Toasts und begann, Marmelade darauf zu verteilen.
Erst nach dem zweiten Bissen fiel ihm auf, dass sonst keiner aß. „Was ist denn mit euch los?“
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