„Nein. Sie helfen Ty.“
„Warum?“
„Weil sie Hilfe braucht!“, knurre ich und merke, wie meine Schwäche aufsteigt. „Es ist nicht ganz so leicht, jemanden zu finden, dem sie noch vertraut!“ Mein kurzer Blick für ihn ist zornig.
„Wir haben Heiler“, gibt er nur an.
„Das sind alles Elfen. Mal davon abgesehen, hat sich keiner gefunden, der seine Dienste zur Verfügung stellen wollte.“
„Du hättest mich fragen können. Ich hätte es anordnen können.“
Diesmal fixiere ich meinen Bruder und Regenten mit verengten Augen. „Als wüsstest du nicht, dass Ty keinen von uns an sich ranlässt, nachdem was passiert ist!“
„Das ist ja nicht mein Problem.“
„Du scheinheiliger Bastard!“ Ich stehe schon, als Bents Hand sich um meinen Arm schließt und er mich zurück auf meinen Stuhl drückt.
„Bleibt ruhig, En. Denk an Ty. Es hilft ihr nicht, wenn du austickst.“
Meine Kaffeetasse bekommt einen Schlag mit dem Handrücken und fliegt über den Tisch. Auf der anderen Seite fällt sie runter und zerbricht unter lautem Klirren am Boden. „Pff!“, stoße ich aus und lasse mich wieder auf meinen Stuhl fallen.
„Die Zwerge gehen. Heute noch!“, befiehlt Ristan und nimmt nun einen Schluck von seinem Kaffee.
„Wir brauchen sie hier!“
„Wir sind kein Hotel, Enyo! Die Zwerge verschwinden!“
„Aber Ty ...“
„Ist mir scheißegal!“ Seine Tasse knallt auf den Tisch und der Inhalt verteilt sich darum. „So ein Aufstand für einen Menschen! Ich glaube, es hakt bei dir! Was denkst du denn, was das werden soll?!“
„Jemand hat sie vergewaltigt und verprügelt! Sie haben sie gefoltert oder was auch immer mit ihr angestellt! Und du fragst mich allen Ernstes, was das werden soll?! Sie gehört mir, Ristan! Sie ist mein Mädchen und irgendwer hat sich an ihr vergangen! Sie ist meine !“
„Und du behandelst sie, als wäre sie etwas wert! Ist sie es denn?! Redet sie wieder mit dir?! Ist sie eine Hexe?! Ist sie eine Aleárth?! Ich kann’s mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Sie ist mager, schwach und krank. Was ist an der so toll?! Können wir sie gebrauchen?! Wenn nicht, lass sie endlich sterben und such dir eine Neue! Du investierst viel zu viel Energie in sie, statt dich um deine Pflichten zu kümmern!“
„Eine meiner Pflichten ist es, mein Eigentum zu schützen!“
„Aber nicht dieses Eigentum!“ Seine Stimme ist laut und sicher hört uns jeder im Anwesen. „Sie ist nur ein Mensch, Enyo! Gib sie auf! Wenn sie dir so wichtig ist, erlöse sie doch und bring sie um! Es gibt noch genug Frauen da draußen! Warum sie?!“, fragt er aufgebracht und an seinem Tonfall höre ich, dass er von meinen Gefühlen für sie weiß.
„Weil ich sie liebe, Ristan!“, spreche ich aus, was er sicher nicht hören will. Niemand scheint mehr zu atmen, während mein Bruder und ich uns nur anstarren. Weil er nichts sagt, rede ich weiter. „Ich werde rausfinden, wer das mit ihr gemacht hat! Und ich werde denjenigen dafür zahlen lassen! Und es ist mir scheißegal, dass es ein Elf war und dass sie ein Mensch ist! Sie ist mein Mädchen und niemand hat das Recht sie anzufassen, außer mir!“
Wieder kommt keine Reaktion von ihm. Ich stehe auf und wende mich ab. An der Tür drehe ich mich doch noch mal zurück und sehe alle Blicke entweder auf Ristan oder auf mich gerichtet. „Und die Zwerge bleiben“, erkläre ich, wieder vollkommen ruhig. „Mindestens solange, wie Tyree sie braucht.“ Dann verlasse ich das Esszimmer und mache mich auf den Weg zurück in meine Räume.
Auch wenn Bay noch immer mit den Wölfen Wache hält, will ich Ty so wenig wie möglich allein lassen.
5
Jemand hat mir mehrere Kissen und eine Decke ans Fenster gelegt und kurz war ich verwirrt, weil es nicht mein Bettzeug ist. Durch die offene Tür zu Ens Zimmer konnte ich dann aber erkennen, dass es auf seinem Bett jetzt fehlt.
Ich stand eine ganze Weile unentschlossen vor meiner Ecke, weil ich unsicher war. Es ist sein Bettzeug. Hat er es da hingelegt? Wollte er die Ecke für sich?
Aber das wäre albern. Oder wollte er, dass ich nicht mehr in der Ecke sitze und mich so davon fernhalten? Aber warum?
Myra hat dann nur lächelnd gesagt, dass er das sicher nur gemacht hat, damit ich es bequemer habe. Und damit ich meins nicht mitnehmen muss, hat er eben seins genommen. So kann ich sein, wo ich will, ohne das Bettzeug hin- und herzuschleppen.
Das ist wirklich lieb von ihm, denke ich und ziehe die Decke höher. Ich war vorhin so erschrocken, dass es lange gedauert hat, bis mein Herz sich beruhigt hatte. Jetzt sitze ich hier und Enyos Geruch steigt mir in die Nase. Wald und Wiese.
Wie Bent , geht es mir durch den Kopf und ich muss tatsächlich lächeln. Auch Bent hat ab und zu Zeit hier verbracht, doch er hat nie versucht, mit mir zu reden. Seit seiner Entschuldigung war er schweigsam mir gegenüber. Ich bin ihm dankbar dafür, denn es hilft absolut nicht, darüber zu reden.
En wollte es wissen und ich habe es ihm gesagt. Ich hätte es nicht getan, wenn er nicht schon wieder gefragt hätte. Einfach weil ich noch nie jemand war, der sich irgendwo ausheult. Aber nun weiß er bescheid und ich hoffe inständig, dass er nicht noch mal fragt. Es hat ihn getroffen, dass ich ihn so angegangen bin und sicher auch die Dinge, die ich erzählt habe. Jetzt ist es jedenfalls raus und es geht ganz sicher keinem von uns dadurch besser.
Jemand kommt ins Zimmer und wieder ist es Enyo, der sich mir gegenüber an die Wand setzt. Sein Blick bleibt nachdenklich, als er mich einfach wieder ansieht, wie er das schon die ganze Zeit immer tut. Myra hat auf meinem Bett gelegen und gelesen, doch nun steht sie auf und legt das Buch weg.
„Geh nur mit Bent raus“, weist Enyo sie an und sie nickt. Dann ist sie weg.
„Warum?“, frage ich verwundert.
„Weil Ristan wütend ist.“
„Mhm.“
„Er will, dass Zeez und sie gehen. Ich soll keine Herberge aus dem Anwesen machen“, erklärt er und wendet den Blick nicht von mir ab.
„Machst du das denn?“
„Nein. Ich habe dir Hilfe angeboten im Tausch gegen deine Gesellschaft. Und ich habe den Zwergen ein Zimmer geboten, im Tausch gegen ihre Hilfe für dich. Wir handeln.“
„Mein Handel ist nichtig“, sage ich und wende den Blick ab. „Ich kann ihn grad nicht einhalten.“
„Wieso? Du bist hier und ich bin hier.“
„Aber ich gebe dir nicht das, was du haben willst.“
„Du bist hier“, wiederholt er nur, dann ist es wieder still im Raum.
„Danke hierfür“, lenke ich ab und hebe die Hand unter der Decke.
„Gern geschehen. Und es tut mir leid, wenn ich dich vorhin erschreckt habe.“
„Schon gut.“
Er presst die Lippen aufeinander, als würde er mir nicht glauben. „Ich vermisse dich“, kommt es dann ganz leise bei mir an. Er hat den Blick gesenkt und betrachtet nun seine Hände. „Ich weiß, dass du Angst hast und ich will dich zu nichts drängen. Aber ich vermisse dich.“ Er schaut auf und fixiert meinen Blick. „Darf ich zu dir kommen?“, fragt er fast ein bisschen ängstlich und senkt den Blick.
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