„Genau wie beim Küssen!” warf Inge Heintzelmann leise ein, aber immer noch laut genug, daß es auch Herr von Hasley hören mußte.
„Sie wollen aus eigener Erfahrung beisteuern, gnädiges Fräulein?” fragte er voll liebenswürdiger Aufmerksamkeit und brachte sie mit dieser Bemerkung in schreckliche Verlegenheit. Aber warum mußte er auch so gute Ohren haben! Daß die Kameradinnen lachten, war Inge durchaus nicht recht, denn es mißfiel ihr im höchsten Grade, dem Spott des vergötterten Lehrers ausgesetzt zu sein.
In diesem Augenblick aber wurde die Unterrichtsstunde unterbrochen, denn Frau von Ergste erschien in der Tür und bat Herrn von Hasley hinaus. Die Schülerinnen waren sich selbst überlassen. Aber da sie schon junge Damen waren, benahmen sie sich durchaus manierlich.
Aber Klothilde von Rausch, die nichts vom Heiraten hielt und die einzige in der Runde war, die Ulrich von Hasley nur als Lehrer aber nicht als Mann gelten ließ, verspürte das Bedürfnis, das Gespräch fortzusetzen. Sie wandte sich an Inge und sagte:
„Meinst du nicht, daß es recht reizvoll wäre, Herrn von Hasley beim Küssen tief in die Augen zu schauen? Er hat doch einen so seelenvollen Blick!“
„Du kannst es ja mal versuchen, Klothilde!“ gab Inge Heintzelmann bissig zurück. „Vielleicht gelingt es ihm, den Eisklumpen, den du in der Brust trägst, zum Schmelzen zu bringen.”
„Kaum, Inge, ein solches Höllenfeuer gibt es für mich nicht! Die Männer sind es ja gar nicht wert, daß man ein solches Theater um sie macht!”
„Du irrst, Klothilde“, widersprach ihr Jutta von Freitag, „das Theater machen die Männer, und das ist gut so. Wir führen nur ein wenig Regie! Und diese Kunst zu beherrschen, gibt uns die Sicherheit der wirklichen Dame. Meinst du, es hätte keinen Reiz, einen feurigen Komparsen aus der Menge der Statisten auszuwählen und ihm die Rolle des ersten Liebhabers zu übertragen?“
Klothilde hob die Schultern und lächelte überlegen.
„Jede nach ihrer Façon! Wenn du meinst, das Zeug einer Pompadour in dir zu haben, bitte, versuch’s! Aber sei dir darüber klar, damit auch den Ruf dieser Kurtisane auf dich zu ziehen. Ich hatte bisher nicht den Eindruck, daß dir daran gelegen wäre!“
„Meinst du nicht, Klothilde, daß es noch einen weiten Spielraum gibt zwischen einem weiblichen Hagestolz und einer Circe, die auf Männerfang ausgeht?”
„Für mich nicht! Für mich gibt es nur das eine oder das andere!”
„Wenn du dich da nur nicht gewaltig irrst!“ lachte Inge von Heintzelmann. „Was du dir da ausgerechnet hast, ist nichts weiter als eine Hypothese. Aber das Leben ist keine ausgeklügelte Theorie, die man sich zurechtlegen kann, wie es einem gerade paßt!“
„Weißt du, was ich dir wünsche, Klothilde?“ fragte Baronesse Jutta und gab ihr gleich darauf die Antwort: „Einen kleinen Hochofen zum Einschmelzen deines Eisklumpens!”
„Und ich wünsche euch einen Eisschrank für euren hanebüchenen Optimismus. Es würde euren Gefühlen gar nicht schaden, wenn sie einmal eine Weile auf Eis gelegt würden! Wer nichts erwartet, wird auch nie enttäuscht werden!“
„Aber es ist doch das Los der Frau, enttäuscht zu werden“, sagte Beatrix weise.
„Für solche Erkenntnis bin ich leider noch nicht dumm genug!“ erwiderte Klothilde nun ernstlich böse, denn sie hatte das Gefühl, von den Freundinnen veralbert zu werden.
„Ach, Klothilde“, seufzte Beatrix, „für die Liebe kann man gar nicht dumm genug sein!”
Da eilte Klothilde von Rausch hinaus und warf die Tür hinter sich ins Schloß.
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