Alrun von Berneck
Mein Liebster ist so fern
Roman
Saga
Mein Liebster ist so fern
German
© 1958 Alrun von Berneck
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711507490
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
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„Mein lieber Frank!“ Regierungsrat Eick legte die Spitzen seiner Finger gegeneinander und maß den hochgewachsenen jungen Mann, der ihm in einem der tiefen Ledersessel gegenübersaß, mit einem eigenen Blick. „Du bist mir lieb und wert, hast einen tadellosen Ruf, aber Theda ist mir zu jung, viel zu jung; sie ist knapp achtzehn. Als verantwortungsbewußter Vater muß ich meine Zustimmung zu eurer Verbindung versagen.“
„Wir brauchen ja nicht gleich zu heiraten, Herr Regierungsrat. Ich hielt es nur für richtiger, offen vor Sie hinzutreten und um Thedas Hand zu bitten.“
„Das rechne ich dir ja auch hoch an und nehme dir darum auch nicht alle Hoffnung. In einigen Jahren vielleicht ...“ Franks Gesicht verschloß sich. Er hörte aus den Worten des Regierungsrates nur das Nein heraus.
„Du mußt das verstehen, Frank! Dein Beruf ist mir zu gefährlich. „Hänge das Abenteurerleben an den Nagel und schaffe dir eine bürgerliche Existenz; dann können wir weiterreden.“
Frank, der Großwildjäger war, wurde blaß, daß er ein Abenteurerleben führte, hatte ihm noch keiner zu sagen gewagt. Er bezwang seine Erregung und erhob sich aus seinem Sessel.
„Ich verstehe, Herr Regierungsrat!“ stahlhart war seine Stimme, „und Sie erlauben wohl, mich verabschieden zu dürfen.“ Mit einer knappen Verbeugung verließ er das Zimmer.
Er — ein Abenteurer! Frank kam nicht darüber hinweg, daß der Regierungsrat so über ihn zu urteilen gewagt. Er durchmaß den Garten und hatte fast das große Tor erreicht, als er sich bei seinem Namen gerufen hörte. Theda, seine kleine geliebte Theda flog auf ihn zu.
„Oh, Frank, was ist geschehen? Warum gehst du fort, ohne mir ein Wort zu sagen? Hat Papa ...“, sie brach ab, und ihre Augen weiteten sich angstvoll.
„Theda, Liebling!“ Zart legte er einen Arm um ihre Schultern und führte sie zu einer Bank, die unter einem blühenden Apfelbaum stand.
„So sprich doch, bitte!“ drängte sie.
„Dein Vater wünscht, daß wir uns trennen!“ Gleich schweren Tropfen fielen die Worte von den Lippen des Mannes.
„Nein!!! Nein, das kann er nicht wollen! Wir lieben uns doch!“
„Ja, Theda, wir lieben uns!“ Ganz fest zog er das geliebte Mädchen an sich und sah über ihren Kopf hinweg in die Ferne. „Ich werde dich immer lieben!“
„Warum ist Papa so hart? Ich werde zu ihm gehen, jetzt gleich!“
„Ich fürchte, daß das nicht viel nützen wird, mein Lieb, aber du kannst es ja versuchen.“ Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen.
„Ja, warum? Warum denn bloß? Ich kann das nicht verstehen“, krampfhaft umschloß sie seine Hände.
„Aus Sorge um dich, mein Lieb, mein Beruf ist ihm zu gefährlich.“ Bittere Worte drängten sich ihm noch auf die Lippen, aber er sprach sie nicht aus, um die Geliebte nicht noch mehr zu erregen.
„Nur, weil du einen Beruf hast, der nicht alltäglich ist, dürfen wir nicht glücklich sein? Oh, Frank, ein Leben ohne dich ertrüge ich nicht!“ Aufschluchzend warf sie sich dem geliebten Mann in die Arme.
„Es braucht ja nicht gleich ein ganzes Leben zu sein, Theda.“ Frank fand tröstende Worte, an deren Wahrheit er zwar selbst nicht recht glaubte, aber er wandte der Geliebten den Abschied so leicht wie nur eben möglich machen.
„Jetzt müssen wir uns trennen, Theda. Aber in einigen fuhren, wennn du großjährig bist, sieht alles ganz anders aus Dein Vater läßt uns ja die Hoffnung auf später.
„Das sind noch drei volle Jahre, Frank!“
„Es ist eine lange Zeit, ja! Aber sie wird vergehen, Theda. Ich werde dir oft schreiben und dem lieben alten Mond Grüße für dich auftragen, und abends, wenn er dann in dein Zimmer scheint, wirst du glauben, ich sei dir ganz nah.“
„Frank, wenn wir uns jetzt trennen“, ein heftiges Weinen schüttelte sie, „wird es eine Trennung für immer sein. Ich fühle das.“
„Aber, Theda, es ist der Abschiedsschmerz, der dir diesen Gedanken eingibt.“ Frank war bei ihren Worten zusammengezuckt — er hatte den gleichen Gedanken gehabt.
„Vielleicht hast du recht. Aber mir ist so bang vor der Zukunft, ich habe das Gefühl, als käme etwas Drohendes auf mich zu.“
„Du mußt jetzt tapfer sein, kleines Mädchen, mußt daran denken, daß jeder Tag, der vergeht, uns einander näher bringt. Leb wohl, Theda, und behalt mich lieb.“
Fest, als wolle er sie nie mehr lassen, nahm er die Geliebte noch einmal an sein Herz und küßte verzehrend ihre jungen, blühenden Lippen; dann riß er sich hastig los und verließ den Garten.
„Frank!“
Das große schmiedeeiserne To fiel hinter ihm ins Schloß, er hörte ihren Ruf nicht mehr.
Mit hängenden Schultern und schleppenden Schritten ging Theda ins Haus zurück.
„Papa!“ In der Diele traf sie mit ihrem Vater zusammen.
„Komm einmal mit zu mir hinein, mein Kind!“
Theda gehorchte und nahm in dem gleichen Sessel Platz, in dem noch vor einer knappen Stunde Frank gesessen.
„Du hast Frank fortgeschickt, Papa! Fühlst du denn nicht, daß du mich damit unglücklich machst? Ich liebe ihn doch!“
„Er ist der Mann dazu, ein junges Mädchen in sich verliebt zu machen, er bietet aber keinerlei Garantien für eine gesicherte Zukunft. Ich kann doch nicht mit offenen Augen zusehen, wie du in dein Unglück rennst. Du siehst jetzt noch alles durch die rosenrote Brille deines Verliebtseins. Aber glaube mir, zu einer Ehe gehört in erster Linie ein gesichertes Fundament.“
„Und das bietet deiner Meinung nach nur ein Mann, der sich in einer lebenslänglichen Anstellung befindet und später, wenn er einmal stirbt, seiner Frau auch noch eine Witwenrente hinterläßt“, entgegnete Theda bitter.
„Hätte Frank Waldhausen das zu bieten, würde ich keinen Augenblick zögern, dich ihm zur Frau zu geben. Ich kann mir vorstellen, daß dieses Indien, in dem er seine Tiere jagt, in deiner Phantasie wie ein Wunderland lebt. Aber welche Gefahren dort auf dich lauern würden, daran denkst du nicht.“
„Frank hat mich darüber nicht im unklaren gelassen, Papa.“
„Alle Achtung! Aber das ändert nichts an meinem Entschluß. Ich habe Frank Waldhausen angeraten, sich eine bürgerliche Existenz zu schaffen und in einigen Jahren einmal wiederzukommen. Das ist mein letztes Wort in dieser Angelegenheit. Also sei vernünftig und füge dich!“
Wenn der Vater so sprach, das wußte Theda aus Erfahrung, war alles Bitten vergebens. Niedergeschlagen verließ sie das Zimmer, nahm in der Diele, ohne recht zu wissen, was sie tat, einen Mantel von der Garderobe, ging durch den Garten, am Regierungsgebäude vorbei, immer weiter, bis sie sich vor dem Hause, in dem Frank für die Dauer seines Hierseins Wohnung genommen, wiederfand.
„Ja, Theda, Liebling!“
„Oh, Frank!“ Weinend warf sie sich ihm in die Arme. „Nimm mich mit, oh, nimm mich mit!“
„Gerne möchte ich dich mit mir nehmen, Theda, aber ohne Einwilligung deines Vaters geht das nicht.“
Er küßte ihr die Tränen von den Wimpern, zog ihren Arm durch den seinen und führte sie in den Garten hinaus.
„Schau, Kleines, so lieb ich dich hab; aber diesen Wunsch darf ich dir und mir nicht erfüllen. Dein Vater würde dich suchen lassen, und ich hätte mich einer Entführung schuldig gemacht. Du weißt doch, was das heißt, mein Lieb, nicht wahr?“
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