Elduria
Dragon der Beschützer
Fantasy-Roman
Norbert Wibben
Elduria
Dragon der Beschützer
Elduria, Band 2
Für meine Söhne Nils und Malte,
ich bin stolz auf euch!
In Erinnerung an viele schöne Vorleseabende mit meinen Kindern verpacke ich auch diese Geschichte in den bekannten Dreizeiler:
Ein Huhn und ein Hahn – …
Übersichtskarte Übersichtskarte Lage der Triqueta in Merion.
Drachenschule!
Tipps aus der Ferne
Ein Angriff
Unerwartetes Zusammentreffen
Gegenmaßnahmen
Hilfe von Danrya
Drachenblut
Gefahr!
Ins Herz Merions
Eine Verfolgung
Krähenangriff
Ausbildungslager
Ein Zweikampf
Latrinenreinigung
Danryas Suche
Aidan de Elduria
Auf nach Grimgard
Grimgard
Drakonias Inspektion
Auf in den Norden?
Runas Plan
In Elduria
Ein neuer Versuch
Gibt es Hoffnung?
Eingang zur Drachenhöhle
In der Drachenhöhle
Ein Hexenmeister
Drakonias Plan
In den Felsengängen
Creulons Überlegungen
Danryas Plan
Befire
Igoreth
Atropaia
Zaubersprüche
Danksagung
Lage der Triqueta in Merion.
Ein Huhn und ein Hahn – die Geschichte fängt an
Ein kräftiger und beständiger Sturm weht an diesem Morgen über die aufgepeitschten Wellen vom Meer im Westen heran. Ein junger Drache steht vor dem Höhleneingang, der in die Drachenschule führt. Er breitet die Lederhäute seiner Flügel aus und prüft, wie stark der Wind ist. Wird ihn die Luft überhaupt tragen können? Die Spannweite der gewaltigen Schwingen ist mehr als doppelt so groß, wie seine Körperlänge von der Schnauze bis zur Schwanzspitze. Er zögert, soll er endlich seinen ersten Flug wagen? Er ist unsicher. Er weiß, ein Drache fliegt schneller als fast alle bekannten Vögel, mit Ausnahme von Wanderfalken. Doch die kennt der zukünftige Beherrscher der Lüfte lediglich aus dem Unterricht. Seine Lehrerin, Frau Moira, hat ihm von der unglaublichen Geschwindigkeit berichtet, die der Greifvogel im Sturzflug erreichen kann. Sie sagte auch, selbst der kühnste Drache aus den vergangenen Jahrhunderten hatte nicht gewagt, sich mit einem Wanderfalken zu messen.
Dragon dreht sich zum Eingang der Schule zurück. Er liebt den Unterricht bei Frau Moira, der einmal in der Woche stattfindet. Sie ist schon sehr betagt und lässt sich von ihm ihr Essen auf den zerklüfteten Berg hinaufbringen. Ihre mit Schuppen bedeckte Haut schimmert in einer Farbe, die irgendwo zwischen Silber und Grau einzuordnen ist. Wenn sie von den Flugkünsten der vor Jahren gestorbenen Drachenkämpfer berichtet, leuchten jedes Mal ihre Augen. Sie beendet den Unterricht danach meist mit folgenden Worten:
»Mein lieber Jungdrache! Wenn du einmal in ihre Fußstapfen treten willst, wirst du endlich lernen müssen, dich der Kraft des Windes anzuvertrauen.«
Sie hat ihm nicht nur an jedem Schultag der verflossenen Jahre von den Taten der verstorbenen Drachenkämpfer berichtet, die mit Elfen verbündet waren, manches Mal erfolgte das mehrmals an einem Tag. Besonders stolz war sie dabei stets, wenn sie von ihren Brüdern erzählte. Deshalb geschah es in letzter Zeit immer häufiger, dass sie versäumte, ihm Neues beizubringen. Sie versank stattdessen in Erinnerungen und beschrieb die vergangenen Taten. Nicht nur ihre männlichen Geschwister hatten mehrfach die mit Zauberkräften ausgestatteten Elfenkämpfer aus Situationen gerettet, in denen diese von dunklen Zauberern der Menschen bedroht worden waren. Es gab unter ihnen fast gleichviele weibliche Drachen. Nur in Ausnahmefällen wurden sie davon ausgenommen. Das traf immer dann zu, wenn sie, wie Moira, wichtige Aufgaben für die Gemeinschaft erfüllten, oder diese geschlechtstypisch sind. Dazu zählte beispielsweise das Legen von Eiern. Die brüteten wiederum beide Elternteile abwechselnd aus. Sobald die jungen Kreaturen geschlüpft waren, wurden sie in Kriegszeiten von älteren oder anderen, nicht mehr für den Kampf geeigneten Mitgliedern der Drachengesellschaft aufgezogen und behütet.
»Wer Elfen unterstützen will, muss unbedingt fliegen können. Feuerspucken kann jeder Lindwurm, da ist nicht viel dabei. Aber fast so schnell und elegant wie ein Falke in der Luft zu sein, dazu gehört jahrelange Übung. Wenn du nicht endlich damit anfängst, wirst du das nie schaffen. Eine große Wendigkeit ist äußerst wichtig, um geschleuderten Flüchen ausweichen zu können! Eines Tages …« Meist schläft sie an dieser Stelle ein und der Jungdrache lässt sie dann, so wie heute, allein.
Auf der Plattform vor der Höhle prüft er wie jedes Mal vor und nach dem Unterricht die Tragfähigkeit des Windes. Dragon würde der Lehrerin gern folgen und sich der Luft anvertrauen, und sei es nur, um endlich für seinen Mut gelobt zu werden. Doch dann zögert er immer wieder im letzten Moment. Moira hat ihm auf der großen Schultafel mit Kreide aufgemalt, worauf es beim Flug ankommt. Wichtig ist, gegen den Wind zu starten, da der dabei hilft, schnell in den Himmel hinaufzusteigen. Dazu muss er nicht einmal die Kraft seiner Flügel nutzen. Das hat Dragon schon verstanden, auch ohne die vielen Pfeile, die sie auf die Tafel gezeichnet hat. Gerade jetzt spürt er, wie er fast automatisch nach oben gehoben wird, je nachdem, in welchem Winkel er seine Schwingen dem Wind entgegenhält. Wenn er sich umdreht und der heranbrausenden Luft die Rückseite seiner Flügel zeigt, wird er dagegen zu Boden gedrückt. Diese Erkenntnisse sind seit Jahren tief in seinen Erfahrungen verankert.
Trotzdem ist er unsicher, wie er es schaffen soll, nach dem Start in die Richtung zu fliegen, die er wünscht. Dabei kann es doch vorkommen, dass er mit dem Wind dahinstürmen muss. Wird er dann nicht abstürzen, herabgedrückt von der Luft?
Moira vermag ihm leider nicht zu zeigen, dass seine Sorge unbegründet ist. Seit Jahrzehnten wird sie von Gicht und Rheuma geplagt.
»Gäbe es doch nur einmal einen Tag, an dem ich keine Schmerzen habe. Ich würde dir voller Freude zeigen, dass deine Zweifel unangebracht sind.«
Diesen Spruch hat er inzwischen ungezählte Male von ihr gehört. Da sie aber, besonders im Schulterbereich und den Fingergelenken ihrer Flügel, von knotigen Entzündungen geplagt wird, verlässt sie den Schulraum nur noch selten. Deswegen bringt er ihr wöchentlich das Essen, wenn er zum Unterricht erscheint. Das besteht aus Bergziegen oder aus Schafen. Manche der Gämsen fängt er selbst, doch die Schafböcke, Muttertiere und Lämmer werden von den wenigen anderen Drachen der Insel gefangen. Dazu verlassen sie das Gebiet der Dracheninsel, was Dragon unmöglich ist, solange er sich zu fliegen weigert.
Der Drache erinnert sich an die vielen Jahre, in denen er Moira, die einzige Lehrerin des Drachengebietes, mit Nahrung versorgt hat. Er weiß, dass die uralte Drachenfrau nicht unweigerlich dem Tod geweiht ist, sobald er sie verlassen sollte, weil sie dann von anderen Bewohnern der Dracheninsel versorgt wird. Auch wenn die wesentlich älter als der Jungdrache sind, haben sie kein Verlangen, sich in die Angelegenheiten von Menschen und Zauberern auf dem Festland einzumischen. Sie nutzen die Ausflüge in deren Gebiete lediglich zur Nahrungsbeschaffung und achten peinlichst darauf, dabei nicht gesehen zu werden. Dragon zieht es aber aufgrund von Moiras Erzählungen gerade dorthin. Er möchte zu gern ähnliche Taten vollbringen, wie sie die von ihr gepriesenen Helden verrichtet haben. Stattdessen wird er von den anderen Lindwürmern wegen seiner Unfähigkeit zu fliegen verspottet.
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